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Drogenrausch & Brandstiftung: Zwei wunderbar abgefuckte Tour-Anekdoten von Egotronic

"Wir stampften prächtig zuketaminiert durch den Club, wobei wir aussahen, als würden wir durch knietiefen Morast waten" – Torsun von Egotronic packt aus.
Foto: Imago

Guten Tag, mein Name ist Torsun Burkhardt. Im Jahr 2001 gründete ich die Elektropunkband Egotronic, um endlich weitestgehend kostenfrei saufen zu können. Und weil meine zeitweise stark ausgeprägte Affinität zu Rauschmitteln jeglicher Couleur lediglich bei Kulturschaffenden gesellschaftlich geduldet wird. In der bisher 16-jährigen Bandgeschichte mit unzähligen Shows gab es allerdings nicht nur deswegen die ein oder andere skurrile Nacht. Im Folgenden möchte ich von zwei Nächten berichten, die nicht unterschiedlicher hätten verlaufen können.

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1. Eine Silvesternacht in Freiburg oder: Die klassische Musiker-Drogen-Exzess-Nacht-Geschichte

Kurz nachdem Egotronic soviel Publikum zu ziehen (Haha, Wortwitz) begann, dass ich meine zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre andauernde Karriere als Langzeitarbeitsloser an den Nagel hängen konnte, waren wir für eine Show in der Silvesternacht im Freiburger Z, einem Club gebucht, der (sofern mich mein Erinnerungsvermögen nicht trügt) unterirdisch lag. In den späten Nachmittagsstunden kehrten wir zuerst in unserer Unterkunft ein. Das war eine private WG, in der neben uns auch ein befreundetes Berliner DJ-Team namens The MCF, welches nach uns im gleichen Laden auftreten sollte, einquartiert war. Wir nahmen umgehend den Backofen in Beschlag. Wir hatten nämlich neben allerlei Wach- und Fitmachern auch frischstes, flüssiges Ketamin in Fläschchen dabei, das wir zum späteren nasalen Konsum in Pulverform bringen mussten. Kaum, dass das so gewonnene Pulver in kleinen Tütchen verstaut war, hieß es für unsere Reisegruppe – bestehend aus drei Musikern, meinem besten Freund, der gleichzeitig unser Merch-Verkäufer war, meiner damaligen Freundin und unserem Booker und Tourmanager – los, in den Laden. Soundcheck war angesagt.


VIDEO: "Der furchteinflößendste Schuldeneintreiber Großbritanniens"


Um nicht allzu sehr abzuschweifen, sei lediglich kurz erwähnt, dass die Anlage des Ladens völlig ausreichend für DJs, aber mittelmäßig verheerend für Live-Acts war, weshalb es schon beim Soundcheck zu ernsthaften, technischen Problemen kam. Wir beschlossen deshalb, frühzeitig mit dem Rauschmittelkonsum – Alkohol und Speed zum Warm-up – zu beginnen, um zum Zeitpunkt des Auftritts ein gewisses Niveau an Gleichgültigkeit erreicht zu haben. Als wir zum verabredeten Zeitpunkt die Bühne betraten, war das Mikrofon kaputt und vorerst kein Ersatz in Sicht. Wutentbrannt verzog ich mich wieder in den Backstage, um mir zur Beruhigung eine erste Ecstasy in den Rachen zu schmeißen und darauf zu warten, dass die Technik für einen neuen Versuch an den Start gebracht war. Etwa eine Stunde später war es endlich soweit. Allerdings hatten wir die Wartezeit für den Konsum von so manchem weiteren Bier und Mittelchen genutzt, weshalb sowohl die Show, als auch die folgenden Stunden im Nachhinein nur schemenhaft an meinem Inneren Auge vorbeizurauschen bereit waren und sind. Bassist Endi, der in dieser Phase der Band der einzig alk- und drogenfreie von uns war, meinte allerdings, es wäre richtig geil gewesen.

