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Rudis Brille

Spring, Baby—nicht alles eitel Wonne im Mai?

Ein kleiner Rückblick auf das Springfestival in Graz.

Foto: Stefan Leitner

Letztes Wochenende ging neben dem Lighthouse Festival auch das Springfestival in Graz über die Bühne—oder besser gesagt über mehrere Bühnen. Bereits am Mittwoch eröffnete ja ein Reigen hochkarätigster Technoacts das Spring 16 in der Helmut List Halle: Ben Klock, Recondite und Oscar Mulero beravten die (nicht bei allen heiß geliebte) Konzertlocation. Am Ende fanden sich interessanter Weise mehr Leute am Second Floor bei den heimischen Acts wieder und ließen Oscar Mulero am Mainfloor ein bisschen einsam wirken—das könnte ein wenig als Sinnbild auf das Geschehen heuer an der Mur gesehen werden: Graz scheint die "Wienkrankheit" übernommen zu haben: das Luxusproblem.

Das schien ein wenig das Haupthemmnis dieses Jahr gewesen zu sein: Großartiges LineUp, viele Floors und Locations, aber nicht immer volle Venues. Man hatte fast den Eindruck, als würden sich viele nur mehr die Rosinen herauspicken, wie etwa den angesprochenenen Eröffnungsabend oder auch die Freitagnacht mit Ellen Allien, Kenny Larkin und Austrian Apparel im Dom im Berg.

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Andere Abende hingegen liefen—trotz toller internationaler Besetzung—nicht ganz so nach Wunsch. Vor allem die Abende in der Postgarage (Dyed Soundorom, Sneak, Raresh), was eigentlich extrem verwundert, denn ein DJ Sneak erlebt gerade seinen großen zweiten Schaffensfrühling und auch Raresh und Praslea haben weltweit ihre Tausendschaften an Fans.

Die Konstellation, dass am selben Wochenende das Lighthouse und auch das immer stärker werdende Donaukanaltreiben stattfanden, hat dem Besucherzustrom zum Spring 16 aus anderen Regionen sicher nicht genutzt, das war früher noch anders, als etwa vor einigen Jahren halb Wien einmal im Jahr nach Graz pilgerte. Mittlerweile verfügt die zweitgrößte Stadt Österreichs über eine recht akzeptable Club-Infrastruktur (Dom im Berg, Postgarage, PPC, Parkhouse) aber auch über eine immer größer werdende Anzahl an Partys, Veranstaltern und Genreblinden, denen ein Blick über den eigenen Tellerrand schwer fällt. Nicht anders wäre es sonst zu erklären, warum bei einem derartig vielfältigen und interessanten LineUp nicht alle Locations aus sämtlichen Nähten platzten.

Eine ungenannt bleiben wollende Insiderstimme flüsterte mir zu, ein Grund für den teilweise durchwachsenen Besuch könnte auch der desaströse Bauchfleck des Festivals 2014 gewesen sein, als das bereits konkursreife alte Festivalgerippe viele Early-Bird-Tickets verkauft hatte und das Publikum dafür praktisch nichts geboten bekam—ein schweres Erbe für die, die es nun abzuarbeiten hatten.

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2015 erfolgte der Neustart—mit neuem Team—jedenfalls durchaus ansehnlich und als die Postgarage 2016 als Location auch noch dazukam, wäre eigentlich alles perfekt gewesen, doch offenbar muss man die Herzen der Festivalbesucher erst sehr langsam zurückgewinnen. Das sollte jedenfalls auch 2017 gelingen, wenn dann das Spring 17 wieder im Juni stattfindet (14.6-18.6) und damit nicht wieder unnötig mit dem Lighthouse kollidiert, das sicher auch viele Steirer anzog, denn weit ist es ja nicht an die Adria.

Um verwöhnte und übersättigte Wiener hinzubekommen, muss man nicht das Booking ändern. Der Zeitgeist wäre ja mit vielen härteren Technoacts gut getroffen gewesen. Die Grazer selbst sind es wohl auch im Moment, die einerseits unzufrieden darüber sind, dass zu wenig passiert und am Ende dann doch fernblieben. Ein Act wie James Holden feat Camillo Tirado im Dom im Berg war vielleicht ein Spur zu spät angesetzt und hätte als Earlyshow vielleicht besser funktionieren können, vor allem, weil es bei dem Act um Akustik und Soundmodulation ging, aber das mag nur ein wenig Klugscheißerei von außen sein.

Der Samstag wirkte leider ohnehin ein wenig so, als wäre dem Publikum bei der ersten Frühsommerhitze die Luft ausgegangen, erst am Sonntag ins Parkhouse kamen sie dann wieder zahlreicher und sorgten für ein kräftiges Lebenszeichen. Einer der Hauptbooker und Abwickler Thomas Mussbacher meinte jedenfalls auf meine Anfrage hin folgendes: "Du hast Recht. Ein paar der neun Floors waren nicht voll gefüllt. Auf sechs bis sieben Floors pro Tag zu reduzieren, ist sicherlich eine Überlegung wert, um es kompakter zu halten. Wir sollten auch überlegen, das so gut besuchte Tagesprogramm noch weiter auszubauen und vielleicht eine dritte Outdoorlocation zu bespielen. Bei diesem schönen Wetter sind es genau diese Spots, die die Besucher gern besuchen. Alles in allem waren es wieder fantastische fünf Tage. Meine Highlights: Die geniale Bühne in der Helmut-List-Halle, eine megasympathische Ellen Allien, die vielen glücklichen Menschen auf der Afterhour und ein unglaublich entfesseltes Publikum auf der Closingparty, die die Polizei leider eine Stunde früher beendet hat."

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Auch kamen durch die Aufstockung der Locations 2016 um einiges mehr Besucher als noch 2015, wenn auch vielleicht nicht ganz so viele wie erwünscht.

Mein Fazit: Bitte Spring, bleibe uns noch lange so erhalten. Mach genau da weiter, wo du jetzt warst, verfranse dich nicht zu sehr im Genrespinnenetz und verzichte auf die ganz großen Mainstreamnamen (obwohl der Hype um Ostgut ja auch schon an das grenzt, was manche sicher Kommerz nennen würden). Jeder, wirklich jeder, hat jedenfalls Organisation und Stimmung, auch bei den schwächer besuchten Partys, gelobt—das sollte Auftrieb geben. Vielleicht kannst du dich ein wenig kompakter machen (so war etwa der PPC Second Floor am Samstag mit Dense und Pika ein wenig auf verlorenem Posten, detto der Berg der Erinnerungen im Dom). Nach dem Motto: Weniger ist mehr.

Und dann: Auf ein Neues im Juni 2017!

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