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Ich habe drei Tage lang KRONEHIT gehört

Nur Radio zu hören ist äußerst herausfordernd für die Psyche.

Fotos und Screenshots via Autorin

Als ich hier im Februar angefangen habe, war die erste Aufgabe, die ich bekommen habe—und somit auch der erste Artikel, den ich geschrieben habe—„Ich habe drei Tage lang Slayer gehört”. Mein Chef hat eine leicht sadistische Art. Das habe ich gerade eben übrigens nicht geschrieben, sonst darf ich nächsten Monat wahrscheinlich drei Tage lang mit der John Otti Band auf politische Podiums-Diskussionen nach Bad Oaschloch.

Jedenfalls ist Slayer eine Band. Sie machen Musik, die vielleicht nicht meinem Geschmack entspricht, aber sie machen musikalische Geräusche. KRONEHIT ist mehr eine ganz eigene Welt, in der die Gesetze der realen Welt nur bedingt gelten. Ab und zu spielt KRONEHIT etwas, was die KRONEHIT-Redaktion als Musik versteht. Das ist meistens Taylor Swift, was entweder an einem großen Praktikantinnen-Anteil der Generation Z liegen muss, oder an diabolischen Knebelverträgen mit Agenturen, von denen niemand von uns etwas wissen möchte.

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Nach diesen drei Tagen steht fest: Bei KRONEHIT scheint es so etwas wie einen erwachsenen und realen „Chef der Musikauswahl” nicht zu geben. Diese Erkenntnis stimmt mich etwas traurig, weil ich davon ausgegangen bin, dass es jemanden geben muss, der sich Gedanken um die Musikauswahl macht. Quasi ein Radio DJ. Das war vor allem in meiner frühen Jugend einer meiner Traumjobs. Nun dieser Job ist ungefähr so existent wie meine Lust auf Weisheiten von der absoluten Anita.

Nach dem ich eigentlich fast nie TV schaue und wirklich noch viel weniger Radio höre, habe ich einige Erkenntnisse über dieses ganze Radio-Game, besonders das von KRONEHIT sammeln können. Eines noch vorab: Dass nichts Normales dabei rauskommen kann, wenn man drei Tage durchgehend einen Sender hört, der vielleicht für zwei Stunden am Tag gedacht ist, weiß ich. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, es trotzdem zu versuchen. Spoiler: Die ersten drei Stunden waren auch voll OK. Was danach kam, ist meine eigene Schuld.

Offensichtlich reicht ein Repertoire von gefühlt 25 Liedern, um drei Tage lang Musik zu machen

Der Slogan des Senders lautet „Wir sind die meiste Musik”? Weil ich gedacht habe, das bedeutet: „Wir spielen ganz viel unterschiedliche Lieder" fühle ich mich jetzt belogen. Und wenn ich sage, es waren 25 unterschiedliche Lieder, dann ist das mein Versuch freundlich zu sein, denn eigentlich waren es sich wie zehn angefühlt. Diese zehn werden dann mit den Top 1 aus den Vorjahren gemischt und schon sind zwei Stunden vergangen. Das weiß ich, weil ich auch mal eine intensive Auto-Mitfahrer-Zeit hatte. Und mit 19 fand ich KRONEHIT eigentlich eh ganz OK.

Außer, dass ich jetzt für immer Bad Blood mit Taylor Swift habe, kann ich die anderen Künstler auch nie wieder hören. Wusstet ihr, dass man „Somebody That I Used To Know” von Gotye noch immer zehn Mal täglich spielen kann? Womit wir bei der nächsten Erkenntnis wären.

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Egal wie sehr du einen Künstler oder ein Lied mögen willst, KRONEHIT nimmt dir jede Sympathie

Ich mochte Sido. Sido spielt es jetzt auf KRONEHIT. Mit einem Lied, in dem irgendein Typ irgendetwas vom Astronauten singt. Den ersten Tag habe ich mich die ersten zwei Stunden über das Lied gefreut, weil hey, ich mochte Sido. Jetzt sehe ich in Sido nichts anderes als einen Künstler, der sich komplett verkauft hat. Ich meine eh. Aber warum tust du mir das an, KRONEHIT?

Oder Filous. Dieser Österreicher, der so Majestic-Mucke macht. Das erste Mal, als ich ihn am ersten Tag des Versuchs auf KRONEHIT gehört habe, habe ich mich gefreut. Immerhin habe ich vor einem guten Jahr das erste Mal etwas von ihm auf Facebook gesehen und fühle mich deshalb so, als hätte ich den jungen Buben entdeckt. Außerdem habe ich mir gedacht: „Yeah, ein Einheimischer, der kommerziell taugliche Mucke macht! Der im Radio gespielt wird!” Ich konnte nicht wissen, dass Filous Management vermutlich KRONEHIT mit vergoldeten Diamanten bezahlt hat, um sein Lied mindestens zwei mal pro Stunde zu spielen und die Zeit dazwischen mit Teasern für dieses Lied zu überbrücken.

