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Oberösterreich hat die beste Konzertszene

Es wird Zeit, Oberösterreich meine Liebe zu gestehen.

Catastrophe & Cure im Alten Theater Steyr. Foto von Hirandnow

Nachdem ich die Untiefen meiner Fortgeh-Vergangenheit öffentlich exhumiert habe und davon berichtete, wie scheiße fortgehen in Oberösterreich in meiner Jugend war, schlug die ganze Wucht des Internets auf mich ein. Immerhin habe ich jetzt Hausverbot in der Fuzzy. Nach so viel Negativismus ist es nur logisch, auch meine positiven Erinnerungen niederzuschreiben. Denn es gibt sie, die guten Aspekte der oberösterreichischen Kultur—in Form von Konzertlocations. Dort, wo ich den Großteil meiner Fortgehzeit verbracht habe. Der Grund, warum ich im Alter ein schwerhöriger Opa sein werde und mich mein Leben lang damit unbeliebt machen kann, welche Band ich nicht schon gesehen habe. Oberösterreich ist neben Wien das wichtigste Musikbundesland, zumindest was U-Musik betrifft. Wir haben Musiker und Bands wie Parov Stelar, Krautschädl, Bilderbuch und Christina Stürmer hervorgebracht und egal was ihr von ihnen haltet, den Erfolg kann man ihnen nicht absprechen. Die tausend Indie-Bands (The Beth Edges, Catastrophe & Cure, Kreisky), HipHop-Acts (Texta, Gerard, Mavi Phoenix) und Elektronik-Projekte (Erwin&Edwin, Ages, Ant Antic) zeigen, wie vielfältig die oberösterreichische Musikszene ist. Und selbst bei Bands, die angeben nicht aus OÖ zu sein, könnt ihr euch sicher sein, dass irgendwo noch ein Oberösterreicher seine Finger im Spiel hat (Farewell Dear Ghost, Viech, The Boys You Know).

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Bilderbuch im Röda. Foto via Flickr | carmenspace.com | CC BY 2.0

Wer das Personal im Musikbusiness nach der Herkunft durchforstet, wird schnell erkennen, dass wir unsere Leute auch hier eingeschleust haben. Wir sind überall. Wir sind die Illuminati der Musikwirtschaft. Aber warum ist gerade Oberösterreich so musikverliebt? Ein Grund dafür ist sicher die großzügige Kulturförderung und die damit einhergehende Dichte der Kulturvereine. Oberösterreich hat im Jahresbudget für 2016 173.881.200 Euro im Bereich Kunst, Kultur und Kultus vorangeschlagen. Verglichen mit dem bevölkerungsreicheren Niederösterreich gibt OÖ in diesem Jahr 51.199.600 Euro mehr dafür aus als sein Nachbarbundesland. Diesen Abstand sieht man auch schon in den Jahren zuvor. Mehr Unterstützung für Kulturvereine bedeutet mehr Chancen für kleinere Bands Bühnenerfahrung zu sammeln und dabei schön für die lokalen Zeitungen zu posieren. Das bringt Fame und ist wichtig, um auf den großen Bühnen später nicht abzustinken. Paradebeispiel: Auch Bilderbuch spielten ihre ersten Gigs in Vorchdorf, Pfarrkirchen oder Pettenbach. Und die Orte sind genau so klein, wie sie sich lesen. Wenn man dann als Band fleißig genug ist, darf man irgendwann in den unten beschriebenen, altehrwürdigen Konzertlocations auftreten und daraufhin den wichtigen Sprung nach Wien antreten. Weil also Oberösterreich so super ist—zumindest was Musik betrifft—kommen jetzt die besten Erinnerungen zu den besten Konzertetablissements aus meinem Heimatbundesland. Featuring Urin, Bradford Cox und Lignano.

Posthof Linz

Foto von Günther Gröger

Von allen Konzertlocations, verbrachte ich die meiste Zeit im Posthof. Dort wurde ich auch entjungfert. Leider nicht sexuell, aber musikalisch. Mein erstes Konzert erlebte ich 2006 mit A Life A Song A Cigarette, Herbstrock (damals Wir Sind Helden Verschnitt, jetzt als HVOB bekannt) und Petsch Moser. Eigentlich unspektakulär. Ich erinnere mich trotzdem noch daran, dass ich mein Velvet Underground-Shirt aus Lignano trug und mir die Petsch Moser-CD ganz aufgeregt unterschreiben ließ. Irgendwann haben die Bilderbuch-Jungs dort Pink As A Panther supportet und ich war ganz ehrfürchtig.

Ein paar Jahre später stand ich selber auf der gleichen Bühne beim Austrian Bandcontest (den wir übrigens gewonnen haben). Ja ich bin einer dieser gescheiterten Musiker, die jetzt lieber drüber schreiben, als ihre Gitarre in die Hand zu nehmen. Aber das nur am Rande. Bis ich meinen Führerschein hatte, war jedes Konzert im Posthof mit einer Zugfahrt und der Ungewissheit, wie ich wieder nach Hause komme, verbunden. Es klingt lame, aber es hatte trotzdem immer etwas Aufregendes an sich. Heute wohne ich in Wien und auf Konzerte zu gehen, ist genau so aufregend, wie aufs Klo zu gehen. Ich tu es gern, aber früher war ich noch stolz darauf. Der Posthof bleibt mir für immer als etwas Besonderes in Erinnerung, er ist ein Knotenpunkt der oberösterreichischen Konzertszene und wird es hoffentlich noch lange bleiben.

