Alle beschissenen Klingeltöne, die ich auf meinem ersten Nokia hatte

Viel zu lange waren das Ende der Neunziger bzw der Anfang der 00er Jahre wie gestern. Aber nach gut 15 Jahren fühlt es sich immer mehr so an, als würde man der Zeit mit Kopfhörern im Ohr gegenüber stehen. Die Erinnerung wird dumpf und verblasst – zum Glück. Denn die gedanklichen Trips in diese Zeit gleichen besonders für Menschen ab Mitte Zwanzig einem Trip in ein Verlies voller neonfarbener, Tattoo-Halsband tragender und heimlich rauchender (Tamagotchi)-Leichen. Nichtdestotrotz: Lasst uns doch kurz einen Moment inne halten und uns an all die Handys erinnern, die eine längere Akkulaufzeit als Madonna hatten. An die Handys, die noch besser funktioniert haben, nachdem sie hundert Mal auf den Boden gefallen sind. An Snake. An Klingeltöne. An die Zeiten, an denen ihr euch unter einem peinlichen Namen wie "Susibiene52" oder "Truthelm1990" bei sms.at angemeldet habt, weil ihr wusstet, dass euch irgendwann die verdammten zwanzig Euro Guthaben ausgehen werden. Damals hatten wir U-Boot-Accounts, haben uns potthässliche Beepworld-Seiten gebastelt und waren dem Glück nah wie noch nie, als Polyphone Klingeltöne das Licht der Welt erblickt haben. Hier die Ringtone List Of Shame der Noisey Redaktion:

Kein Mädchen kann mir erklären – und ich meine wirklich keines – das es nicht zumindest heimlich sein letztes Höschen für Leonardo DiCaprio gegeben hätte. Dank der wunderbaren Erfindung der polyphonen Klingeltöne, war man der Titanic-Expierence zumindest dann ein bisschen näher, wenn die Parentis angerufen haben, weil sie wissen wollen warum du noch immer nicht von der Schule heimgekommen bist, du Fratz.

Rücklblickend hatte man in der Schulzeit vor allem eines: Zeit. Diese Zeit hat man so oft man konnte vor allem vor einem Ort verbracht: dem Fernseher. Irgendwann wurde man zu alt für Confetti TV und Super RTL, was dazu führte, dass man sich Schundserien wie Reich und Schön, Marienhof aber auch Klassiker wie Knight Rider reingezogen hat. Weil man verschwiegen hat, dass man sich mit seiner Oma heimlich Seifenopern reinzieht, hat man sich von seiner reifen Seite gezeigt und hat sich mit diesem Klingelton in das Reich der coolen Kids geschummelt.

Wie man damals stimmbrüchigen Jungs imponiert hat? Indem man philosophische Gespräche über South Park und The Simpsons anzettelt und mal ganz nebenbei "Ruf mich mal auf meinem Handy an" in den Raum wirft. Eine Woche "miteinander gehen" war da schon drinnen.

Irgendwann haben Polyphone Klingeltöne den Real Music Klingeltönen weichen, was alles nur noch furchtbarer gemacht hat. Die Möglichkeiten, den Mitmenschen ordentlich auf die Nerven zu gehen, waren nahezu unbegrenzt. Die Pubertät war ja auch eine Art Mission Impossible – dass sie aber so impossible war, wurde mir erst Jahre später schmerzhaft in Erinnerung gerufen. Wie es der M ission: Impossible Klingelton auf mein Handy geschafft hat, ist mir nachwievor ein Rätsel. Schon damals hatte ich für Tom Cruise nichts anderes als tiefen, aufrichtigen Hass übrig. Wahrscheinlich war das so ein Mitläuferding.

Was wurde eigentlich aus Dido?

Zwei Wörter schießen mir hier sofort in den Kopf: Fucking Fuck. Einen ganzen Sommer lang kam man nicht um die Finnen Bomfunk MC´s herum – zumindest dort nicht, wo die "coolen" Kids abhingen. Das waren wahlweise Bushaltestellen, Freibäder, die Volleyballplätze an Seen und der Raucherhof. Und Menschen im Alter von 11 bis 15 sind meistens tendentiell dumm und ihre Hirne weich wie Kinderscheiße. Deshalb haben sie die ganze Busfahrt zur Schule ihren neuen, superen Klingelton vorgespielt.

Nachdem ich mir Disturbia im Kino angesehen habe, war ich anscheinend dermaßen von Shia LaBeoufs Klingelton inspiriert, dass ich ihn mir gleich selbst aufs Handy geschossen habe. Noch heute zucke ich zusammen wenn ich diesen Song irgendwo höre.

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