Samstagabend: Irgendwie wirkt das falsch. Es scheinen nur Autos in der Farbe von Opa-Westen (die, mit den mindestens vier großen, gut sichtbaren Taschen) unterwegs zu sein. Als wären alle andersfarbigen Fahrzeuge beim Einbruch der Dunkelheit verschluckt worden. Nur Taxis – so weit das Auge reicht. Direkt vor dem Club der Visionäre stehen die Dinger dann sogar zweireihig. Die orangene Leuchtschrift auf der Haube lockt, weckt Sehnsucht nach einem Ortswechsel.
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Zu dir oder zu mir? Nächster Club – oder doch einfach nur ins eigene Bett, umfallen und schnell diesen Teil des Wochenendes wegschlafen? Mein Club liegt heute auf der Straße. Ich will wissen, wie die Taxifahrer die Stunden des Ausgehens erleben.Ibrahim, 35, ist seit fast drei Jahren fester Bestandteil der Nacht. Einen Großteil der Clubgänger sammelt er zwischen sechs und acht Uhr morgens auf. Viel mehr als einzelne Substantive, halbe Informationen kriegen die dann meist eh nicht mehr heraus. Ibrahim wurde aufgrund einer Wette Taxifahrer: "Mein Bruder ist seit acht Jahren Taxifahrer und der meinte, ich schaff das nicht. Dann wurde das zu so einem Wettbewerb. Er hat damals anderthalb Jahre für seinen Taxiführerschein gebraucht, ich nur so sechs Monate."Ibrahim ist total in Ordnung. Wer bei ihm mitfährt, darf sein Bier mitnehmen. Fummeln geht auch klar. Am liebsten sind ihm aber (generell neben den Gästen aus dem KitKatClub) jene Freundinnen, die plötzlich in seinem Auto mit dem Boy-Talk anfangen. "Ich höre gern zu, tue aber so, als würde ich nichts mitbekommen. Die reden dann oft über Sex. Zum Beispiel so: 'Der Typ ist wunderschön, aber dann packt der sein Ding aus und das ist voll klein.'"Alles andere als klein ist die Berliner Taxifahrer-Szene. Wenn ich mich so umblicke, sind die wenigsten so jung wie Ibrahim. Im Schnitt ist man hier 50+ und trägt obenrum Kurzstoppel-Haarschnitt und untenrum Jogginghose. Frauen gibt es so gut wie gar keine. Und von den wenigen will erst recht keine über den Job reden.
Ibrahim: "Ich höre gern zu, tue aber so, als würde ich nichts mitbekommen. Die reden dann oft über Sex."
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Lukas: "… und wenn ich dann zweimal um die Ecke gefahren bin, fangen sie an zu weinen."
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Tatsächlich haben die meisten Fahrer schon nach kürzester Zeit einen Tunnelblick drauf und stören sich an nichts mehr. Alles schon gesehen, keine wirkliche Überraschung mehr. Drogenabstürze sind das Normalste der Welt. Paare vorm Swingerclub absetzen, gehört am Wochenende zum guten Ton. Wer Student und wer Finanzhai ist und nachts mal einen draufmachen will, kriegt man schnell mit. Das ist bereits am Geruch erkennbar, behaupten die nächtlichen Chauffeure.
Sefer: "Erst wird geschlagen und dann umarmt!"
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Siad: "Mir ist das egal. Ich fahre alle."
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Roland: "Soll ich den einfach auf die Straße legen? Das ist ja schon Körperverletzung, verstehste?"
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Roland bringt noch mal auf den Punkt: "… hast einen Taxifahrer erwischt, der 57 ist, und noch so einen Scheiß hört. Aber ich geh auch gerne zum Tanztee, hehe."Und dann stehen wir vor meinem Haus. Die Nacht ist für mich vorbei. Ich steige aus. Das Taxi fährt weiter.