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Ein Interview mit einer jungen Schwangeren über die Alkoholgesellschaft in Österreich

Da sich hier in Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Experten regelmäßig besaufen, befragen wir zum Thema jemanden, der länger nüchtern ist.

Bestätigung ist eine tolle Sache. Ur super. Bestätigung hebt das Selbstbewusstsein, gibt einem Sicherheit und gibt einem das Gefühl, nicht alleine zu sein. Und jetzt ist sie wieder da, die Bestätigung. Sie kommt eigentlich immer, wenn eine Studie das Saufen in unserer Heimat beleuchtet – Österreich säuft von allen Ländern am ärgsten. Eine US-Studie hat herausgefunden, dass wir in einem Getränk durchschnittlich 20g Alkohol haben. Empfohlen wären 8g, der Durchschnitt wären laut WHO 10g pro Getränk. Wundervoll, nicht?

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Unsere liebliche Heimat führt nämlich auch beim Alkoholkonsum. Unsere Drinks sind härter als sonst wo und wir saufen auch noch öfter als die meisten. Zusammen mit dem niedrigen legalen Erwerbsalter – in Teilen Österreichs kann man mit 16 Jahren alkoholische Saftln legal erwerben –kann man Österreich wohl als ein Land der Sauferei betrachten. Hier wird gesoffen und zwar am laufenden Band. Das fällt uns nur nicht auf, weil wir auf diesem Band mitlaufen und es für uns zum Alltag gehört. Kamila ist eine junge Frau, die jetzt im sechsten Monat schwanger ist. Ihr fällt es auf – immerhin ist sie seit sechs Monaten nicht mehr auf diesem Band. Daher unterhielt ich mich mit ihr über die Studie, Österreich und ihre Umstellung.

Noisey: Was sagst du zur Studie?
Kamila: Ja, habe ich gelesen. Vor den Engländern – ich war schockiert!

Ja vor allen anderen. Crazy. Jedenfalls: Fangen wir mit dem Hardfacts an – wusstest du von Anfang an, dass du schwanger bist?
Ja. Ich habe die Pille abgesetzt und dann wurde ich auch direkt schwanger. Also ich habe es nicht so schnell erwartet. Dadurch, dass es ein Wunschkind ist, habe ich extra einen Schwangerschaftstest gemacht, bevor ich mir Medikamente aus der Apotheke geholt habe. Und BOOM. Da war ich schon schwanger.

Also du hast nicht getrunken während deiner Schwangerschaft?
Genau. Eine Woche vor dem Test habe ich ein bisschen was getrunken – nicht viel. Trotzdem habe ich mir Sorgen gemacht, ob und wie es sich auf das Baby auswirkt. Es sagen alle, es ist nicht schlimm und ist es auch nicht, aber man macht sich trotzdem Gedanken. Die ersten drei Monate wollte ich auch gar nicht trinken. Es passiert so viel mit deinem Körper, da hat man auch keine Lust drauf. Aber ab dem vierten Monat war ich aber wie immer – und ab da fängt man an, Sachen zu vermissen. Man tickt ja eh wie man selbst. Dann hat man eben die Verbote. Das ist schon hart.

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Wieso ist das hart?
Naja. Die lapidare Frage "Gehen wir was trinken?" macht absolut keinen Sinn mehr. Ich gehe entweder etwas essen oder ich trinke Apfelsaft. Und es ist natürlich nicht schlimm, aber das Gespräch verändert sich einfach mit der Zeit, wenn die Freundin den weißen Spritzer trinkt und ich den Apfelsaft. Der Apfelsaft oder das Essen passt dann meistens nicht zur Stimmung.

Ist es ihnen unangenehmer oder dir? Also die Situation?
Ich war seit der Schwangerschaft nicht wirklich fort, bin mir aber ziemlich sicher, dass es mich beim Fortgehen stören würde, nüchtern zu sein. Oder bei einem Vorglühen – da würde ich das alles stärker empfinden. Wenn man sich so mit Freunden trifft, dann geht es ja nicht ums Wegschießen.

Du hast gemeint, du vermisst das Fortgehen. Warum gehst du trotzdem nicht aus?
Weil man sich plötzlich Sorgen darum macht, dass man angerempelt wird, zum Beispiel. Der Rauch nervt. Und außerdem sind hier die Clubs scheiße. Wer geht hier schon gerne nüchtern fort – so gut sind unsere Lokale nicht. Leider. Im Ausland brauch ich nie so viel Alkohol wie bei uns.

Gibt es Situationen, in denen du dir so richtig denkst: "Wow. Jetzt wird getrunken?"
Beim Brunch. Ein Prosseco nach dem anderen. Oder beim Afterwork. Vor allem beim Afterwork. Das ist Nummer eins. Wenn man sich mit einer Freundin trifft und man merkt richtig, wie sie angespannt dem Kellner nachsieht, wann er endlich den erlösenden Spritzer bringt. Die erste Frage, die man sich stellt ist: "War ich auch so?" Nach der Arbeit was trinken gehen hat hier immer mit Alkohol zu tun. Kaffee trinkt man ja abends nicht.

