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weltfrauentag

The Women who run Swiss music: Julie Born, Managing Director Sony Music Schweiz

Julie Born ist seit den 80ern in der Musikbranche tätig und hat alle Up and Downs miterlebt. Wir stellen sie vor.
Foto von Jojo Schulmeister

Am 8. März ist Weltfrauentag. Wir nehmen uns aus diesem Anlass Beyoncés Empowerment-Hymne zum Herzen: "Who run this world? Girls!" In den nächsten Tagen stellen wir auf Noisey vier Frauen vor, die nicht auf der Bühne stehen, sondern aus dem Hintergrund die Schweizer Kultur gestalten. The Women who run Swiss music, könnte man sagen. Den Auftakt macht Julie Born, Managing Director Sony Music Schweiz.

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Als ich im Sitzungszimmer von Sony auf Julie Born warte, fällt mir ein bekanntes Buch auf: Kill Your Friends von John Niven, ein Roman über die Musikindustrie der 90er. Inhalt: Sex, Drugs und Rock'n'Roll. Es steht Beispielhaft für das frauenfeindliche und sexistische Umfeld in der Branche zu dieser Zeit – oder wie es zumindest gerne dargestellt wird. "Klar, im Highlife der Musikbranche in den 80ern gab es einige testosterongesteuerte Männer. Das habe ich zumindest am Rande miterlebt", sagt Julie als ich sie auf das Buch anspreche. Julie Born ist Ende der 80er-Jahre in die Musikbranche eingestiegen und erlebte die Up and Downs der Industrie hautnah mit. Das Aufkommen des Internets hätte nicht nur der Musikbranche das Leben schwer gemacht, sondern auch den machohaften Lifestyle der Musikmanager rasch verdrängt. "Das Machoide ist eigentlich komplett verschwunden. Das Internet hat uns gleichzeitig kreativer gemacht und so bin ich heute umgeben von ganz vielen kreativen Menschen", sagt die 50-Jährige. Gleichzeitig sieht sie aber auch den allgemeinen Wandel in der Gesellschaft, der zur Gleichberechtigung in der Branche geführt hat. "Früher hatte die Frau die Rolle, dass sie die Kinder gross zieht und keine Karriere verfolgt. Das hat sich ja grundlegend geändert. Und ich habe das Glück, in einer Firma zu arbeiten, die Frauen immer Platz gegeben hat und sie gefördert hat."

Aber fangen wir von Vorne an: Julie Born hat Ende der 80er als Marketing-Assistentin in der Industrie angefangen. "Weil ich immer so eine grosse Passion für Musik hatte, wollte ich unbedingt weiterkommen und bewarb mich für eine Stelle in der Promo-Abteilung", erzählt sie. Diese Stelle blieb ihr aber verwehrt. "Der Leiter des Labels sagte mir damals, dass ich den Job als Frau nicht machen könne", sagt sie. Eine, der wenigen Situationen in ihrer Karriere, in der sie mit Sexismus konfrontiert wurde. Die heutige Label-Chefin bewies aber das Gegenteil: Die Wunschstelle erhielt Julie bei Polygram, dem damaligen Label von Philips und Siemens, und wurde später zur Productmanagerin befördert. 1999 erhielt sie die Anfrage von Sony Music als Marketing-Leiterin, zehn Jahre später übernahm sie die Geschäftsleitung. "Als ich 20 Jahre alt war, wollte ich einfach aus meinem Hobby – ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie – meinen Beruf machen, was mir auch gelungen ist", erklärt sie ihre Entscheidung, in die Musikbranche einzusteigen, ohne dass ich sie danach fragen musste. "Heute trage ich die Verantwortung für alle Bereiche – seis Marketing, Promo, Verkauf oder Business Development. Ich bin aber jemand, der am liebsten mittendrin ist und nicht der Schreibtisch-Tiger. Ich setze mich gerne mit den Leuten zusammen und bringe mich ein. Manchmal sage ich, ich sei das Mädchen für alles."