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Kino Ebensee

Moneybrother vorm roten Samtvorhang. Foto via Flickr | Ungry Young Man | CC BY 2.0

Ebensee ist ein recht beschaulicher Ort am Traunsee im Salzkammergut, den viele durch das Konzentrationslager oder die Nazi-Schmierereien an der Gedenkstätte kennen. Ich verbinde mit Ebensee das Kino. Ein altes Gebäude, in dem man sich neben Filmen auch Rockkonzernte gönnen kann. Es gibt einen Saal, der für beides ausgebaut ist. Das sorgt für ein leicht cineastisches Gefühl bei jedem Konzert. Die gepolsterten Ausklappstühle bleiben auch bei Musikveranstaltungen. Man blickt auf den roten Samtvorhang, der die Leinwand verdeckt. Davor steht eine niedrige Bühne. Frisches Popcorn gibt es leider keines, dafür recht billiges Bier.

Aber zum Ansaufen geht dort niemand hin. Der Kulturverein des Kinos hat sich seit den 70er Jahren eine dermaßen loyale Fanbasis aufgebaut, dass sie es sich leisten können, jeden Act reinzuholen, auf den sie gerade Lust haben. Auch wenn er noch so obskur ist, die Leute kommen. Sie vertrauen den Veranstaltern und das zu Recht. Die Geschichte, die ich immer erzähle, um dem Kino Kredibilität zu geben, ist die vom Holzstock Festival 1995. Ein 3.000 Leute-Festival mit Beck, den Foo Fighters und den Melvins und Texta. Jeder, der dort war, kann sich gerne eine Ehren-/Neidwatschen von mir abholen.

Meine Angebergeschichte vom Kino ist die vom einzigen Österreichkonzert von Deerhunter vor acht Jahren. Ich hatte sogar die Gelegenheit Bradford Cox die Hand zu schütteln und mit ihm ein paar Worte zu wechseln, weil Bands immer durch das Publikum latschen müssen, um von und zur Bühne zu gehen. Als Landei war ich damals erstaunt, wie viele Autos mit Wiener Kennzeichen vor dem Kino parkten. Deerhunter haben übrigens bis jetzt immer noch nicht in Wien gespielt. Heute verstehe ich, warum man so eine Autofahrt auf sich nimmt. Das Kino Ebensee ist eine der besten Konzertlocations, die ich jemals besuchen durfte.

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Alter Schlachthof Wels

Foto zur Verfügung gestellt vom Alten Schlachthof

Der Name allein ist purer Metal: Alter Schlachthof. Und alt ist er wirklich—seit 31 Jahren gibt es dort Kultur zu sehen. Noch dazu ist der Schlachthof gegenüber vom Gefängnis und das in Wels, der gefühlt gefährlichsten Stadt Österreichs. Trotz all diesen widrigen Umständen, habe ich mich erstaunlich oft in den Alten Schlachthof getraut, denn die Konzerte waren es wert, mein Leben so leichtsinnig aufs Spiel zu setzen. Der Schlachthof hat diese abgeranzte Atmosphäre, die ich bei Konzerten liebe. Eine abgenützte Bühne, die Klos zugekleistert mit Tags und Stickern, draußen die Wände voll mit Graffiti. Als ich erfahren habe, dass die Brandflecken an der Decke des Konzertsaals noch Reliquien eines Rammstein Konzertes sind, wusste ich, dass der Schlachthof etwas Besonderes ist. Dort hab ich auch Steve Albini von Shellac (und Produzent von unbekannten Bands wie Nirvana und den Pixies) zugerufen, ob er Gott sei. Er hat mit nein geantwortet, der alte Lügner.

Röda Steyr

Foto zur Verfügung gestellt vom Röda

Zugegeben, im Röda war ich nur, wenn ich richtig heiß auf die Bands war. Also zum Beispiel The Notwist und Blackmail. Letzteres Konzert brannte sich für immer in mein Gedächtnis als das Golden-Shower-Konzert ein. Zum Glück hat es mich nicht erwischt—ich stand ein paar Meter hinter dem Typen, der während des Konzerts sein Spatzi rausholte und inmitten des Konzertsaals seine Notdurft verrichtete. Ich weiß noch, wie spät die Leute vor ihm bemerkten, was ihnen da von hinten auf die Hose spritzt. Die wenigsten waren begeistert davon. Ich bin gleich zur Bar und erklärte der Dame, was da gerade abgeht. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich es erklären musste, aber verstehen wollte sie es nicht sofort. Verständlich. Abgesehen davon hat das Röda seine Besucher gut im Griff, die Bookings sind on point und die Location mit Gastgarten im Sommer sehr sexy. Steyr, du kannst stolz auf das Röda sein.

Natürlich hat Oberösterreich noch genug andere Konzertstätten und jeder hat seine Geschichten dazu. Ich denke an das OKH in Vöcklabruck, die Kapu und die Stadtwerkstatt in Linz, der Bertholdsaal in Weyer, das Gei in Timelkam, der Bauhof in Pettenbach und die Burg Clam. Ohne die Arbeit der Kulturvereine hätten kleine Bands keine Chance, abseits von Schulfesten und ihrem Keller Bühnenerfahrung zu sammeln und die nächsten Bilderbuch zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Kulturpolitik mit der FPÖ in der Landesregierung nicht ins Negative wandelt. Bis dahin bleibt Oberösterreich das Bundesland mit den besten Konzertlocations.

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Benji sagt euch auf Twitter, wie ihr euch nicht anpissen lassen müsst @lazy_reviews