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Eine Abhandlung über die Sinnlosigkeit des Ausgehens

Diejenigen, die Spaß haben können, haben ihn mit anderen Menschen, die Spaß haben können. Diejenigen, die keinen Spaß haben können, haben mit... naja... niemandem Spaß.

Die Frage nach dem Sinn. Die Frage ist so alt, wie auch oft ernüchternd – und langweilig dazu noch. Man könnte behaupten, der Sinn des Ausgangs liege im rein subjektiven Empfinden von Freude. Also sollte man einfach nicht ausgehen, wenn es dir, dem Subjekt, keine Freude bereitet. Stimmt. In der Theorie – in der Praxis sind du und ich leider soziale Wesen, die sozialen Zwängen (GRUPPENZWAAAANG!) unterworfen sind. Du könntest auch einfach nicht ausgehen, aber du musst ja fast. Jedoch gehörst du zu dieser Gruppe Menschen, die einfach keinen Spaß am Ausgehen hat – sonst hättest du nicht auf diesen Artikel geklickt. Was ist also das große Problem am "Party machen"?

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Ein Club oder eine Bar ist prinzipiell einfach ein Lebensfreude-feindlicher Ort. Überall pöbelnde Menschen, unsäglich schlechte Musik und das Einzige, was man machen kann, ist sich anschreien. Eigentlich bist du wirklich nur wegen des Gruppenzwangs dort, weil ja alle anderen dort sind. Auch wenn du manchmal versuchst, deinem Freundeskreis alternative Zeitbeschäftigungen vorzuschlagen, wird am Ende doch immer der kleinste gemeinsame Nenner siegen – nämlich der BumBum-Tempel mit dem höchsten schoafe Menschen-Anteil oder die Bar, in der das Bier am billigsten ist.

Sein Musikgeschmack würde mit deinem Musikgeschmack einen Krieg anfangen. Foto via Flickr | ben britten | CC BY 2.0

Jetzt bist du also in einem dieser lauten Top 40-Hits-Tempel. Du stehst in der Ecke. Oder du könntest ja auch tanzen. Du tanzt nicht. Ich tanze nicht. Ich verstehe tanzen nicht so ganz. Ja, man bewegt sich zum Rhythmus. Ja, man drückt damit physisch aus, was die Musik psychisch mit einem macht – so hat man es mir zumindest erklärt. Ich war ein paar mal in einem Moshpit, das war mit 17. Das war auch wirklich lustig, aber dieses Tanzen ist mir fremd.

Du kannst dich also nicht am Tanzen erfreuen, du hast deinen Frust über deine derzeitige, viel zu laute, Lebensrealität bereits mit ein paar Whiskey Cola betäubt und die Libido überfährt dich wie ein Güterzug. Es gibt ja noch das Geschlecht der Begierde. Du könntest ja auf Balz gehen. Es mussten jedoch schon Napoleon und ein gewisser Österreicher lernen, dass man nicht auf dem Heimatboden seines Gegners die Entscheidungsschlacht austragen sollte. Als Feiergrantler sollte man wirklich nicht versuchen, in einer komplett egofeindlichen Umgebung in die Balzschlacht einzutreten. Man ist einfach auf verlorenem Boden. Wie schon erwähnt ist die Gesellschaft pöbelig und die Musik so laut, dass man sich nur Anschreien kann. Wenn jetzt dein ganzer Charme darauf basiert, möglichst gute Sprüche zu bringen und deine tausenden Literaturreferenzen auszupacken, ist Literatur das einzige, was du an diesem Abend auspacken wirst.

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Wichtig ist die Realisierung, dass mit dir etwas anders ist und du einfach nicht dazugehörst. Ich gehöre auch nicht dazu. Noch wichtiger ist die Realisierung: "Dass man nur bekommt, was man will, wenn man sich eingesteht, wer man ist" – Peytr Baelish. Wenn du dir eingesteht, dass du einfach kein Clubkind bist, kann man sich über den Gruppenzwang des Bumbum-Technotempels emanzipieren. Es gibt ja auch noch Bars – so denkt man sich. Der Wohlfühlort Bar oder Pub ist jedoch auch nur eine Illusion, ein Trugschluss, eine andere Version des selben Elends. Es ist alles das Gleiche. Jede Variation des Ausgangs ist der selbe Schatten an der Wand.

