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Ich war ziemlich tipsy beim Tipsy Tuesday im Lutz

Hipster, weite Stoffhosen, alternative Studenten oder flache Schuhe wird man im Lutz nicht finden. Dafür ur viele Sprühkerzen.

Lutz. Alle Fotos von der Autorin.

An einem Dienstag in Wien fortzugehen, ist nicht unmöglich, aber ziemlich schwierig. Es gäbe da das U4 mit dem TuesdayClub und im Flex das CRAZY. Und im Lutz das berühmte Tipsy Tuesday. Genau dieses wollte ich mal besuchen—ich war das letzte und erste Mal im Lutz mit 19 oder 20 und da war ich am Dienstag da. Auch in meiner "R’n’B, HipHop und House"-Zeit hat mich das Lutz am Wochenende nie interessiert. Ich glaube, dass es mir damals zu poshy—ich war ja eher die Ride Club-Fraktion—und zu teuer war.

Die Veranstaltungsbeschreibung liest sich auch wirklich schrecklich und erinnert stark an den VANITY-Text der Passage. Ich weiß nicht, warum man so klischeehafte Veranstaltungstexte erstellen muss und wen das ansprechen soll. Wiener jedenfalls nicht. Vielleicht ist es das Veranstaltungstext-Kreuz, das jedes Lokal, das in Tourismusführern erwähnt wird, tragen muss. Von mir gibt es jedenfalls wenig Liebe für Veranstaltungen, die von sich behaupten, sie seien voll mit Top-Stimmung und Top-DJs. Der Text ist schon alleine deshalb ein Scheiß, weil es dort keine Promis gibt. Österreich hat nämlich keine Promis. Wir haben Politiker, die in die Passage gehen und Lugner. Und ein paar Musiker, die nicht in das Lutz gehen.

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Screenshot via Facebook-Veranstaltung.

Nun ja, ich habe mich entschieden, das Lutz mit einem Kumpel zu besuchen, der noch nie dort war. Deshalb hatte er auch eine kurze Hose und Shirt an, aber das war zum Glück egal, denn die Veranstaltung lief unter dem Namen "Summer Special". Wir haben brav vorgeglüht und sind unter den ersten Gästen gewesen. Vor uns waren amerikanische Touristen-Jungs, die sich bei der Kassadame über die Party erkundigt haben. Sie meinte, es sei die beste Möglichkeit in Wien am Dienstag zu feiern.

An dieser Aussage hatte ich etwas auszusetzen. Woraufhin die Kassadame an meiner Aussage etwas auszusetzen hatte. Woraufhin die Jungs gegangen sind. Sorry. Drinnen war es kurz nach elf wirklich relativ leer, aber sehr schön. Das Lutz ist eine coole Location. Ich finde, es ist perfekt aufgeteilt mit den Bars, der Tanzfläche und den Sitzflächen. Sehr edel, aber trotzdem irgendwie bequem. Und Sitzflächen gibt es auch genügend—nur sind alle reserviert. Es war wirklich auf jedem Tisch ein Schild.

Das war uns aber irgendwie wurscht und wir haben uns einfach auf irgendwelche Plätze gesetzt und so getan, als wären das unsere. Das hat sogar so gut funktioniert, dass andere Gäste uns ehrfürchtig gefragt haben, ob sie ihre Getränke auf unserem Tisch abstellen dürfen. Wir haben es gestattet. Ausnahmsweise. Ich habe die Vermutung, dass die Tische pro forma reserviert sind—für VIPs. Also für Menschen, die im Lutz viel Geld liegen lassen, wenn sie vorbeikommen.

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Ich habe noch nie eine Party so schnell nach Anfang so voll werden gesehen. Wirklich. Die ersten zehn Minuten waren es noch einzelne Grüppchen und eine halbe Stunde später war der Laden voll. Bis 00:00 Uhr gab es auch ein Angebot für Cocktails um 5,50 Euro. Die haben wir von einem wirklich sympathischen und lustigen Bartypen bekommen. Und der Caipi war auch ein Caipi—es gibt dort also keine Pseudo-Cocktails, wo Studenten einfach irgendeinen Alkohol zusammenmischen, um sich ihre WG leisten zu können. Da waren mindestens halbe Profis am Werk. Spritzer gab’s im edlen Weinglas und obwohl es voll war, wurde man schnell bedient und konnte mit den Jungs hinter der Bar noch Schmäh führen.

Obwohl wir eher zu der Gruppe der Plastikbecher und Doppler gehören, war es dort wirklich irgendwie in Ordnung. Spätestens um halb eins ist uns aufgefallen, dass mein Kumpel der Einzige mit einer kurzen Hose war. Er war das einzige Summer-Special dort. Alle männlichen Gäste hatten lange Hosen und ein Hemd an. Fast alle weiblichen Gäste trugen High-Heels, knappe Kleider und starkes MakeUp. Es war wirklich ein bisschen so wie damals in der Passage, nur war die Musik um Ecken besser und die Getränke doch ein bisschen billiger. Die typischen Hipster, Goas und Menschen, die unter die Beschreibung "Gestalt" fallen, waren nicht da. Wir waren die einzigen Gestalten.

