"Scheiße, warum war ich nie in der Pratersauna?"

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"Scheiße, warum war ich nie in der Pratersauna?"

Diesen Gedanken wird jeder, der nie in der alten Pratersauna war, nach der Doku 'Pratersauna – Der letzte Aufguss' haben.

Alle Fotos von Heikel Ben Bouzid

Vor genau einem Jahr lagen einige von uns mit einer tiefergehenden Post-Party-Depression im Bett. Am Nachtkästchen eine Wolke aus Taschentüchern, in der Glitzertränen und ein bisschen Techno-Sekret ihre letzte Ruhe gefunden haben. Die letzte Ruhe – oder besser, die letzte Stromexplosion, die dann letztendlich eine kleine Ära mit sich nahm – fand auch die Pratersauna, Edition Hennes & Stefan. Ihr erinnert euch, ihr kennt die Geschichte und was nach diesem 31. Jänner, der mehr als 24 Stunden hatte, passiert ist.

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Während sich die Wiener Szene damit aufhielt, über den nicht so geglückten Start der Pratersauna, Edition Martin Ho, zu lamentieren, haben Hennes und Stefan den Befreiungsschlag genossen. Der Stress der letzten Jahre ist einer Erleichterung gewichen, wie sie mir erzählten, als wir uns gemeinsam einen Rohschnitt von Heikel Ben Bouzids Doku Pratersauna – Der letzte Aufguss angesehen haben. Der Abnabelungsprozess dauerte dann doch etwas länger, als es sich die beiden erhofft hatten, aber die Doku soll den Anfang eines letzten Kapitels stellen.

Nachdem wir uns damals diesen letzten Aufguss angesehen haben, hatten wir alle ein bisschen Salzwasser auf den Wimpern. Von Trauer fehlte aber bei den beiden jede Spur: "Der Film hat etwas hochgebracht – ich hatte schon Tränen in den Augen. Aber nicht, weil ich dem nachweine, sondern weil das Ende bewusst wurde." Anders als Hennes und Stefan gibt es in meinem Umfeld viele Menschen, die schon ein bisschen Disco-Sadness verspüren. Es fehle eine Alternative zur Grellen Forelle. Man muss dem Team der Forelle wirklich ein Lob aussprechen – ihre Bookings und ihr Bemühen lassen kurz vergessen, dass Wien seinen Haus- und Hofclub verloren hat.

Stefan hatte ein Gartenbuffet – dessen Standort ich hier lieber nicht verrate, damit er nicht so viel flüchten muss, bevor er es jetzt hergibt –, in dem er es ein bisschen ruhiger angehen konnte und lediglich aufpassen musste, dass sich die Stamm-Senioren die Halbe nicht selbst einschenkten oder jemand zum Aufkehren anfing. "Das ist mir halt ein bisserl unangenehm, wenn die Gäste zum Kehren anfangen", meinte Stefan. Jetzt will Stefan das Buffet hinter sich lassen, ein Buch schreiben und für mehrere Wochen nach Thailand reisen. Hennes war mit HVOB unterwegs, die auch gerade eine neue Single rausgebracht haben. Und natürlich gibt es noch das Lighthouse, das ja eh ein bisschen Pratersauna 1.0 am Meer ist.

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In der Zwischenzeit hat Heikel Ben Bouzid (Hello, Democracy) die Vergangenheit der Pratersauna auf Film gebannt. Der junge, sympathische Filmemacher hat – so viel darf ich an dieser Stelle schon verraten – eine Doku gemacht, die sich von anderen, klassischen Club-Dokumentationen auf eine spannende Art und Weise unterscheidet. Wenn Heikel von seinem Projekt erzählt, sieht man ihm an, wie wichtig ihm dieser Ort war und wie viel ihm daran lag, ein Lebensgefühl zu konservieren – oder eigentlich zu reanimieren. Um mehr über seinen Bezug zur Pratersauna und die Doku zu erfahren, habe ich ihm ein paar Fragen gestellt:

Was ist dein Bezug zur Pratersauna, was ist deine Geschichte mit ihr?
Ich bin damals schon auf den Wurstsalon-Partys gewesen. Irgendwann habe ich von diesem "Pool und Wir" mitbekommen. Damals ist man durch dieses Gartentürchen gegangen, direkt zum Pool. Da war ein Pool, fetter Sound, Wiese und alles eingezäunt. Dort habe ich dann mit Leuten am Pool gechillt, die damals schon zur Crew gehörten.

Das heißt, du warst von Anfang an dabei.
Genau. Dann gab es plötzlich die Pratersauna und das Opening, bei dem ich auch war. Die Sauna war eine Art Jugendzentrum für Ältere.

