Sind Clubs der richtige Ort, um deinen Fetisch auszuleben?

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Sind Clubs der richtige Ort, um deinen Fetisch auszuleben?

Zu Besuch bei der queeren Veranstaltungsreihe Kink in Pink, die Aufklärung über BDSM, PonyPlay & mehr Ausprobieren und Feiern verbindet.

"Ich packe meinen Fetischkoffer", heißt die erste Veranstaltung, die ich auf dem Flyer entdecke. Bei den Popppiraten gibt es eine Gleitgelberatung, Gay Pride-Kondome und Lecktücher. Dazwischen kann man Toys aus alten Fahrradteilen in der Kinky Gummiwerkstatt basteln, an Selbsterfahrungsworkshops wie Paarbondage teilnehmen und einmal alles an Spielzeug – von Peitschen und Flogging zu Spanking mit einem Paddel – ausprobieren. Wenn man denn möchte. Das Setting ist ein fast leerer Club. Hier gibt es nur die Teilnehmer, ein bisschen Goth-Kunst, jede Menge Spielzeug sowie ein paar Seile und diverse Yogamatten. Man roch noch die vorige Nacht, in der die Rapperin Princess Nokia hier ihren Auftritt hatte. Danach hießen die Acts EmyFem oder Drag Lady Lulu. Es ist wieder mal Kink in Pink (KiP) im Leipziger Institut für Zukunft, dem IfZ.

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Initiiert wurde KiP durch die RosaLinde e.V., dem BDSM-Kunstprojekt Cabinet Bizarre und der Unterstützung des Clubs, in dem wir uns jetzt befinden. Hinter der RosaLinde und Cabinet Bizarre verbergen sich Gruppen, die sich für einen positiven Zugang zur Sexualität einsetzen. Vieles hier dreht sich um Awareness – Rücksicht und Bewusstsein gegenüber bzw. für andere(n). Wie auch im normalen Clubbetrieb sonst läuft deshalb ein Awareness-Team (heute in gelben Westen) rum, schaut, ob alles passt. Und nach neun Stunden Workshop-Programm wird es später noch eine Abschlussparty – mit Dresscode auf dem dritten, dem Kinkfloor, geben.

Doch wie passen Fetisch und Clubkultur zusammen? Sind Räume wie dieser der ideale Ort, um sich um BDSM und andere Formen zu informieren? Ist die Tanzfläche einer Clubnacht der ideale Ort, um miteinander zu spielen und zu vögeln? Wir haben uns auf der diesjährigen Kink in Pink umgesehen und mit ein paar Leuten – Gästen wie Beteiligten – unterhalten.

Markus, 20, Student

Wie bist du zu Kink in Pink gekommen?
Eine Freundin hat mich mitgenommen, ohne sie hätte ich davon nichts erfahren, außer ich hätte geschaut, was heute im IfZ läuft.

Du warst also zufällig da; hat es dir trotzdem gefallen?
Als Gesamterlebnis war es echt cool und beeindruckend. Ich war überrascht, wie offen locker und trotzdem ernsthaft und spielerisch man sich mit Sexualität auseinandersetzen kann. Das kannte ich als heterosexueller Mann nicht. Ich habe auch gelernt, dass es ok ist, offen zu sein. Warum sollte man sich für etwas schämen.

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Was hast du bei Kink in Pink gemacht?
Wir waren beim japanischen Paarbondage, bei einem Workshop zu "queeren Körpern" und wir haben ganz kurz ins Tierische, zu PonyPlay geschaut.

Kannst du die Szene jetzt besser verstehen?
Das tierische Rollenspielen war mir befremdlich, aber ich fand es nie abstoßend, Fetische zu haben. Ich würde mich gerne wieder in solchen Runden über Sexualität austauschen. Ich habe meinen Umgang mit Menschen neu reflektiert, denn es ging viel darum, sich mit Fremden auf etwas Fremdes einzulassen.

Hast du sonst eine Schnittmenge mit BDSM oder der kinky Szene?
Mein einziger Berührungspunkt mit BDSM sind maximal Pornos. Man sieht, dass es vieles gibt, aber es ist was anderes, eine Filmszene vorgesetzt zu bekommen oder sich wirklich damit zu beschäftigen.

Und fandest du das Clubsetting gut, um sich auf das Thema BDSM einzulassen?
Es kommt nicht darauf an, welche Funktion der Raum hat, aber es hilft, wenn man die Räumlichkeiten kennt. Mir hat es geholfen, da es mit dem IfZ ein Ort ist, den ich kenne und mag.