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Meine Erinnerung setzt erst ab dem Zeitpunkt wieder richtig ein, als die Betreiber des Ladens in den frühen Morgenstunden alle Gäste rauswarfen. Wohlgemerkt alle Gäste bis auf uns. Sowohl der ganze Egotronic-Klüngel, als auch The MCF durften bleiben und im kleinen Kreis fröhlich weiter feiern und konsumieren. Wobei es mir vorkam, als wollten uns die Clubchefs, die nichts außer Speed zu sich nahmen und deshalb knallwach und klar bei Verstand waren, lediglich in rauschzoologischer Absicht beobachten. Ob die Vermutung stimmt oder nicht, sie sollten nicht enttäuscht werden: Auf einer Couch in der Ecke saßen unser Booker und mein Kollege, der den Sequenzer bediente, im totalen 2C-B-Rausch, machten große Augen und waren zu nichts anderem in der Lage, als strange zu gucken und mit den Füßen zu wippen. Meine Freundin, mein bester Freund und ich stampften prächtig zuketaminiert durch den Club, wobei wir aussahen, als würden wir durch knietiefen Morast waten, während einer von The MCF den verspultesten Minimal auflegte, den ich je in meinem Leben zu hören bekam. Später erfuhr ich, dass auch er deftig am Ketamin genascht hatte, was zwar einerseits die Track-Auswahl erklärte, aber andererseits die Frage aufwarf, wie zum Teufel er es noch fertig brachte, so perfekt Platten aufzulegen.

Als uns die Veranstalter gegen Nachmittag des Clubs verwiesen, hatten sie neben mancher Schweinerei alles gesehen, was der damalige Party-Drogenmarkt hergab. Unsere Reisegruppe hingegen verzog sich glücklich und aufgekratzt in die WG, wo wir noch bis in die folgende Nacht weiter tranken und kifften und uns irgendwann doch müde geworden schlafen legten. Am 02. Januar stand schließlich die nächste Show an.

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2. Nacht mit Stress oder: Als während einer Show unser Tourwagen in Flammen aufging

Bevor ich mit der Geschichte zur zweiten Nacht beginne, möchte ich darauf hinweisen, dass der Angreifer nie gefasst wurde. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass ein stadtbekannter Rapper die Tat beging, der sich zum Zeitpunkt der Attacke noch als Kommunist titulierte, damals aber schon stramm antisemitisch war und später dann, dem angemessen, öffentlich sein Coming Out als Nazi zelebrierte. Egotronic waren, unserer extrem linken, aber dennoch israelsolidarischen Haltung wegen, sein oft verkündetes Hassobjekt Nummer 1. Er erwähnte uns in Songs, kündigte im Internet an, uns kriegen zu wollen, wurde am Abend der Show mehrfach in der Umgebung des Clubs gesichtet und rühmte sich auch nach der Tat mehr oder weniger durch die Blume mit Wissen über selbige. Gut möglich also, dass er…

Aber von vorn: Als wir nachmittags den Club Weberei erreichten, strahlte die Sonne ziemlich heiß für einen Tag im April. Alles war langweilig und tröge, wie das Tourleben nunmal die meiste Zeit ist. Wir aßen eine Kleinigkeit, bauten unser Equipment auf, checkten den Sound und begannen dann genüsslich mit dem Trinken. Als unsere Stagetime anbrach, waren wir und der Club ganz gut gefüllt und es wurde von der ersten Sekunde klar, dass das Publikum richtig Bock hatte. Vom ersten Song an war der Teufel los und spätestens ab dem zweiten lief der Schweiß in Strömen. So ging es etwa eine Stunde und als wir gerade mit den Zugaben starten wollten, stand plötzlich unsere Fahrerin neben der Bühne und winkte mich zu ihr. Der nächste Song lief schon, als ich mich zu ihr hinunterbeugte und sie mir ins Ohr schrie: "Unser Auto brennt!". Ich war verblüfft und dachte erst, sie wolle mich verarschen, aber als sie meinen Blick registrierend nachlegte, "Kein Scheiß, unser Auto brennt!", begann ich erstmal – aufgeputscht durch massenhaft Show-Adrenalin – zu lachen. Ich forderte die Band auf, kurz das Spielen zu unterbrechen und teilte dann dem ganzen Saal mit, dass unser Tour-Auto in Flammen stand. Keiner der Anwesenden wusste so recht, wie jetzt damit umzugehen sei, aber da der Veranstalter schon draußen und die Feuerwehr längst eingetroffen war, beschlossen wir den Zugabenblock zu Ende zu spielen.

