Die Leute hinter dem Erfolg österreichischer Musiker: Patrick Pulsinger
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Die Leute hinter dem Erfolg österreichischer Musiker: Patrick Pulsinger

Patrick Pulsinger ist der Mann, der für die 80er-Jahre Sounds von Flut gesorgt hat und gleichzeitig einer der bedeutendsten österreichischen Techno-DJs der Neunziger war.

In der Serie Die Leute hinter dem Erfolg stellen wir Musiker und Produzenten vor, die hinter den Kulissen für das Florieren der heimischen Szene verantwortlich sind. Eine Szene wird immer durch ihre unbeugsamen Künstler am Leben gehalten, welche auch im Angesicht aller Widrigkeiten einfach weitermachen und immer wieder neues Material veröffentlichen und sich bedingungslos in den Dienst der Kunst stellen. Zuletzt stellten wir Daniel Fellner von Seiler und Speer, Wanda-Produzent Paul Gallister, Bilderbuch-Produzent Zebo Adam und Reinhold Seyfriedsberger von Spoon-Booking vor. Heute besuchen wir Patrick Pulsinger in seiner Garage und seinem Studio, wo er bereits mit Elektro Guzzi, Ankathie Koi, Gerard, Flut, Minisex und tausend anderen Bands gearbeitet hat.

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Nicht allzu weit entfernt von Wolfgang Möstls Homestudio im fünften Wiener Bezirk, warte ich vor einer offenen Haustüre. Ich läute bei "Feedback Studio", leider bleibt es unbeantwortet. Man hört Maschinenlärm bis auf die Straße. Der Innenhof wird gerade von einer Baustelle besetzt und irgendwann mischt sich ein ein kurzes Hupen unter die Lärmkulisse. Patrick Pulsinger hat gerade seine alte Vespa geparkt und winkt mich zu sich her. Er erklärt mir, dass er noch kurz etwas in Favoriten erledigen musste. Kein Problem, ich war das Schwitzen eh schon von diesem erbarmungslosen Sommer gewohnt. Wir stapfen durch den Innenhof und die Baustelle, hinauf in sein Studio.

Dass ich Wolfgang Möstl anfangs erwähne, ist kein zufälliger Shoutout. Er und Patrick haben nicht nur schon gemeinsam an Wolfgangs Killed By 9V Batteries- und Mile Me Deaf-Projekten gearbeitet, sie stehen beide für alles Gute, das in der österreichischen Musikszene passiert und vor allem nicht Mainstream ist.


Mile Me Deaf im Interview:


Bereit für Namedropping? Hier ein kleiner Auszug aus Projekten, die er (co-)produziert hat: Elektro Guzzi, Hercules and Love Affair, Ankathie Koi, DJ Hell, Gerard, Schönheitsfehler, Bulbul, Wolfram, Patrick Wolf, Flut, Motsa, Minisex, Fennesz. Das ist natürlich bei weitem nicht alles. Es zeigt aber die Bandbreite seiner Arbeiten. Von HipHop über Ambient und 80er-Jahre-Pop bis Noiserock und Kammermusik gibt es nur noch wenig Genres, mit denen Patrick noch nicht in Berührung gekommen ist.

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Kein Wunder bei Patricks langjähriger Erfahrung im Musikgeschäft. Seit gut 25 Jahren kann er von Musik leben, anfangs – also Ende der 80er und Anfang der 90er – hauptsächlich als Techno-DJ, mittlerweile mehr als Produzent. Spielte er in seinen 20ern noch fünf Mal die Woche in Locations von Japan bis New York, hat sich das Auflegen auf gute zweimal im Monat reduziert. "Das Reisen geht mir aber nicht ab", sagt Patrick, "Die paar Stunden im Club, die man mit Leuten verbringt und etwas trinkt, sind eh total geil. Aber die restlichen 50 Stunden, die man alleine im Hotel und am Flughafen verbringt, sind scheiße." Außerdem hat er mittlerweile Familie – eine dreieinhalbjährige Tochter zählt auch dazu.

Nach einem Espresso aus der langsamsten Kaffeemaschine der Welt, führt mich Patrick durch sein Studio, das er mit alten und sehr wertvollen Synthesizern vollgepackt hat. Als er vor über 20 Jahren noch New York sein zuhause nannte, hat er bereits angefangen, sich auf Flohmärkten gebrauchte Synthesizer zu kaufen, sie zu reparieren und wieder mit nach Österreich zu nehmen. Eine alte und mittlerweile seltene Bandmaschine steht hinter dem Mischpult und über das ganze Studio verteilt findet man exotische Mikrofone. Es ist ein Paradies für Old-School-Musiktechnik-Nerds. "Ich bin jetzt nicht so der Mega Gear-Nerd, ich arbeite halt sehr gern mit den Sachen, die ich hab und versuche die auch auszureizen", sagt Patrick über seine Schätze. In Action kann man sich einen seiner Modularen Synthesizer, den er sich selber zusammengebaut hat, hier ansehen.

