FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Der Film 'Top Gun' ist immer noch super—genau wie sein Soundtrack

Wir hätten den legendären Film mit Tom Cruise niemals so fanatisch geliebt, wenn er nicht einen so fantastischen Soundtrack gehabt hätte.

Top Gun ist einer dieser Filme, bei dem ich nicht weiß, ob ich ihn tatsächlich gesehen habe oder ob es einfach so viele popkulturelle Referenzen an ihn gibt, dass ich lediglich das Gefühl habe, ihn gesehen zu haben. Nachdem ich ihn mir anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums diese Woche allerdings noch mal angeschaut habe, muss ich sagen, dass der Film viel besser ist, als ich ihn in Erinnerung hatte—oder dachte, in Erinnerung zu haben.

Anzeige

Die Fliegeruniformen, die Fliegerbrillen, diese treibende 80er-Musik (gut, damals war das einfach nur "Musik"), einfach alles an diesem Film ist unglaublich! Während die Musik—"Top Gun Anthem" von Harold Faltermeyer, der die Filmmusik komponiert hat—behutsam zu den Opening-Credits läuft, wird uns erklärt, was wir gleich sehen werden: eine Story über eine Eliteschule für die besten Kampfpiloten der Welt mit dem Namen Fighter Weapons School, die die Schüler jedoch "Top Gun" nennen. Während die Credits langsam ausgeblendet werden, sehen wir die Umrisse von Arbeitern auf einem Flugzeugträger vor einem rötlich-braunen Himmel. Dann wird ein Düsentriebwerk gezündet, ein Jet startet und die Musik wechselt zu "Danger Zone" von Kenny Loggins. Als Zuschauer bist du sofort total erregt—nicht auf sexuelle aber trotzdem auf sehr reale Art. Du fühlst dich deswegen ein bisschen komisch, doch zehn Minuten später flüstert ein Nebendarsteller in einer Unterrichtszene seinem Nebenmann beim Anschauen von Kampfjet-Aufnahmen zu, dass er davon einen Ständer bekommt [in der deutschen Synchronisation mit einem unschuldigen "das kommt doch gut" wesentlich weniger zweideutig], und du erkennst, dass eine Jet-getriebene Geilheit genau das ist, worauf es dieser Film abgesehen hat.

Tom Cruise in der Rolle des Maverick ist die wahrscheinlich charismatischste Rollendarstellung, die jemals auf Film gebannt wurde—oder jemals existiert hat. Ich würde diesem Typen sofort einen Kredit gewähren. Cruise war drei Jahre zuvor bereits in Lockere Geschäfte zu sehen, aber erst in Top Gun lief er zu wahrer Topform auf: "FILMSTAR!" Auch wenn es nicht gerade eine Menge Flugszenen in dem Film gibt—und die, die es gibt, sind oft ziemlich verwirrend und wahrscheinlich auch nicht sehr realistisch—kommt wirklich gut rüber, was für ein toller Hecht er im Cockpit ist. Er ist so gut. Maverick bekommt, getreu seinem gar nicht mal so subtilen Spitznamen [Maverick = Rebell], ständig Ärger, weil er Regeln bricht und sich rücksichtslos verhält—doch wir werden pausenlos daran erinnert, dass er einfach unglaublich gut darin ist, dieses verdammte Flugzeug zu fliegen. Nein, in Top Gun gibt es keinen Platz für feine Zwischentöne. Damit wären wir dann auch beim nächsten Punkt: der Musik!

Anzeige

Die Musik ist für diesen Film essentiell. Die Stellen des Plots, die ansonsten überhaupt nicht funktionieren, scheinen allein durch die Kraft und das Momentum sorgfältig ausgewählter Musik zu gelingen. Nimm nur die Szene, in der Maverick und Goose eine Bar betreten, die genauso gut eine Highschool sein könnte. Maverick lässt direkt einen Spruch a la "in Stellung gehen" los, worauf Goose was von einer "Abschussquote" antwortet. Rückblickend ganz schön creepy? Klar! Aber eine angemessene Überleitung zu der berühmten Szene, in der Maverick seiner angebeteten Charlie "You’ve Lost that Love Feeling" vorsingt. Diese ganze Qual ergibt natürlich null Sinn. Klar, es wird sich dabei wohl um einen Trick handeln, den Maverick und Goose schon zuvor benutzt haben (erinnerst du dich daran, dass es solche Tagteam-Pick-Up-Artist-Aktionen früher in jedem Film und jeder Serie gab?), aber warum stimmen dann die ganzen anderen Piloten mit ein? Ist das so eine Navytradition aus dem Navyhandbuch? Immerhin bekommt der schwarze Pilot in der Szene ein Solo! Und wir lassen ihnen die ganze Szene durchgehen, weil die Righteous Brothers so fantastisch sind und wem würde eine Spontanaufführung eines der laut Wikipedia "besten Songs aller Zeiten" nicht gefallen—ein Song, der 2064 noch so schön sein wird wie er 1964 war?