Es gibt ein Stockholm-Syndrom der Musik und das erklärt auch regelmäßige Radio-Hörer

Wenn man drei Tage lang von 25 Weichspüler-Chart-Hit-Liedern lebt, dann passieren seltsame Dinge mit der Psyche. Das erste Mal ist es mir am Ende des ersten Tages aufgefallen und dieses Phänomen wiederholte sich dann. Ich habe mich über manche Lieder gefreut. Ich habe mir sogar innerlich gewünscht, dass sie bald wieder gespielt werden. Und das, obwohl ich sie eben gehört habe. Obwohl ich diese Lieder ja eigentlich gar nicht so mag. Man hat mir beigebracht, sie zu lieben. Man hat mir beigebracht, Glück zu empfinden, wenn ich länger als 20 Minuten das Radio an hatte. Seit diesem Experiment halte ich A Clockwork Orange für einen Dokumentarfilm.

Ein Beispiel für so eine eine Auf-und-ab-Fahrt der Gefühle: Zuerst kam „Bad Blood" (Dopamin-hemmend), dann wurden zwei neutrale Lieder gespielt, die mein Belohnungszentrum nicht angriffen, und anschließend „Sugar” von Robin Schulz (Dopamin-ausschüttend). Die neutralen Lieder bringen dein „Bad Blood”-Tief nicht wirklich in Ordnung, du fühlst dich niedergeschlagen und wütend. Erst das Dopamin ausschüttende Lied, gibt einem wieder Energie und Hoffnung. Das Wunder Mensch und der Geist sind zähe Genossen. KRONEHIT weiß das besser, als jeder Star-Neurologe und spielt mit dem Wissen.

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Ich habe das alles eben erfunden, natürlich habe ich weder Studien noch Beweise. Aber stellt euch einfach vor es funktioniert so. Bei mir ist das zumindest der Fall. Oder ruft Absolut Anita an und fragt sie nach der Funktionsweise der neurologischen Tricks ihrer Gebieter.

Man kann nicht genug auf die Zielgruppe der Autofahrer eingehen

Außer, dass jede Werbepause dazu genützt wird, Autos zu preisen, wird auch jede Stunde dazu genützt, zweimal durchzusagen, dass die scheiß Tangente verstopft ist. Sogar ich weiß, dass zwischen 17 und 19 Uhr die Tangente verstaut ist, meine Fresse. Ich wurde wegen Verkehrssituationen aggressiv, die mich nicht mal periphär betroffen haben. Aber das ist alles noch irgendwie OK, das gehört zu unserem grundsätzlichem System und ist Information.

Aber das große KRONEHIT-Gewinnspiel? Finde ein Auto, dass irgendwo in Österreich steht? Also sie haben ein Auto irgendwo in Österreich abgestellt und jeden Tag gibt es Hinweise zu seinem Standpunkt. Dass das zu gewinnende Auto eine Klimaanlage hat, war heute ein Hinweis. Danke, KRONEHIT. Je mehr KRONEHIT man hört, desto mehr Hinweise gibt es. Man stelle sich vor, jemand will dieses Auto echt, macht das alles, findet sein KRONEHIT-Auto und dann hat dieses Auto eine Klimaanlage. Einfach so! Morgen kommt vielleicht der Hinweis, dass das Auto eine Windschutzscheibe hat. Oder Bremsen.

Es gibt Menschen, die rufen im Radio an und machen freiwillig bei einer Radio-Talkshow mit

Absolut Anita, die ich in diesem Artikel schon ein paar Mal erwähnt habe, ist eine Mischung aus Dr. Sommer und Britt der KRONEHIT. Bis zu ihrem Erscheinen auf der Hörfläche dachte ich mir, dass die Zielgruppe zwangsbeglückte Angestellte und Autofahrer sind. Doch dem kann so nicht sein. Wenn mir noch mal jemand sagt, ich sollte mir mehr Schamgefühl zulegen, dann verweise ich ihn auf den eigenen Absolut Anita Channel auf kronehit.at. Da rufen Menschen an und erzählen von kompletten Kopf-Tisch-Situationen zu absoluten Kopf-Tisch-Themen und Anita gibt dann eine haushaltspsychologische Weisheit zum Besten. Dann rufen anderen Menschen an, die den ersten Anrufer nachher fertig machen. Ich habe genau zwei Erklärungen dafür: Entweder es ist gefaket oder wir sind als Zivilisation dem Untergang geweiht.

Radio-Moderatoren brauchen eine Gehaltserhöhung

Es ist mir egal, wie viel sie verdienen. Sie verdienen mehr Gehalt. Diese gute Laune bei den immer gleichen 25 Liedern ist übermenschlich und verdient meinen vollsten Respekt. Früher hätte man diese Menschen vermutlich als Götter angebetet. Als normaler Mensch kann ich es mir nur so erklären, dass diese Menschen entweder Unsummen des Gehalts für diverse Launen-Anheber ausgeben oder ihren Job durchstehen, weil sie das Nicht-Lallen perfektioniert haben. Oder sie sind Roboter, aber dann sollte sich die Firma überlegen in das Kriegs- und Waffen-Business einzusteigen. Da sehe ich sowieso viel Potential.

Es spielt noch immer keine heimische Musik im Radio

Außer Julian Le Play und Filous. Und die spielt es mit genau einem Lied so lange, bis jeder halbwegs normale Mensch sie hasst. Ich gehöre zu den Menschen, die das nicht nachvollziehen können. Wir haben tolle Musiker, ein großes Spektrum an Musikrichtungen, noch mehr Lieder, die sich abwechseln ließen—was zum Teufel?

KroneHit macht akustisch da weiter wo die Kronen Zeitung aufhört.

Ich bin glücklich darüber, meine CDs und Playlists wieder zu hören. Sehr glücklich.

Fredi hat auch Twitter: @schla_wienerin

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