Ich sprach auch mit ein paar Gästen—es ist unmöglich einzuschätzen, wie alt Menschen sind, die sich so stylen—und wirklich: Von fünf Menschen waren alle fünf 20 Jahre alt. Das passt irgendwie zu meinem ersten und letzten Besuch damals. Da war ich auch 20. Und die Musik schien sich auch nicht groß geändert zu haben. Auch die TOP-Location nicht. Und auch nicht die "exquisiten" Gäste. Vielleicht ist das Lutz am Dienstag einfach ein Ort, an dem 20-Jährige, die sich für ihre jugendlichen Stammdiscos zu alt fühlen, perfekt. Vielleicht ist das der Zauber der Touristenführer. Vielleicht ist Tipsy Tuesday ein Auffangbecken für alle, die nichts mit Techno anfangen können, aber die zu unstudentisch für das U4 sind. So edel schauen Menschen, die am Dienstag ins U4 oder ins Flex gehen, nicht aus.

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Alle fünf Menschen haben auch nicht studiert. Also eine Dame hat neben der Arbeit mit Wirtschaft angefangen. Und so kam es auch rüber. Die Leute waren zwar sehr poshy gestyled, aber bunt durchmischt und lustig drauf. Sie hatten keinen hochnäsigen Gesichtsausdruck, aber es könnte auch einfach sein, dass ein gepflegtes Rauschbedürfniss an einem Dienstag ziemlich verbindet. Wenn man am Dienstag saufen geht, sind alle Partys irgendwie familiärer, weil es eigentlich ein ziemlich abgefuckter Tag in der Woche—zwei Tage nach dem Wochenende—zum Saufen ist.

Das sind keine Orbs, sondern Wodka-Flaschen.

Sie waren offen und leiwand—und auch angetrunken. Vielleicht lag es aber auch an den Wodka-Flaschen, die im Minutentakt samt zwei Sprühkerzen durch den Club wandelten. Der Club ist definitiv ein Flaschenhelden-Club. Und sie tun halt, wie viele andere Lokale, Sprühkerzen in die Boote. Die waren aber zu hell und aufmerksamkeitserhaschend. Wenn das Lutz Geld sparen möchte, kann es defintiv die Hälfte seiner Beleuchtung ausmachen. Aber ich war auch mal eine Flaschenheldin und ich muss sagen, dass Flaschen in vielen Lokalen die billigste Art für einen Rausch sind.

Die Kassadame hat den amerikanischen Jungs verklickern wollen, dass es "HipHop, R’n’B und House" spielt. Es hat original Rihanna und Sean Paul gespielt. Mit seltsamen, elektronischen Beats unterlegt. Ich liebe Rihanna und ich fand die Musik trotzdem TOP—zumindest für meinen Rausch—aber ich kann mir vorstellen, dass Musikliebhaber eine gewisse Eintönigkeit beklagen könnten.

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Außer ab und an Pitbull und Nicki Minaj ging da nicht viel mit HipHop und House habe ich auch keinen gehört. Ein Typ hat mir gesagt, dass er gerne zu Tipsy Tuesday geht, weil es nicht so poshy ist. Ich habe ihn gefragt, ob er das Werk kennt. Er kennt das Werk nicht. Die Aussage fand ich auch sehr lustig, weil es bestimmt das edelste Lokal ist, dass ich diesen Monat besucht habe und besuchen werde. Gleiches gilt für meine Begleitung. Aber wir wären an einem Dienstag auch eher im Flex, als im U4 oder Lutz zu finden.

Wiederkommen werden wir nicht. Erstens sind wir einfach schon älter als 20 und zweitens mögen wir es mehr, wenn es nach Underground aussieht und sich auch so anhört. Und unsere Doppler-Spritzer trinken wir auch am liebsten aus dem Plastikbecher. Die Weichmacher und der Wein passen geschmacklich TOP zusammen und sie sind praktischer zum Halten. Meine Begleitung—ein Techno-DJ—hat Rihanna außerdem nichts abgewinnen können. Und er hat sich unter lauter Hemden und gestylten Haaren unwohl gefühlt. Reingelassen wurden wir trotzdem—es ist also ein natürlicher Style des Lutz-Clubs.

Was war zuerst da, die strahlende Flasche oder die strahlenden Gesichter?

Trotzdem: Wer Sean Paul und Rihanna mag und nicht so ein Underground-Nazi ist wie meine Freunde und ich, wird hier glücklich. Es hat sich seit vier Jahren nichts verändert. Tipsy Tuesday ist also ziemlich beständig. Ich glaube genau diese Beständigkeit (oder auch: Eintönigkeit) schätzen die regelmäßigen Gäste dort auch: Die Gewissheit, dass es—dank den Touristen—nicht immer das selbe Publikum gibt, dass es trotzdem immer voll sein wird und dass es Arschwackel-Musik spielt. Hut ab für so ein volles Lokal an einem Dienstag. Wäre ich 20, würde ich wohl öfters dort sein.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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