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Aber sonst kommst du mit deinen Freunden aus?
Ja, natürlich. Das ist alles völlig wurscht. Man muss jetzt ein bisschen Rücksicht auf mich nehmen, wegen den verrauchten Räumen. Aber sonst… Obwohl ich keinen Alkohol mehr trinke, kaufe ich für Zuhause welchen ein. Damit, wenn Besuch kommt, etwas da ist. Also ich kaufe es für sie ein, nicht für mich. Es ist so normal. Die Menschen fragen ja auch nach einem Bier, oder einem Wein. Aber manchmal denke ich mir schon: "Warum kauf ich das jetzt eigentlich? Geht‘s echt nicht ohne?" Und sonst – ich meine das war schon immer so, auch der allerbeste Freund geht dir auf die Nerven, wenn du nüchtern bist und er dich von der Seite anlallt. Also dieses Lallen nervt immer. Egal ob schwanger oder nicht.

Warum glaubst du ist Österreich so ein Bsuff-Land?
Weil Alkohol ein extremer Stimmungsheber und auch ein extremer Runterkommer ist. Beides irgendwie.

Aber das ist ja überall so. Hier sind die Leute doch mehr am Saufen.
Ich bin hier in Wien aufgewachsen, habe zwischenzeitlich ein paar Jahre im Ausland gewohnt und dann als ich nach Wien zurückkam ist mir aufgefallen: Wien wächst extrem langsam. Irgendwann kennt man alle, war schon überall. Also ganz ehrlich – Ich glaube es ist die Langeweile. Ich verstehe schon – Ausland und Heimat lässt sich schwer vergleichen. Ich will jetzt auch nicht die sein, die sagt "Uh, ich hab in der USA gelebt und da war alles besser". Aber Clubbing war dort besser. Bei uns kommst du nüchtern in ein Lokal rein und das Erste, was man sich oft denkt, ist: "Damn, ich brauch einen Drink."

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Es ist oft der einzige Spaß, den man dann hat.
Genau. Und dann hat man noch diesen Leistungsdruck im Spaß haben. Du kommst rein, es ist alles scheiße, weil das Lokal nun mal scheiße ist und was macht man dann? Man trinkt. Nach der Arbeit ist es eben ein Runterkommen und beim Fortgehen damit es überhaupt Spaß macht.

Und es ist so lustig – ich vermisse das Fortgehen, einfach das Tanzen. Wenn ich meine Freunde frage, wie ihre Nacht so war, dann sagen sie mir immer: "Scheiße." Und ich glaube ohne Trinken würden sie es noch schlechter finden. Was nicht heißt, dass es immer scheiße ist, wenn man ausgeht. Man hat auch richtig coole Abende.

Also back in the Fortgeh-Game, wenn das Baby da ist?
Ja, nach der Karenz. Da werde ich bestimmt wieder fortgehen wie ein Teenie. Es wird aber weniger werden und ich werde mir genau überlegen, mit wem ich fortgehe und wohin ich fortgehe. Und ich werde den ur Spaß haben. Um 01:00 Uhr werde ich daheim sein. Und wenn ich mich zurückerinnere, war eh genau das die beste Zeit meines Fortgehens, als man um 01:00 Uhr daheim war. Damals hat man auch keine 30 Bier gebraucht und auch keine 30 Location-Wechsel. Das Fortgehen hat man als Teenie bewusster genossen und ich glaube, das habe ich dann wieder. Dieses Bewusstsein. Darauf freue ich mich.

Aber mit Alkohol bist du durch?
Nein, oh Gott. Ich habe nie viel getrunken, also ich habe kein Problem mit Alkohol. Aber er schmeckt ja auch. Er schmeckt irrsinnig gut. Es gibt wirklich nicht so viele coole oder gutschmeckende antialkoholische Alternativen.

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In Italien habe ich es so mitbekommen, dass man sich vor dem Fortgehen zum Essen trifft. Da isst man zusammen – egal welches Alter. Dabei wird natürlich auch Wein getrunken und man schafft sich zusammen eine Unterlage. Hier ist es Vorglühen, Fortgehen. Man säuft sich hier eigentlich permanent nieder. Es ist halt unsere Kultur.

Was glaubst du würde passieren, wenn Österreich seinen Alkoholkonsum um 50 Prozent zurückschraubt?
Ich glaube, wir würden alle mehr Sport treiben und wären produktiver. Saufen hat ja Nachwirkungen. Da macht man am nächsten Tag nichts mehr und ist meistens am Folgetag des Folgetags noch kaputt. Wir hätten andere Hobbys.

Ich meine wie fühlt man sich am Tag danach? Meistens scheiße. Und das Einzige, was uns noch weiter fortgehen lässt, sind die coolen Geschichten, die währenddessen passieren. Die passieren, weil wir Sachen sagen oder machen, die wir ohne Alkohol sonst nicht machen. Es ist die Action, die uns antreibt. Aber das muss nicht immer unbedingt gut sein.

Aber das ist ja nicht das Schockierende, sondern der Afterwork-Drink, der Brunch…
Ja das Saufen unter der Woche. Jetzt, wo es warm wird, ist es auch komplett vorbei mit der Maßregelung. Da setzen sich die Leute raus in einen schönen Gastgarten und trinken Aperol Spritz und G’spritze ohne Ende. Aber eh – was sollst du sonst machen? Vor allem, wenn man erledigt nach der Arbeit ist und man nicht unbedingt Lust auf Sport hat, sondern auf Entspannung.

Danke dir!
Ich danke.

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