Sind Clubs für dich sexuelle Orte?
Im Club begegnet man vielleicht mal öffentlichem Sex. Manche gehen mit solchen Intentionen in Clubs und es entstehen beim Feiern schon eher sexuelle Spannungen, doch das liegt hauptsächlich daran, dass man beim Weggehen nicht nüchtern ist. Für mich ist es egal, ob ich auf der Straße oder im Club eine schöne Frau sehe.

Yasmin

Was hast du bei KiP erlebt?
Ich war auf dem Workshop von EmyFem, "Reise zu Geschlecht, Körper und Sexualität".

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Wie war deine "Reise"?
Top, voll gut. Die Übungen, die sie gemacht hat, haben für mich voll funktioniert.

Was waren das für Übungen?
Man ist eingestiegen mit einer Atemübung zur Selbsterfahrung des Körpers, und dass man sich erstmal auf sich konzentriert. Wo findet was statt und wie fühlen sich welche Körperteile an. Dann hat man eine kleine Körperreise gemacht.

Und wie hat dir ein Club als Workshop-Ort gefallen?
Das IfZ ist ja sehr industriell. Doch von beiden Workshops, die ich besucht habe, kann ich sagen, dass die Stimmung durch die Leitung so aufgelockert worden ist, dass dadurch ein Raum geschaffen worden, den ich das als geschützten Raum empfunden habe.

Für das IfZ, aber auch die Organisatoren von KiP ist Awareness besonders wichtig. Welche Rolle spielt Awareness für dich?
Zu der Zeit als ich angefangen habe, wegzugehen, gab es noch keine Awareness, weil die Leute von sich aus noch so drauf waren, dass wenn einer in der Ecke rumgehangen hat, jeder Mal hin ist, geschaut und sich gekümmert hat. Das heißt, diese Idee mit Awareness, dass man extra dafür sorgen muss, dass es Leute gibt, die sich um Leute, die gemeinsam Feiern kümmern, ist für mich neu. Aber wenn der Bedarf da ist, das es sonst nicht mehr stattfindet, ist es natürlich super.

Hast du da einen Prozess erlebt, der vielleicht mit dem ebenfalls veränderten Drogenkonsum zusammenhängt?
Ich habe eine Veränderung von den Drogen, die auf Party konsumiert werden, bemerkt. Sachen, die muskelrelaxanartig wirken oder bei denen man keine richtige Körperkoordination mehr hat wie bei Keta oder GBL – so etwas gab es in den Zeiten, als ich viel weggegangen bin, nicht. Das wäre auch uninteressant gewesen. Man wollte sich toll und gut fühlen und lovely mit jedem sein. Da waren andere Sachen angesagt, die eher verbinden, bei denen man eher eine erhöhte Aufmerksamkeit für andere hat; im Gegensatz zu etwas, das mich wegschießt, das mich von der Masse, meinem eigenen Körper, meinen Gefühlen oder meiner Koordination trennt. Ich könnte mir vorstellen, dass das damit zusammenhängt.

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Felix, 25, Student

Wie hast du von Kink in Pink erfahren?
Ich bin oft im IfZ und bekomme mit, was dort passiert. Du kannst hier du selbst sein, solange du rücksichtsvoll mit anderen Menschen umgehst. Es gibt hier auch noch eine Fetischpartyreihe, die Vertigo, die letztes Jahr zusammen mit Kink in Pink war. Dieses Jahr ist es an einem Tag mit der Queerparty, der Lumière Bleu.

Wie hat es dir gefallen?
Mir gefiel der Ansatz, es queerer zu machen als im letzten Jahr. Ich wurde zum Beispiel gefragt, mit welchen Geschlechtspronomen ich angesprochen werden möchte.

Was reizt dich an den Themen Fetisch und BDSM?
Ich wollte mich damit mehr beschäftigen, und auch Leute kennenlernen. Und habe dabei auch einiges über mich gelernt. Ich muss gar nicht so schüchtern sein. Dadurch, dass andere dabei sind und man bekleidet bleibt, fühlt man sich beim Bondage sicher – selbst wenn man von Fremden gefesselt wird. Mir gefiel, dass es eine lockere Atmosphäre war. Es war zwar eher für Neugierige, doch die Runde am Ende zum Thema "Trust and Aftercare" war auf einem anderen Level.

Woran hast du das gemerkt?
Viele wussten mit Begriffen, wie Suspension (Hängebondage) oder Hook (Haken unter der Haut) nicht, was sie damit anfangen sollten. Ich hatte zum Beispiel bei der Vertigo Bondage-Performances gesehen und wusste deshalb Bescheid. Interessant fand ich immer, wie unterschiedliche Emotionen diese bei Leuten ausgelöst haben: von schockiert bis fasziniert. Das hat der Party immer eine ganz besondere Stimmung verliehen und macht für mich den Reiz von solchen Veranstaltungen aus.

