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Das Zürcher Revier muss einem Business-Hotel weichen—Wir haben mit dem Club-Betreiber gesprochen

Im März 2017 wird das Revier Vergangenheit sein. Wir sprachen mit Club-Betreiber Sven Schirmer über Gentrifizierung, die Nachteile der Selbstständigkeit und die Zeit bis zum Ende.
Alle Fotos: Facebook

Was sich unter Stammgästen und Clubgängern schon länger herumsprach, ist nun Gewissheit: Das Revier inmitten des Zürcher Kreis 4 wird im März 2017 seine Türen schliessen. Der Club am Bermudadreieck, dem Herzen des Rotlichtviertels, muss einem Business-Hotel weichen, das auch das berüchtigte Hotel Regina ersetzen wird.

Letzte Woche, als sich die Endgültigkeit der Schliessung abzeichnete, veröffentlichten die Betreiber des Clubs ein Statement dazu auf ihrer Facebook-Seite. Sven Schirmer, ein Mitbegründer und der Betreiber des Clubs, hat sich bereit erklärt, uns zu erzählen, wie es dazu kam, dass sein Club nach sieben Jahren der Gentrifizierung zum Opfer fallen wird. Ich traf Sven zu einem Gespräch in der Alten Trotte in Zürich—einem Quartierrestaurant, das er erst vor einigen Wochen als Geschäftsführer übernahm.

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Noisey: Hey Sven, mal von Anfang an: Wie konnte es dazu kommen, dass das Revier einem Business-Hotel weichen muss?
Sven Schirmer: Wir sind grundsätzlich Untermieter des Hotel Regina und unser Mietvertrag läuft im März 2017 aus. Zu einer Vertragsverlängerung kam es nicht, da das Hotel selbst neu verpachtet wird. Es wären einige Investitionen nötig geworden, um den Betrieb des Hotels zu erhalten und der Verpächter suchte hierfür neue geeignete Investoren. Diese fand er dann auch in Personen im Ausland, die bereits Hotels in anderen Städten besitzen. Irgendwie ist das auch verständlich, dass du auch mehr Profit aus dem Ganzen erwartest, wenn du Geld in die Hand nimmst. Man weiss ja, was für ein Hotel das Regina ist und dass das Sexgewerbe auch nicht mehr das Lukrativste ist.

Sprich, mit dem Ende des Regina wurde auch euer Ende besiegelt?
Wir haben von diesen Umstrukturierungen früh Wind bekommen und uns mit den neuen Investoren getroffen. Ursprünglich war ein Testlauf mit einem parallelen Betrieb zum neuen Hotel geplant. Als wir ihnen erklärten, dass wir ein echter Club mit viel Rambazamba sind, in dem verschiedene Subkulturen aufeinandertreffen, und keine Hotelbar betreiben wollen, in der man seinen Cuba Libre an der Bar trinkt, wurde uns schnell klar, dass sie unser Konzept nicht verstehen. Wir wollen keine Kompromisse oder Einschränkungen eingehen.

Das Hotel Regina gab euch keine besonderen Auflagen für den Betrieb?
Wir sind immer gut aneinander vorbeigekommen. Der Hotelpächter suchte damals selbst jemanden, der das Fallstaff übernimmt, ein ehemalig bekanntes Etablissement der Stadt. Wir zahlten in den letzten sieben Jahren auch eine sehr hohe Miete—was im Kreis 4 mittlerweile gang und gäbe ist und sich den Verhältnissen im Kreis 1 immer mehr annähert.

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Fallt ihr der Aufwertung des Kreises nun also selbst zum Opfer, die ihr mit der Umwandlung eines Etablissements zu einem Club selbst eingeleitet habt?
Die Stadt Zürich hat mit dem Projekt "Langstrasse Plus" sogar mit uns zusammengearbeitet, als wir das Projekt Revier in die Hände nahmen und jetzt sind wir als Club oder Bar kaum mehr gern gesehen.