Dann gibt es da noch die legendäre Volleyball-Szene: Sie ist vielleicht nicht ganz so eingeölt, wie sie der durchschnittliche Zuschauer in Erinnerung haben mag, aber das hier war Magic Mike vor Magic Mike und gleichzeitig ein großartiger Jungs-sind-eben-Jungs-Moment des Kinos. Sehr Bro-gressiv, wenn du so willst. Über die homoerotischen Qualitäten dieser Szene wurden bereits unzählige billige Witze gemacht, aber in der Regel wird dabei die Musik total außen vor gelassen. Was, genau wie in der Szene, in der der befehlshabende Offizier im englischen Original schreit, dass er ein paar "Butts" will, eine gewisse 80er-Ernsthaftigkeit unbeachtet lässt. Der Song, der während des Volleyballspiels läuft, heißt "Playing with the Boys" und enthält Textperlen wie:

Anzeige

Bodies working overtime, it's man against man
And all that ever matters
Is baby who's ahead in the game
Funny but it's always the same

Playing, playing with the boys
Staying, playing with the boys
After chasing sunsets
One of life's simple joys
Is playing with the boys

So MUSS das sein.

Der Teil der Handlung, der am meisten vom Soundtrack abhängt, ist allerdings die Romanze zwischen Maverick und Charlie. Es gibt an diesen beiden Leuten nichts, das auf eine Chemie hindeutet, und wenn wir uns die Bar-/Highschool-Szene noch einmal ansehen, ist es wichtig zu erwähnen, dass er ihr in die Damentoilette folgt. Das war selbst 1986 nicht akzeptabel. Folge niemandem auf die Toilette! Aber natürlich werden Maverick und Charlie ein Paar, denn jedes Mal, wenn sie zusammen sind, ist eine etwas andere Version von "Take My Breath Away" zu hören! Welche zwei Menschen auf dieser Erde können dieser Bombardierung mit einem der romantisch geilsten Songs der letzten 50 Jahre widerstehen? Nach diversen Instrumentalversionen haben sie letztendlich Sex, während Berlin singen:

Watching every motion in my foolish lover's game
On this endless ocean finally lovers know no shame
Turning and returning to some secret place inside
Watching in slow motion as you turn around and say
Take my breath away
Take my breath away

Da ist jetzt jemand nur vom Lesen schwanger geworden. Herzlichen Glückwunsch.

Die Wichtigkeit der Musik wäre also erörtert, doch Musik alleine trägt diesen Film nicht. Er hat auch all die Merkmale eines großartigen Highschool-Films. Das hier ist ein Actionfilm aus der John-Hughes-Ära. Es gibt die zuvor genannte Romanze. Es gibt ein kompetetives Schulumfeld und einen hartnäckigen Rivalen, Iceman, der seinen Stift genauso dreht wie ein Kind aus der Schule, das ich gehasst habe. Das kann niemals Zufall sein. Dieses Kind hat Top Gun gesehen und beschlossen, dass Iceman seine Lieblingsfigur ist. Dann hat er sich selbst beigebracht, den Stift genauso zu drehen wie er. Was für ein Idiot.

Anzeige

Wichtiger ist jedoch die Freundschaft zwischen Maverick und Goose, eine der wichtigsten der Popkultur, auf die immer wieder Bezug genommen wird. "Du bist meine Familie", sagt Maverick zu Goose und wenn *Achtung, 30 Jahre alter Spoiler* Goose stirbt, ist es emotionaler, brutaler und herzzereißender, als du es wahrscheinlich in Erinnerung hast. Ich würde mich gerne darüber lustig machen, dass es ein übertrieben männlicher Macho-Tod ist, bei dem du Steak-Sauce und Cool-Water-Aftershave weinst, aber ich habe geheult, als hätte ich es nicht kommen sehen. Ich habe so sehr geweint, wie wenn mir jemand gesagt hätte, dass mein Hund gestorben ist und mir danach auf die Nase gehauen hätte.

"Sie fliegen lange genug Jets, um zu wissen, dass so etwas passieren kann", sagt Commander Metcalf und vermittelt dadurch eine merkwürdige Art von Sterblichkeit und Resignation, nicht bezüglich des Todes, sondern was das Altern und dumme Sachen machen angeht. Es erinnert mich an all die Male, als ich mich so sehr betrunken habe, dass ich es beinahe nicht nach Hause geschafft hätte, oder jedes Mal, wenn ich idiotisch irgendwelche Nachrichten geschrieben habe (ebenfalls betrunken). "Sie leben lange genug, um zu wissen, dass so etwas passieren kann."

Später spricht Maverick mit Commander Metcalf, um herauszufinden, ob er Top Gun abschließen oder verlassen soll. Metcalf spricht Maverick aufmunternde Worte zu und erzählt ihm endlich vom Verschwinden seines Vaters. "Da oben entscheidet ein Pilot allein, das ist unser Job." Das Gefühl der Resignation ist weg. ICH STEHE UNTER STROM. Ich bin bereit, noch mehr bescheuerte Fehler im Leben zu machen, Baby! Los jetzt! Das ist unser Job!

Maverick entschließt sich, Top Gun abzuschließen, und die letzten 20 Minuten sind eine Erlösung, die er nicht wirklich braucht. Er ist ein Held, ein harter Typ, aber das wussten wir bereits. Er erkämpft sich die Anerkennung seines Rivalen Iceman, aber die braucht er gar nicht. Er beweist, dass er der Beste der Besten ist, auch wenn er nicht Klassenbester wird, und trotzdem ist dies nicht so wichtig. Was wichtig ist: Das Leben hat ihn hart getroffen, doch er hat nicht aufgegeben, auch wenn es keine Schande gewesen wäre, dies zu tun. Er geht zurück in die Luft. Es ist simpel und klischeehaft, aber darum geht es im Leben nunmal, wenn du älter wirst: Wieder aufstehen. Das ist eine Lektion, die mit 30 umso wichtiger ist. Wir sollten alle glücklich sein, wie Top Gun zu altern.

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.