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In Leipzig muss man da noch extra Hinweise über den Dresscode geben. Mir wäre es aber lieber, wenn es besser aus der Szene besucht wäre. Ich habe das Gefühl, es kommen mehr Touristen in die Leipziger Clubs, weil sie gehört haben, dass Leipzig cool ist. Damit sind die Partys im IfZ nicht mehr ganz so wild und exzessiv wie am Anfang.

Welche Verbindung haben für dich Sexualität und Club?
Es gehört schon irgendwie zusammen. Das IfZ ist ein Ort, an dem ich mich sicher und anonym fühle. Doch es kommt auf die Stimmung und die Leute an. Ich gehe oft aus und beim Feiern lerne ich viele Leute kennen, dafür sind die Beziehungen oft oberflächlicher.

EmyFem, Trans*-Sexarbeiterin und Aktivistin

Wie bist du zu KiP gekommen?
Ich wurde gefragt, ob ich einen Workshop zur queerer Körperwahrnehmung geben möchte.

Hast du sonst mit Clubs oder dem IfZ was zu tun?
Ich sehe mich als Teil der lesbischen BDSM-Szene und bin da auch unterwegs. Ich bin aus Berlin und kenne das gar nicht so richtig hier in Leipzig.

Inwiefern sind Clubs für dich ein geschützter Raum?
Das ist schon nett hier. Es ist eine andere Art und Weise zu spielen, wenn das im öffentlichen Raum stattfindet. Ich mag es, im Club Sex zu haben oder sich anzufassen. Ich kenne es aber auch aus der lesbischen und aus der Queerszene, wo an dem Punkt viel Awareness vorhanden ist; dass Spielen wird nicht unterbrochen, Leute beteiligen sich nicht ungefragt oder fassen Spielzeug oder Personen an.

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KiP versucht ja Workshops mit Clubnacht zu verbinden …
Die Kombination von Club und BDSM ist auch in Berlin nicht so geläufig. Es wird schon versucht, Clubs zu haben, bei denen gespielt wird, doch es klappt nicht so richtig. Die Partys gibt es, aber das sind dann die Leute, die sich eh schon kennen. Außerdem es ist nicht das intensive Spiel wie auf Play- oder Sexpartys. Das hätte ich gerne.

Was macht denn das Spielen im Club aus?
Es ist schon gut, auf einem hohen Standard auf einer BDSM-Party zu spielen, aber ich finde die Kombination von Musik, die anspricht, und Spielen sehr schön, mich törnt das an. Ich hätte gern eine flirty Atmosphäre, wo die Möglichkeit besteht im safen Rahmen – unter Achtung von ja und nein – auch in Kontakt mit Leuten zukommen und dann vielleicht auch in den Darkoom, im Spielraum oder vielleicht sogar auf der Tanzfläche weiterzumachen.

Ist da die lesbische Szene weiter?
Es gibt hunderttausend Partys und in Berlin triffst du mehr oder weniger Queers und mehr oder weniger schwul-lesbisches Publikum. Es gibt Partys, die offen sind, aber wirklich Lesbenpartys – das findet in der Form nicht mehr intensiv statt, was sehr schade ist.

Katharina, 27

Was liegt da auf deinem Schoss?
Das ist ein Flogger – in diesem Fall aus Fahrradschläuchen gebastelt und mein Erster.

Was ist der Unterschied zur Peitsche?
Eine Peitsche ist für gewöhnlich ein einzelnes geflochtenes, längliches Lederteil, das biegsam ist. Ein Flogger wiederum hat einen festen Griff und viele einzelne Lederstreifen. Man kann es ähnlich benutzen, doch das Gefühl ist anders.

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Bist du nur neugierig gewesen oder hattest du schon vor KiP Berührungspunkte zu BDSM?
Ich habe das letztes Jahr auch schon ehrenamtlich mitgemacht und dafür als Gast die Workshops mit besucht.

Hast du etwas Neues gelernt?
Absolut. Ich habe den PetPlay beziehungsweise PonyPlay-Workshop besucht, wovon ich noch fast keine Ahnung hatte – bis auf das, was man von PonyPlay kennt: den Analplug mit Schweif.

Und jetzt bist du Pony-Fan?
Ich glaube nicht. Wenn das mein Fetisch wäre, hätte ich das schon eher bemerkt. Aber es war spannend zu sehen, dass es viel umfangreicher ist, als man denkt. Es geht primär gar nicht um Sex, sondern mehr um das Rollenspiel. Es passiert mehr im Kopf als an den Genitalien.

Ich hatte ein bisschen was von den Kostümen, die Sattel, Reitstiefel, Gerten, gesehen. Es sah aufwendig aus.
Absolut. Und es ist ein richtiges Hobby, das nicht nur im Schlafzimmer stattfindet. Das war mir neu.

