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Der Side-Project-Dreisatz

Side-Projects funktionieren nur auf drei verschiedene Arten. Deswegen ist es auch nur logisch, dass Darkside schon wieder der Vergangenheit angehört.

Dass Nicolas Jaar und Dave Harrington am Wochenende bekanntgaben, dass ihr Side-Project Darkside nach einer LP und dazugehöriger ausgedehnten Tour fürs Erste auf Eis gelegt wird, war nicht verwunderlich, sondern absehbar. Darkside war eben nur ein Side-Project, das trotzdem in den letzten zwei Jahren den Großteil ihrer Zeit verschluckt haben müsste. Und auch wenn es durchaus schade ist, da die weitere Zusammenarbeit bestimmt ein Stück weitergehen könnte als ein knapp-aber-doch-deutlich-am-10-Punkte-Album-vorbeigeschrappt-Debüt, sollte ein Side-Project idealerweise genauso ablaufen. Und enden.

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Im Grunde kennen wir Side-Projects nur auf drei verschiedene Weisen. Jede hat ihre Berechtigung, die eine mehr als die andere, und ist nur logische Folgerung aus dem, was ein Side-Project ist. Abgesehen davon, dass wir nicht eine unbekannte vierte Variable suchen, haben wir hier den Side-Project-Dreisatz aufgestellt, der voller mathematischer Logikfehler ist, damit ihr auch verstehen könnt, warum wir dieser Arbeit hier nachgehen, anstatt die Budgets eurer Projekte auszurechnen.

Angefangen mit einer Definition: Ein Side-Project ist ein Nebenprojekt eines Musiker, dessen Hauptaugenmerk eigentlich auf einer Band oder seinem Solo-Projekt liegt, der sich mithilfe eines anderen Projekts, ob nun mit einer Band oder Namensänderung, weiterführend in andere Stilrichtungen, Genres oder mit anderen Konstellationen und Instrumenten austobt und Projekte verwirklicht, die mit seinem Hauptband/-projekt nicht möglich wären.

Side-Projects < Hauptprojekt

Die meisten Künstler fokussieren sich nicht nur auf ein Projekt, sondern leben ihre künstlerische Kreativität auch auf anderen Wegen aus. Besonders, wenn mal wieder einer dieser Künstler einen kreativen Schub bekommt und die abgefahrensten musikalischen Phasen durchlebt, können sich die meisten (ob Fan oder Bandmitglied) glücklich schätzen, wenn diese nicht den Bandsound verhunzen. Stattdessen kommen dabei seltsame kleine Side-Projects zum Vorschein, die oftmals sehr wenig Beachtung finden, entweder weil sie keiner hören will (Samy Sorge von Samy Deluxe, What So Not von Flume), keiner sie mitbekommt (Olugbenga von Metronomy, CANT von Grizzly Bear), oder sie nicht in den bestehenden Fankreis passen (Anand Wilder von Yeasayer). Sie wurden schließlich nicht ohne Grund an der Seite bearbeitet.

Das (und das kleiner als-Zeichen) bedeutet aber noch lange nicht, dass die Side-Projects in dieser Kategorie nicht gut sein können, auch nicht, dass sie weniger wert sind als die Hauptprojekte. So hat der Grizzly Bear-Bassist Chris Taylor ein ganz großartiges, viel zu wenig beachtetes Soloprojekt namens CANT, für dessen Album Dream Come True er zu großen Teilen mit George Lewis Jr. von Twin Shadow zusammengearbeitet hat und das ähnlich wie Darkside hoffentlich nach gewisser Zeit (sagen wir drei Jahre, in Ordnung?) mal wieder auferstehen könnte.

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Side-Projects = Hauptprojekt

Eine andere Form der Side-Projects ist die, die sich genauso (oder nur minimal anders) wie das Hauptprojekt anhört. Ob die Musiker nur die Schnauze voll von den Bandkollegen haben, nur die eine Soundschiene fahren können/wollen oder andere Gründe dafür verantwortlich sind, wollen wir mal nicht spekulieren. Dennoch würden wir behaupten, dass das Side Project The/Das unverkennlich nach der Hauptband Bodi Bill klingt, Thom Yorkes Atoms for Peace ebenso als Radiohead Kollabo-Album durchgehen würde und überall, wo Morrissey mitmischt, auch wenn es solo ist, man das auch hört.

Ist das Side-Project dem Hauptprojekt so ähnlich, ist das natürlich glücklich für alle Beteiligten gelaufen, Fans können zuhören, das Label kann es gut verkaufen, die Nachricht eines Side Projects macht die Runde. Aber auch wenn das der einfachste Fall ist, ist es irgendwo auch der einfallsloseste.

Side-Projects > Hauptprojekt

Die dritte Möglichkeit für ein Side-Project ist, dass es so gut ist, und dennoch anders als das Hauptprojekt, dass es genauso bekannt wie das Hauptprojekt wird—für manche Ohren sogar besser. Damon Albarn gehört mit seinen Gorillaz in diese Rubrik, mit denen er zwar nicht mehr Aufmerksamkeit als mit Blur erreichte, dafür aber eine ganze andere Art der Anerkennung und vor allem ein ganz anderes Publikum erreichte.

Darkside gehören ebenfalls in dieser Rubrik, genau wie Fever Ray, Tobacco, Jose Gonzalez oder Blood Orange. In das Größerzeichen in diesem Satz haben wir außerdem einen angekündigten Logikfehler eingebaut. Wir möchten nicht sagen, dass das Side-Project besser ist, nur dass es ähnlich viel Bekanntheit erlangt hat, wie das, für was diejenigen ursprünglich bekannt geworden sind.

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Nicolas Jaar wird glücklicherweise weiterhin (und ohne Darkside wahrscheinlich stärker) mit seinen Soloarbeiten die Höschen seiner Fans befeuchten, Dave Harrington wird wohl weiterhin in seiner Liveband spielen und andere Projekte verfolgen. Side Projects sind in jeder Form sinnvoll, ob nun bekannt oder nicht. Und wenn sie nur als Puffer für den Bandfrieden dienen, als Mülleimer für die vielen Nicht-Fan-kompatiblen Ideen oder als Ventil für den kreativen Fluss, es sei jedem gegönnt. Von Darkside (oder Cant oder Atoms for Peace oder Gorillaz) mag eventuell in fünf Jahren nochmal was kommen, solange müssen wir uns mit den Soloprojekten, Hauptprojekten oder anderen Side Projekten zufriedengeben, die—nach dieser logischen Rechnung—entweder besser, schlechter oder genauso sind. Das hängt von deinem Glück ab. Wie früher in Mathe.

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