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Warum Wanda keine Schlagerband sind

Der Begriff taucht in letzter Zeit häufiger im Bezug auf die Wiener Band auf. Ein paar Bemerkungen zum bösen S-Wort.

Foto: Florian Senekowitsch

Wanda haben in den letzten Wochen und Monaten einiges erreicht. Sie haben zwei restlos ausverkaufte Release-Konzerte in der Arena gespielt. Sie sind mit Bussi in Österreich auf der Eins und in Deutschland auf der Fünf eingestiegen. Sie bespielen 2016 die Stadthalle und legen bei den Nachbarn gerade reihenweise Konzerte hoch.

Es war ein geradezu magisches Jahr für die Band aus Wien. Und trotzdem hatte man in der letzten Zeit ein bisschen das Gefühl, dass sich die Stimmung unter den selbsternannten Auskennern in Österreich ein bisschen drehte. Nach der Kontroverse um das Musikvideo mit Ronja von Rönne und den eher wenig schmeichelhaften Aussagen über österreichische Musik verdrehten nach ein paar Bieren viele die Augen, wenn das Gespräch auf die Band kam. Vor zwei Wochen erschien dann ein Text vom Österreicher Wolfgang Zechner erst auf seinem Blog, später beim Rolling Stone, der das Unbehagen vieler mit der Band auf polemischste Art zusammenfasste: „Eine Fischvergiftung namens Wanda“.

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Für das alles gibt es ein paar einfache Erklärungen. Ich hab vor einigen Wochen schon geschrieben, dass ein Backlash bei erfolgreichen Bands völlig normal ist. Wobei man mich gelegentlich mit Recht darauf hinweist, dass es die kritischen Wanda-Stimmen 2014 eh schon gegeben hat, man ihnen aber nicht zugehört hat. Es hat auch etwas mit Distinktion zu tun: Linus Volkmann hat in diesem Text den schönen Satz geschrieben „Wenn die Checker nicht genervt sind, hast du keinen Hype“. Und es ist ganz einfach eine Frage der Aufmerksamkeitsökonomie: Schon im Jänner hat sich jemand mit dem Satz zitieren lassen „Wer morgen einen Text ‚Wanda sind der größte Scheiß‘ schreibt, kann sich der Klicks sicher sein." OK, das war wieder ich. Ich mag mich ja nicht selbst loben, aber wie oft hat man schon Recht?

So weit, so gut, Es ist ja letztlich alles völlig wurscht. Die Blase, in der sich Musikjournalisten, Promoter etc. bewegen, ist vergleichsweise winzig. Trotzdem geistert gerade ein Wort durch den Raum, bei dem es sich lohnt, ein bisschen genauer hinzuschauen. Der neueste Vorwurf an Wanda, den ich in den letzten Wochen öfter—eben auch in dem Rolling Stone-Fischvergiftungs-Stück—gehört habe: Was Wanda machen würden, sei eigentlich längst Schlager. Beziehungsweise in Auskennerkreisen öfter als Feststellung à la „In Deutschland zielen Wanda ja eher auf das Schlager-Segment“ getarnt.

Das böse S-Wort. Mit wenig kann man Musiker so schnell diskreditieren. Das Wort „Schlager“ riecht nach Bierzelt, nach Sangriakübeln, nach „Zeig doch mal die Möpse“. Nach Landjugend und alten Frauen, die so etwas gerne hören, und nach Studenten, die sowas nur betrunken ironisch hören. Insgesamt nach einfachen, hässlichen, uncoolen Menschen. Also nach Publikum, das sich medial schwer verkaufen lässt.

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Ich mag dem Ende dieses Textes jetzt schon mal vorweggreifen: Niemand kann 100% sagen, dass Wandas Musik kein Schlager wäre. Dafür ist das Wort viel zu unbestimmt. Sowohl die Positiv- als auch die Bestimmung über Negativkriterien muss scheitern. Alle Schlager sind einfach strukturiert—das gilt aber (fast) immer für erfolgreiche Musik. Alle Schlager richten sich an grundlegende Gefühle des Menschen—das tun U2 aber auch. So könnte man ewig weiter machen. Es ist wahrscheinlich eher ein bisschen so: Wenn man einen Schlager hört, dann weiß man es.

Doch an dieser Stelle steht zuerst einmal eine kurze, für die Verständnis des Begriffs wichtige Feststellung: Die Kategorie „Schlager“ ist etwas europäisches, speziell deutschsprachiges. Im deutschsprachigen Raum trennte sich in den 60er Jahren der „Schlager" als Musik, die schon in der Weimarer Republik und im Dritten Reich durch die Schallplatte eine massenhafte Verbreitung gefunden hatte, von der „Rock/Popmusik“, die aus dem angelsächsischem Raum herüberschwappte. Die erfolgreiche Musik aus dem D-A-CH-Raum war von da an gespalten: (leicht avantgardistischer) Pop auf der einen, volkstümlicher Schlager auf der anderen Seite. Sprache war dabei allerdings nicht das relevante Kriterium. Auf Deutsch konnte man sowohl Pop als auch Schlager machen.

Im angelsächsischen Raum hat es diese Trennung so nie gegeben. Die Beatles, Oasis—sie machten alle Popmusik mit simpelsten Texten und simpelsten Harmonien. Wie unübersetzbar das ist, merkt man vor allem, wenn man sich die Beatles einmal auf Deutsch („Sie liebt dich, yeah, yeah, yeah!“) anhört. Bizarr. Aber niemand hätte diesen Bands vorgeworfen Schlager zu machen. Englischsprachiger Pop darf simpel sein, ohne dass jemand die Schlager-Keule herausholt—ganz einfach deshalb, weil diese Keule dort weitgehend unbekannt ist. Dementsprechend sind die Argumente „Wer Wanda für Schlager hält, hat sich noch nie englischsprachige Texte angehört“ genauso richtig wie nichtssagend. Es ist einfach nicht vergleichbar.

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Trotzdem ist der Schlager-Vorwurf gegenüber der Band meiner Meinung nach relativer Blödsinn. Wanda ist eine Band, die einfache Wahrheiten („Auseinandergehen ist schwer“) gelassen ausspricht. Wanda sind als Projekt bewusst so erdacht, dass sie eben nicht elitär sein wollen—wenn der 42-jährigen Familienvater im Wifebeater auf ein Wanda-Konzert gehen will, rümpft die Band nicht die Nase und will es auch nicht. Wanda wollen die Breite ansprechen.

Das führt nicht immer zu Szenen, die man unbedingt in coolen Magazinen abdrucken würde. Aber das muss und soll möglich sein, ohne dass die Band gleich in eine Eck mit Mickie Krause gestellt wird. Zumal es doch nochmal einen gewaltigen Unterschied zwischen Lyrics von Wanda und Andrea Berg gibt. Ich sehe Wanda tatsächlich eher in der Tradition der schwitzigen, universellen Bands wie Oasis. Der Schlagervorwurf kommt nur, weil sie zufällig auf Deutsch singen. Würden sie auf Englisch singen, würde ihre Musik vielleicht weiterhin als „einfach“ bezeichnen. Aber eben nicht als Schlager.

Man muss Wanda natürlich nicht mögen. Mit dem S-Wort sollte man aber bitte vorsichtig umgehen.

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