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Kaum von der Bühne stand auch schon die Polizei in unserem Backstage und meinte, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um Brandstiftung handele. Man hatte Brandbeschleuniger gefunden und direkt vor dem Wagen stand mit Lackfarbe auf dem Boden gesprüht: "Gütersloh bleibt rot" sowie die Adresse des Hotels, in dem wir nächtigten sollten. Sie würden zwar eine Zivilstreife an besagtem Hotel positionieren, aber wir sollten in Erwägung ziehen, spontan eine andere Bleibe für die Nacht zu buchen – was der Veranstalter umgehend erledigte.

Glücklicherweise hatten wir unsere Reisetaschen mit in den sicheren Backstage genommen. Da unser Wagen komplett ausgebrannt und somit absolut fahruntüchtig war, wurden wir – obwohl wir uns nicht gerade kooperativ zeigten– von den Beamten mit Sack und Pack zu unserem neuen Hotel gefahren. Anstatt nun zu fluchen und zu jammern, betranken wir uns lieber auf unseren Hotelzimmern und blieben verhältnismäßig ausgelassen. Zumal es sich bei unserem Auto um einen Leihwagen handelte, der rundum versichert war … In weiser Voraussicht ohne Selbstbeteiligung. Erschwerend oder besser erheiternder Weise kam hinzu, dass der Notdienstmitarbeiter der Autovermietung, nachdem ein Ersatzwagen für den kommenden Tag geklärt war, nochmal zurückrief, um meinen Bandkollegen zu fragen: "Sag mal, Endi, bist du's?" Was zu allgemeinem Gelächter führte.

Zum Schluss sei erwähnt, dass am am nächsten Morgen pünktlich zur Abfahrt ein neuer Mietwagen parat stand. Die Tour ging schließlich weiter und wir waren guter Dinge, denn mal im Ernst: Für die nächsten Dates und zumindest einen Text für Noisey hatten wir nun wenigstens etwas mehr zu erzählen, als die immer gleichen Drogen- und Suffgeschichten. Und die richtigen Leute zu Feinden gemacht sowieso.

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Nachtrag:

Wer die Zeitungsartikel zu unserem Autobrand liest, wird feststellen, dass neben unserem, auch der Wagen der Mutter eines Fans in Mitleidenschaft, gezogen wurde. Auch uns wurde das zugetragen, weshalb wir Kontakt mit der Familie aufnahmen und ziemlich genau ein Jahr später an gleicher Stelle eine Soli-Show für die so entstanden Kosten spielen. Die ganze Familie war als Special-Guests geladen, unsere Freunde von Susanne Blech machten den Support und es wurde ein rauschendes Fest. Diesmal mit Schutz an den Parkplätzen und ohne brennende Autos.

Keine Argumente! ist über Audiolith erschienen. Ihr könnt es euch hier bestellen.

Noisey präsentiert: Egotronic auf Tour

14.09.2017 Rostock - Peter-Weiss-Haus
15.09.2017 Flensburg - Volksbad
16.09.2017 Münster - Gleis22
21.09.2017 Potsdam - Spartacus
22.09.2017 Dresden - Scheune
05.10.2017 Bremen - Tower
06.10.2017 Osnabrück - Kleine Freiheit
07.10.2017 Bonn - BLA
19.10.2017 Braunschweig - Nexus
20.10.2017 Amberg - Rock gegen Rechts
21.10.2017 Augsburg - SoHo Stage
26.10.2017 Regensburg - Alte Mälzerei
28.10.2017 Düsseldorf - The Tube
02.11.2017 Würzburg - Cairo
03.11.2017 Stuttgart - KellerKlub
04.11.2017 Basel - Hirscheneck
06.11.2017 Zürich - Hafenkneipe
16.11.2017 Jena - Kassablanca
17.11.2017 Konstanz - Kula
18.11.2017 Heidelberg - Karlstorbahnhof
18.01.2018 Köln - Gebäude 9
19.01.2018 Dortmund - FZW
20.01.2018 Nürnberg - Z-Bau
26.01.2018 Leipzig - Werk2
27.01.2018 Wiesbaden - Schlachthof
02.02.2018 Bielefeld - Nr.z.P.
03.02.2018 Hamburg - Knust

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