Wo lebst du selbst deinen Kink aus?
Eher Zuhause. Ich weiß schon ziemlich lange, dass mir das gefällt und habe es mit verschiedenen Menschen ausprobiert und auch die eine oder andere Party besucht. Aus dem Gothic-Kreis kommend kam ich zu Swingerpartys und als ich erfahren habe, dass KiP dieses Jahr geöffnet werden soll beziehungsweise sich mehr an ein queeres Publikum richtet, war ich begeistert.

Cellie, 32, arbeitet bei der RosaLinde Leipzig e.V.

Das ist schon das zweite Mal, dass du Pink in Kink mit veranstaltest. Wie kam es dazu?
Geboren wurde die Idee in der RosaLinde als wir beim Pfingstcamp der linksjugend Sachsen waren. Wir wollten einen Workshop machen, aber diesmal nichts Politisches, und sind auf einen BDSM-Einsteiger-Workshop gekommen. Wir hatten so viel Zulauf, dass wir uns überlegt haben, das mit einem Event zu verknüpfen, denn es gibt in Leipzig nur selten BDSM-Veranstaltungen und erst recht keine im Workshoprahmen.

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Und was steht hinter KiP?
Kink in Pink schließt mit dem Namen ein, dass es ein Queer-Awareness-Konzept dahinter gibt, der einen Schutzraum für nicht-heterosexuelle Menschen schafft. Das funktionierte im ersten Jahr auf der Vertigo-Party nicht so gut, obwohl es eine schöne Party war.

Inwieweit kann denn ein Club wie das IfZ ein geschützter Raum für dich sein?
Tatsächlich ist dieser Club ein Schutzraum für mich. Andere Clubs haben ein anderes Publikum. Im IfZ ist es eher links, ein bisschen sensibel und es sind Leute, die auch schon über den einen oder anderen gesellschaftlichen Prozess nachgedacht haben. Deshalb kann ich genau das auch hier machen, weil ich weiß, dass hier andere sind, die das mit mir zusammen machen, das macht den Schutzraum aus.

Warum ist das wichtig?
Es gibt nicht viele Clubs für die Queerszene. Sex ist immer politisch und deswegen ist es eine schöne Art, nachts im Club politisch zu sein.

Wie meinst du das genau, "Sex ist politisch"?
Es gibt Menschen, die Anstoß am Austausch von Zärtlichkeiten auf der Straße finden, und allein schon, zu irritieren, gängige Muster im Kopf durcheinanderzubringen, ist politisch. Und genau so ist es politisch, im Club zu vögeln, weil es nicht die Norm ist.

Zu deinen persönlichen Vorlieben gehört Spanking. Ist das etwas, dass du lieber im Privaten machst?
Bisher habe ich das nur Zuhause gemacht, weil sich nie die Option ergeben hat, es woanders auszuleben. Aber ich werde es heute Abend hier machen. Weil wir auch einen Floor haben werden, der explizit sex friendly ist. Auf dem die Leute eingeladen sind, zu spielen. Ich habe vorhin so viele spannende Dinge kennengelernt, das wäre schade, es nicht anzuwenden. Und nach dem Tag habe ich einfach Lust zu feiern.

Wie ist denn die Szene in Leipzig?
Die BDSM-Szene in Leipzig ist klein, von der Größe sind wir flächentechnisch auch nur ein Viertel von Berlin. Queerpartys bzw. das Queerkonzept – das ist in Leipzig tatsächlich noch etwas Besonderes. Es gibt schon eine relativ große schwul-lesbische-Community, aber Lumière Blue oder Kink in Pink – sind trotzdem nicht für jeden was, da manche mit dem Konzept nicht umgehen können.

Ich habe im Gegensatz dazu aber das Gefühl, fast jede große Party in Berlin ist queer.
Das ist insofern schade, wenn man sagt, man macht eine queere Party, und es gehen alle hin, dass dann das Queere dadurch verloren geht.

Es kommt auch auf die Auslegung beziehungsweise das Ausleben von queeran.
Und wie es kommuniziert wird. Wenn man queer nur noch als Marke nimmt, ist es doof. Wenn wirklich eine Idee dahinter wirklich steckt, finde ich es gut.

Um zum Awareness-Konzept zurückzukommen: Wie wichtig ist das für dich?
Für mich persönlich sehr. Ähnlich wie die Queerbewegung hat das seine Ursprünge im Feminismus. Ich versuche, das zu leben, auch wenn es relativ schwer ist, weil man auf vieles achten muss. Man kann schnell in eine Minderheitenfalle treten oder Zuschreibungen treffen.

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