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Kommentar

"Unser Wohlstand ist auf dem Leid anderer gewachsen" – Luuk erklärt "Ghost"

In seinem neuen Track übt Luuk Kritik an der Gleichgültigkeit und den Waffenexporten der Schweiz. Was ihn dazu bewegt hat, schreibt er hier.
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von Luuk

Der Zürcher Rapper Luuk ist bekannt für seine gesellschaftskritischen Texte, aber ein passenderes Timing für einen Release hatte er noch nie. Gerade als in Chemnitz die Rechts-Links-Fronten aufeinanderprallen und der Ständerat im Bundeshaus ein aufgelockertes Waffenexport-Gesetz absegnet, kommt Luuk mit seinem neuen Track "Ghost". Darin kritisiert er unterdrückerische Systeme und plädiert für mehr Solidarität mit seinen Mitmenschen – egal woher diese kommen. Ein Song, der in der aktuellen Zeit noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

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Für uns hat Luuk seine Beweggründe für den Track und seine Gedanken zur Weltlage aufgeschrieben:

Kalt und grau – so sah die Welt für mich aus, als im Winter 2017 die ersten Skizzen zu "Ghost" entstanden. Ich hörte mir Beats durch, die ich zusammen mit meinem Produzenten David gesammelt hatte. Da war er, dieser eine, der mir durch den dichten Grasrauch direkt ins Ohr ging, bei dem sofort Wortfetzen und Bilder in meinem Kopf aufstiegen.

Mir wurde schnell klar: Dieser Song soll eine Momentaufnahme meiner täglichen Beobachtungen und Eindrücke werden. Beim Text habe ich mich nur auf Facts konzentriert, die jeder verstehen und nachvollziehen kann. Vorausgesetzt, man geht nicht egoistisch und empathielos durchs Leben.

"Jede will nur s'beschte für sich, doch wer will s'beschte für eus?!"

Ich denke, in der Schweiz fehlt es uns an rein gar nichts, das überlebenswichtig ist. Sicherheit, Essen, Trinken und medizinische Versorgung – alles ist gewährleistet. Dafür leben wir in einer Dekadenz, die wir selber gar nicht mehr als solche wahrnehmen. Unsere Köpfe sind – sorry für die groben Worte – gefickt.

Das Schlimmste an der ganzen Sache ist allerdings, dass unser Wohlstand auf dem Leid anderer gewachsen ist. Wir Europäer haben in den letzten Jahrhunderten zu viele schlimme Dinge getan, für die wir nun endlich geradestehen müssen. Es ist unsere Pflicht, die Schere zwischen Arm und Reich zu schliessen und die immensen Unterschiede in der Gesellschaft auszugleichen.

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Darum kann ich auch null verstehen, wenn wir als Schweizer Waffen herstellen und diese auch noch in Bürgerkriegsländer exportieren dürfen. Das macht mich einfach traurig und ratlos.

Ich will hier nicht auf Gutmensch machen und sagen, dass ich selbst immer eine weisse Weste habe. Es gibt so viele Dinge, die falsch laufen, und diese Probleme sind auch nicht von heute auf morgen zu bewältigen. Aber wenn wir alle beginnen, unsere Welt aus der Wir-Perspektive zu betrachten und auch mal über den Tellerrand zu schauen, können wir trotzdem viel Positives bewirken. Darum geht es in "Ghost".

Seit einer Woche ist der Track nun draussen. Ich habe sehr viele positive Reaktionen auf den Song bekommen. Das ist auch der Grund, wieso ich seit bald zehn Jahren immer noch mit hundertprozentiger Leidenschaft an meinen Texten und Songs arbeite. Musik ermöglicht es mir, Dinge anzusprechen, die mich stören. HipHop ist fast das einzige Genre, in dem man Meinungen ungefiltert an die Öffentlichkeit tragen kann.

Leider gehen aber viele bekannte Gesichter der Schweizer Musikwelt zu vorsichtig mit politischen Aussagen um. Ich will nicht sagen, dass es für alle Musikschaffenden Pflicht ist, sich politisch zu äussern. Aber die Medien und Leute hinter den Kulissen pushen meist nur die Werke, die sich ohnehin gut verkaufen, und das ist ein Problem. Liebe, Party, the good life. Auch das ist ein Spiegel der Gesellschaft. Junge Menschen leben fürs Wochenende, wollen sich mit Alkohol und Drogen vom Alltagsstress ablenken. Dabei wäre es dringend nötig, dafür zu sorgen, dass wir nicht immer wegschauen. Diese Apathie hält uns davon ab, die Dinge zum Besseren zu verändern.

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Sich mit Politik zu befassen, heisst nicht nur, über politisches Geschehen Bescheid zu wissen, sondern auch die Zusammenhänge zu verstehen – und sich zu wehren. Oder zumindest sich der Probleme bewusst zu sein. Wir sind immer noch das Volk, wir sind mehr und wir haben alle die Möglichkeit, den Finger zu heben und uns mitzuteilen, wenn wir uns verarscht fühlen.

"Und während du dich beklagsch i dim scheiss Einfamiliehuus,
wachsets in andere Länder in eim Zimmer 2 Familie uf
Während du gad din Garte machsch vor dim Einfamiliehuus,
löscht Schwiizer Munition jetzt gad 2 Familie us"
– Krime auf "Nie Zfriede"

Luuks neues Album 'Renaissance' erscheint am 26. Oktober.


Luuk kann auch malen:


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