Nun hast du dich also in eine Bar verirrt, weil eine andere Umgebung ist eine andere Realität. Auf ein Neues! Die Hoffnung hast du anscheinend noch nicht zu Grabe getragen. Den Abend aber schon. Der liegt nämlich tot und verwesend zwei Meter tief unter der Erde vergraben. Du findest dich in einem dunklen Loch in einer Wand wieder, in welchem sich – du hast es erraten – pöbelnde Menschen und schlechte Musik befinden. Du wirst mit "Den größten tantiemenfreien Hits der letzten dreißig Jahre" beschallt und bekommst das Bier für 2,50 Euro anstatt um 4,30 Euro. Du kannst dich hier nun – nicht schreiend, sondern rufend – über Dinge unterhalten. Die benötigte Konversationslautstärke ist der markanteste Unterschied zum Bumbum-Tempel. Tanzen geht ja nicht – soll auch nicht. Mit etwas Glück findest du Gleichgesinnte und kannst sogar über etwas Interessantes reden, im Regelfall ist das jedoch nur eine verzweifelte Wunschvorstellung. Du redest nicht über etwas, was dich wirklich interessiert, sondern über das kleinste gemeinsame Nenner-Thema. Absurde Dinge wie Fußball. "Rapid ist auch eine Religion!" – oder so ähnlich.

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Nicht das gelobte Land. Foto via Flickr | Grant Wickes | CC BY 2.0

Die Bar ist also auch nicht dein lang ersehnter Wohlfühlort. Über die Lebensjahre probierst du dich dann auch noch durch gewisse andere Massenentertainment-Möglichkeiten durch. Großes Kino, kleines Kino, Massensport, Undergroundsport, Restaurants, Cocktail-Bars, kleine Konzerte, große Konzerte, Metal-Festivals, und, und, und. Die moderne Übrige-Zeit-Gesellschaft hat einen dunklen, schwarzen Schwall an Entertainment-Optionen geschaffen, welche meistens vom selben konstanten Faktor ruiniert werden: von anderen Menschen. Meistens ist der einzige Unterschied zwischen billigem und teurem Entertainment, dass man teures Entertainment mit weniger Menschen teilen muss.

Du wirst als Anitparty-Mensch üblicherweise irgendwann gefragt, ob du auch etwas anderes kannst, außer sudern – und noch viel später, ganz höflich, einfach nicht mehr eingeladen. Nicht wütend werden. Das ist OK. Es ist OK. Gleich und gleich gesellt sich gern. Diejenigen, die Spaß haben können, haben den mit anderen Menschen, die Spaß haben können. Diejenigen, die keinen Spaß haben können, haben mit… naja… niemandem Spaß. Die wenigsten können nämlich partout keinen Spaß haben – ich sollte wohl langsam zum Punkt kommen. Die Massenmedien- und Massenentertainment-Fraktion sorgt leider für eine gewisse Gleichschaltung, die einfach viele Interessen und Leidenschaften nicht wertschätzt. Dadurch entsteht ein riesiger Graben zwischen "Was Menschen feiern" und "Was das Individuum feiert". Du fühlst dich alleine und verloren zwischen dir und dem Spaß der anderen. Es geht dann manchmal schon so weit, dass du nicht ausgehst, weil du andere nicht mit deiner eigenen Unfähigkeit, Spaß zu haben, belästigen möchtest.

Kriegshammer Vierzigtausend. Foto via Flickr | Crosa | CC BY 2.0

Was man gerne vergisst, ist der Begriff der Leidenschaft. Dieses eine ominöse Konzept. Diese eine Sache, für die man eine wahrhaftige Faszination empfinden könnte. Wenn du dich lange genug damit beschäftigst, kommt sogar so etwas wie Freude auf. Vielleicht. Du musst es auch dürfen. Gerne wird dir von den Eltern oder den Freunden oder der Gesellschaft etwas ausgeredet, weil es eine Verschwendung von Zeit ist. Oder einfach ein nerdiges Image hat. Alles wird beurteilt. Alles hat ein Vorurteil. Oft wird alles danach beurteilt, wie sehr es einem dabei hilft, einen potentiellen Geschlechtsverkehrspartner zu finden. Kein Wunder, dass der Ausgang ein positiveres Image hat, als im Keller Warhammer40K zu spielen.

Finde etwas, das dir gefällt und mach es gut. Finde etwas, das dich wirklich interessiert und lass dich nicht immer dazu drängen, auch noch deine Wochenenden voller Nicht-Spaß zu verbringen.

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