Denkst du, diese Entwicklung wird im Kreis 4 weiter gehen?
Das glaube ich nicht. Das Langstrassenquartier wird immer eine Partymeile bleiben. Im Verhältnis zur Reststadt wird der Kreis 4 immer ein belebtes Quartier sein und die Leute, die sich jetzt dort wohl fühlen, werden das auch in Zukunft tun—wenn auch mit kleinen Abstrichen. Es werden in Zukunft vermehrt die grossen Gastronomen ins Geschäft einsteigen, wie es bei der Bank oder dem Hiltl der Fall ist, und die Underground-Clubs werden sich wieder vermehrt nach aussen verlagern. Wir sprechen da halt schon von teilweise saftigen Mietpreisen, die schwer zu tragen sind.

Hat sich denn euer Betrieb für euch rentiert?
Hätten wir das Revier wegen dem Geld gemacht, hätten wir in der Hälfte aufhören müssen und ein gutes Schlüsselgeld einsacken können. Es war mehr eine Herzenssache. Für mich war das Projekt Revier eine Selbstverwirklichung, ich habe in den Jahren viel gelernt—besonders auch im musikalischen Bereich, seitdem ich für das Booking verantwortlich bin.

Gab es in den Jahren auch Situationen, bei denen du ans Aufhören dachtest?
Ja, ich war schon einige Male enttäuscht, wenn etwas nicht geklappt hat. Anfangs war das Revier ein 200-Prozent-Job. Da gab es Zeiten, während denen ich kein Auge zugemacht habe, und auch Phasen, in denen der Club mal nicht lief und die Rechnungen sich stapelten. Mit dem musst du als Selbstständiger umgehen können, genauso wie damit, dass du nicht jedermanns Freund bist oder mit Neidern zu tun hast. Das Bild vom Clubbesitzer, der um 16:00 Uhr aufsteht, sein erstes Bier trinkt und sich zukokst stimmt überhaupt nicht. Heutzutage musst du voll dabei sein.

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Bist du selbst noch viel vor Ort im Club?
Ich bin selbst sehr viel vor Ort. Seit Kurzem beansprucht mich jedoch das Restaurant hier auch mehr und ich gönnte mir nach der Geburt meines Kindes eine Papiauszeit vom Club. Diese Pausen gaben mir die nötige Motivation, um in den verbleibenden zehn Monaten im Revier nochmal Gas zu geben. Wir bauen den Club ja nochmal etwas um und setzen einen drauf. Wir sind in all den Jahren nie stehen geblieben und haben den Club laufend verändert. Das schätzten unsere Gäste auch immer an uns. Bei dem grossen Angebot in Zürich musst du das als Clubbetreiber auch tun, damit du nicht langweilig wirst und untergehst.

Was planst du sonst noch für den Schlussspurt?
Nach dem Umbau machen wir mit unseren derzeitigen Veranstaltern weiter wie gewohnt. Vielleicht etwas lauter, härter und länger als sonst. Der Klassiker für das Schlusswochenende wäre eine Party, die das ganze Wochenende dauert. Ich hab mich da noch nicht festgelegt, die passende Idee kommt mal beim Joggen oder Baden, da kannst du dich nicht einfach hinsetzen und das planen. Du kannst dich auch nicht einfach hinsetzten und das Monatsprogramm einfach hinklatschen, das muss ein Prozess sein.

Welches Vermächtnis hinterlässt das Revier nach sieben Jahren im Quartier?
Ein Business-Hotel.

Wirklich? Soll ich das so stehen lassen?
Wär ja eigentlich gar kein schlechter Schlusssatz. Unsere Leistung war, dass wir die Leute dazu gebracht haben, sich mehr mit dem Sound und den DJs auseinanderzusetzen und auch mal die Comfort Zone zu verlassen. Wir standen für die Message, dass man sich auch mal etwas Zeit nehmen und etwas auf sich wirken lassen darf, bevor man sich vorschnell ein Urteil bildet. Wir standen und werden auch in den letzten Monaten für mehr Entschleunigung im Nachtleben stehen.

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Infos dazu, mit was das Revier in seinen letzten Monaten auftrumpfen wird, findest du auf Facebook.

Kamil tummelt sich auf Twitter, Noisey Alps auf Facebook und Twitter.