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Ich hatte vor unserem Interview noch nicht die Freude, Julie Born kennenzulernen – wenn ich mit Sony in Kontakt war, dann immer nur mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie trifft aber sehr wohl meine Vorstellung einer Major-Geschäftsführerin: Sie spricht sehr bedacht und diplomatisch und von der ersten Minute an fällt mir ihr Know-How auf – mehr als Marketing- als als A&R-Frau (anm. d. Red. Artists and Repertoire, kurz A&R, ist die Abteilung in einem Label, die Künstler signt und aufbaut), wie sie selbst sagt. Julie Born weiss, wovon sie spricht. Gleichzeitig taut sie aber auch unglaublich schnell auf und beantwortet meine Frage nach ihren Lieblingskünstlern gleich mit einer guten Pointe: "Das wäre so, als würdest du eine Mutter fragen, welches ihr Lieblingskind ist. Eine Mutter kann so eine Frage doch nicht beantworten, sie hat ja alle gern. Ich mag all unsere Künstler. I embrace them a lot." Ihre Artists würden aber wahrscheinlich verneinen, dass Julie etwas mütterliches mitbringe. "Ich gehe mit Künstlern sehr fordernd und fördernd um", sagt sie. Manchmal sei sie streng, ein anderes mal unterstützt sie Künstler voll und ganz in ihrem Vorhaben.

Dabei macht Julie Born ihren Job überaus erfolgreich. Nicht nur erholt sich gerade der Musikmarkt von der grossen Internetkrise – vor der die Label-Chefin indes nie Angst hatte – Sony Music konnte seit Julie das Ruder übernommen hat, seinen Marktanteil drastisch steigern. "Ich bin extrem stolz darauf, dass wir als Team in den sieben Jahren unser Künstler-Repertoire so stark aufgebaut haben und damit unseren Marktanteil von unter 20 auf die 30 Prozent steigern konnten." Ein breites Spektrum an Künstlern sei sowieso ein essentielles Ziel für sie: "Wir wollen eine grosse Diversität: Von den Genres und vom Alter her. Ich finde, jeder Mensch hat einen eigenen Musikgeschmack und wir versuchen diese abzudecken." Was zudem viele überrasche, ist, dass Sony auch klassische Musik signe. "Und zwar nicht zu wenig."

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Das Kerngeschäft von Sony liegt aber natürlich im Pop-Bereich – der heute nicht nur aus klassischer Popmusik besteht. Mit Trauffer zum Beispiel räumten sie dieses Jahr an den Swiss Music Awards zwei Betonklötze ab. "Ich glaube Schlager ist – nicht zuletzt auch dank Andrea Berg und Helene Fischer – salonfähig geworden. Etwa so wie Hardrock, der ja auch immer verpönt war." Sie geht aber auch davon aus, dass es im kommenden Jahr wieder ganz anders aussehe. "Fakt ist aber: Die jungen Newcomer brauchen heute länger, bis sie zu Albumverkäufen kommen. Sie müssen sich erst mal etablieren und sich ein Publikum erarbeiten. Gesetzte Bands wie Patent Ochsner oder Züri West sind nach wie vor sehr gut verkaufende Albumkünstler." Lo & Leduc wäre die einzige Ausnahme, die gleich mit ihrem Debüt auf Platz eins der Albumcharts durchstarteten.

Einen Künstler zu etablieren, sieht sie aber nicht als grosse Herausforderung an. "Das ist unser Kerngeschäft. Natürlich gibt es aber Hürden: Die Medien, die über einen Künstler anfangs nicht berichten wollen, zum Beispiel." Was sie nach wie vor aber als besonders schwierig empfindet: einen Schweizer Künstler im Ausland zu lancieren. "Wir hatten das Glück, dass unsere deutschen Kollegen Pegasus gut fanden. Das ist aber eine Ausnahme und eine grosse Chance für die Band." Den Grund sieht sie darin, dass so wenige Schweizer Künstler den internationalen Durchbruch geschafft haben und die letzten Erfolge jetzt schon länger zurückliegen.

"Ich versuche international dafür immer, den Schweizer Markt zu verkaufen – the Beauty of Switzerland darzustellen. Wir sind ein kulturell extrem hochstehendes Land. Ausserdem reagiert das Publikum sehr schnell auf Newcomer." Kodaline etwa hätte nur in England, Holland und bei uns den Durchbruch geschafft. "Die Kollegen in UK mögen uns deswegen extrem und fragen uns immer an, um neue Acts bei uns im Markt auszuprobieren", erzählt sie.

Zum Schluss kommen wir nochmals aufs Thema Frauen im Musikbusiness zu sprechen. Mir ist bei meinem letzten Besuch im Office von Sony aufgefallen, dass der Frauenanteil hier recht gross ist. Julie meint, das sei aber nicht ihr Werk. "Die meisten Mitarbeiter hab gar nicht ich eingestellt", sagt sie. Für sie spiele es auch nicht wirklich eine Rolle, ob eine Frau oder ein Mann einen Job mache, solange sie oder er ihn gut macht. So spiele das Thema bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter und den Acts keine Rolle. "Nur als wir mal ein Pult in den Keller tragen mussten, hiess es als Scherz: Wir brauchen mehr Männer!"


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