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Kein Wunder also, dass sich Flut für ihre erste EP bei ihm wohl fühlten. Die oberösterreichischen Jungs l(i)eben den 80er-Sound und Patrick hat dafür gesorgt, dass sich ihre Nachtschicht-EP so anhört, als würde sie direkt aus dem eigentlich schrecklichsten Musikjahrzehnt kommen und trotzdem gut klingen. "Flut waren wahnsinnig gut vorbereitet für ihre erste Studioaufnahme, aber natürlich auch unsicher und nervös", sagt er über die Zeit mit der jungen Band im Studio. "Ich find den Produzentenjob super, weil es Sozialdienst ist. Es hat oft viel weniger mit Musik zu tun, als mit Gruppendynamik."

Da man als Produzent immer sehr spät in den Schaffensprozess eines Songs oder Albums trete, müsse man sehr viel Fingerspitzengefühl mitbringen, erklärt er weiter. Immerhin arbeiten die Bands teilweise Monate vorher an ihren Songs, bevor sie sich damit ins Studio begeben. "Wenn ich dann der Meinung bin, es funktioniert überhaupt nicht, muss ich so etwas sagen wie 'Ich glaub, bei der Bridge müssen wir nochmal schauen'", sagt er und erinnert sich an Künstler, die schon weinend aus dem Studio gerannt sind.

Darum gibt es immer Vorgespräche, bei denen Patrick mit den Bands gemeinsam Musik hört, ein bisschen was raucht und über ihre Sound-Vorstellungen spricht, damit es nachher nicht zu Missverständnissen kommt. Das passiert direkt im Studio auf der gemütlichsten Ledercouch, auf der ich je gesessen bin und ich weiß nicht, wie man eingeraucht jemals von ihr loskommen kann.

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Patrick restauriert als Ausgleich zur Studioarbeit alte Autos, Motorräder und Fahrräder.

Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass ich diese Couch nie wieder verlassen werde, also akzeptiere ich mein Schicksal und nutze die Gelegenheit, um mit Patrick noch über den Zustand der österreichischen Clubkultur zu sprechen. Immerhin hat er schon die Anfänge der elektronischen Tanzmusik in Österreich wesentlich mitgeprägt. Den Zustand der Wiener Clubszene sieht er derzeit in einem Tal, von dem sie sich erst wieder erholen muss:

"Diese Wellenbewegung hab ich in den letzten 25 Jahren schon mal miterlebt und man muss jetzt daraus keinen allgemeinen Trend machen. Es kommen wieder jüngere Leute, die neue Ideen haben, vielleicht neue Locations entdecken. Es gibt zu jedem Boom eine Gegenbewegung und es gibt auch zu jeder Flaute eine Gegenbewegung."

Das liege auch daran, dass Clubmusik zur Alltagsmusik geworden sei. "Man hört sie überall. Wenn du ein Sandwich essen gehst, hörst du die selbe Musik, wie du sie im Club hörst. Es ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr da." So erklärt sich Patrick auch die unerklärlich über- oder unterbesuchten Events. Denn wenn "eh wieder nur so ein Berlin DJ" spielt, sei es für den Besucher egal, ob er diese oder nächste Woche geht. "An den Clubsound werden sehr spezielle Anforderungen gestellt. Der ist sehr genau definiert. Da kann man mitschwimmen und man kann sich dagegen stellen. Es gibt nach wie vor Leute, die Neues ausprobieren, aber ich glaub, dass die musikalische Innovation momentan ganz woanders passiert."

Und die sieht er bei Indiepop, bei dem mit Elektronik gearbeitet wird. Diese Begriffe lassen sich natürlich sehr weit greifen. In etwa so weit, wie das Repertoire von Patrick Pulsingers Produzentenportfolio aufgestellt ist. Patrick Pulsinger ist einer der wenigen Österreicher im Musikgeschäft, der über eine derart lange Zeitspanne seine Relevanz behalten konnte und aktiv den derzeit sehr guten Ruf österreichischer Musik mitgestaltet. Und jetzt schaut euch eine Doku aus dem Jahr 1992 an, in der ein sehr junger Patrick Pulsinger erzählt, was er vom Techno hält.

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