Wie hast du dich gefühlt, als du von dem Ende der Pratersauna erfahren hast?
Die Gerüchte kursierten ja schon länger. Hennes hat es mir dann allerdings persönlich gestanden. Wir standen beide an der Bar beim Mainfloor, da hat er gesagt: "Ich kenn hier niemanden mehr, es ist eine neue Generation, wir müssen es einfach abgeben". Ich wollte aber nicht, dass sie in Vergessenheit gerät. Also habe ich mich an dem Abend hingesetzt und mir das alles nochmal durch den Kopf gehen lassen. Denn das ist doch, was ich tue. Festhalten und dokumentieren und  gerade die Pratersauna hat es als Institution verdient, ein Denkmal zu bekommen. Das Konzept habe ich dann dem Hennes geschickt.

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Wie war seine erste Reaktion?
Er hat es sofort geliebt. Nur das Budget war gleich null. Aber ich dachte mir, das Ding werden wir schon schaukeln, weil es von Anfang an eine Herzenssache war. New York hatte sein Studio54, wir hatten die Pratersauna. Die hat es geschafft, Berliner-Clubfeeling zu uns zu bringen.

Wann wurde dir bewusst, welche Form der Film annehmen wird?
Also die Seelen und Macher der Sauna, waren von Anfang an geplant. Der Fokus war ursprünglich auf Stefan und Hennes. Aber während dem Drehen, haben sich so viele Geschichten ergeben, in denen deutlich wurde, welchen EInfluss die Sauna eigentlich hatte.

Und diese Einflüsse wolltest du festhalten.
Genau. Diese Storys, die die Sauna so ausgemacht haben. Egal ob Gäste, DJs, Organisatoren oder Mitarbeiter – ich wollte es aufzeichnen. Es war eben nicht der typische Betrieb, der einfach so gelaufen ist. Es war eine Familie. Jeder hatte so seinen Part und alles hat sich immer irgendwie überkreuzt und dieses Feeling hat sich dann auch total hinter den Kulissen widergespiegelt. Vom Klo-Peter bis hin zu Stefan und Hennes, sowie der Hausmeister, der stets seine Vaterrolle zum besten gab.

Gibt es eine Stelle im Film, die dir besonders nahe liegt?
Beim Dreh ist mir aufgefallen, wie verbunden viele mit der Pratersauna waren und beim Closing auch geweint haben. Der Hausmeister hat es ziemlich gut auf den Punkt gebracht, als er meinte: "Es war nicht nur irgendein Club, der zusperrt, es waren sieben Jahre und sieben Jahre sind ein Lebensabschnitt." In dieser Zeit wurden viele mit der Pratersauna erwachsen.

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Was können sich Sauna-Gäste und Nicht-Gäste von diesem Film erwarten?
Ich hoffe, dass die Sauna-Gäste einfach nochmal die Antwort darauf bekommen werden, warum es so gut funktioniert hat, dieses Gefühl auch in Wien zu haben und warum es dann an der Zeit war, zu schließen. Allen anderen möchten wir zeigen, was sie eigentlich verpasst haben, dieses: "Scheiße, warum war ich nie in der Pratersauna?" vermitteln.

Welches Gefühlt hattest du bei den Interviews mit Stefan und Hennes?
Ich muss ehrlich sagen, ich war superglücklich darüber, dass ich die beiden so bekommen hab, wie sie wirklich sind. Grad in den letzten fünf Wochen, haben beide eine Achterbahn der Gefühle erlebt. Mich das festhalten zu lassen, ist das größte Geschenk für einen Dokumentarfilmer. Ganz besonders war das auch mit Bruno und Tanja.

Wie geht es dir selbst, beim Durchforsten der Materialien. Man kann ja leider nicht alles nehmen.
Klar, am liebsten hätte ich jedes einzelne Gespräch mit reingenommen, aber dann wäre der Film zehn Stunden lang geworden.

Warst du schon in der neuen Pratersauna?
Ein einziges Mal bisher.

Wie geht es dir mit dem Ende der Pratersauna?
Also ich vermisse die Partersauna extrem, aber um ehrlich zu sein, gegen Ende waren wir ja selber schon nicht mehr oft dort. Der letzte Monat in der Sauna, hatte nochmal den Charme von den Anfängen. Daher verstehe ich, warum die Burschen gesagt haben, es ist Schluss. Es hat nur mehr Energie beraubt. Hätten sie weitergemacht, wäre es wie mit dem Flex, das gibt es auch schon seit 20 Jahren und plätschert nur dahin. Wenn es da heißen würde, es gäbe ein Closing, würden alle aufatmen und sagen: "Ja, Gott sei dank!"

Wir verlosen 1x2 Tickets für die ausverkaufte zweite Vorstellung der Premiere (23:45 Uhr) unter allen Menschen, die uns in einer Mail an Noisey@vice.at kurz sagen, was sie an der alten Pratersauna vermissen.

Isabella auf Twitter: @isaykah

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