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Was hält ein professioneller Saxophonist eigentlich von all den Saxophon-Samples?

Wir haben einem professionellen Saxophonisten Songs von Robin Schulz, Klangkarussell und Klingande vorgespielt und ihn gefragt, wie er die Samples findet.
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Foto via Flickr | Sander van der Wel | CC BY-SA 2.0

Bereits voriges Jahr haben wir uns über die unaufhaltsame Welle an Elektro-Pop-Songs beschwert, die das edle Instrument Saxophon für ihre finsteren Zwecke (eine Unmenge an Geld verdienen) unter sich begraben hatte. Mittlerweile ist man dazu übergegangen, auch andere klassische Instrumente wie die Mundharmonika oder Trompete über ewig gleiche Beats zu legen. Allerdings erleichtert dies das Leben im Flutungsland in keinster Weise, sondern schüttet uns nur noch mehr lauwarmes Wasser in die Ohren.

Aber vielleicht sind wir ja der Fehler und Robin Schulz die Lösung? Sind wir nicht einfach zu ignorant und musikalisch ungebildet, um den Einsatz des Saxophons in aktueller Chart-Musik zu würdigen? Grauenhafte Vorstellung. Um den nagenden Zweifel bereits im Keim zu ersticken, haben wir bei einem professionellen Saxophonisten angerufen und ihn zu dem erzwungenen Lustspiel seiner goldenen Begleiterin befragt. Alexander von Hagke hat in München und New York Saxophon studiert, spielt in der Jazz Metal-Band Panzerballett und kann dem Saxophon-Trend nicht nur Negatives abgewinnen.

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Noisey: Wie war das für Sie, in so vielen populären Songs wieder ein Saxophon zu hören?
Alexander von Hagke: Ich fand es interessant. Ohne das jetzt künstlerisch zu werten. Aber es war ja so, dass das Saxophon in den achtziger Jahren eine Blüte hatte. In jedem Stück von Whitney Houston und Tina Turner war es Standard, ein Saxophonsolo gehörte dazu. In den Neunzigern und Zweitausendern war es dann komplett out. Und auf einmal ist es in einem komplett anderen Kontext wieder da. Die entsprechenden Stücke gehören nicht zu meinem privaten Hörgeschmack, aber es ist interessant, wenn so ein Instrument in einer Sparte auftaucht, in der man es nicht vermutet hätte.

Was ist für Sie das Charakteristische an dem Instrument?
Es ist besonders flexibel in der Klanggestaltung. Damit lassen sich sehr viele Emotionen ausdrücken und man kann sehr unterschiedliche Klänge von weich bis hart, von aggressiv bis zart darstellen. Es gibt ja auch Untersuchungen darüber, dass das Saxophon der menschlichen Stimme am nächsten kommt, was die Ausdrucksmöglichkeiten angeht. Deswegen war es im Jazz auch so erfolgreich und wird in bestimmten Poparten auch gerne eingesetzt. Weil es sowas Vokales hat.

Es ist schon auffällig, dass die Tracks alle so ein chilliges Feel-Good-Gefühl vermitteln. Passt da der warme Klang des Saxophons gut dazu?
Ich glaube, das ist genau der richtige Punkt, warum das so verwendet wird. Bei den Beispielen waren ja noch ein paar andere Samples mit dabei, wie akustische Gitarren. Das und der Gesang bestärken meine These, dass es darum geht, diese eigentlich harten Elektrosachen loungig, chillig, vielleicht auch menschlicher, wärmer zu gestalten, ein bisschen die Spannung rauszunehmen und dem eine Wohlfühl-Komponente zu geben.

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Können Sie einschätzen, ob Saxophonisten, die für Events wie Hochzeiten gebucht werden, durch diesen Trend einen Aufschwung erlebt haben?
Ja, dafür bin ich nah genug an der Szene dran. Das ist eindeutig so und hat verschiedene Faktoren. In den Neunzigern wurde für die typische Party-Band einer Hochzeit der Saxophonist nicht mehr gebucht. Das hatte musikalische Gründe, aber auch, weil es meben eine Person mehr war, die man nochmal extra bezahlen musste. Jetzt gibt es viele Engagements, wo ein Saxophonist live mit einem DJ spielt. Das ist, glaube ich, ein relativ großer Markt. Wenn man zurzeit in diesem Bereich arbeiten möchte, gibt es bestimmt viel Arbeit.

Okay, dann mal zum ersten Song: Robin Schulz mit „Sun Goes Down“.
Da gibt es eigentlich nur ein kleines Saxophon-Sample, dass auch klanglich mit irgendwelchen Effekten versehen wurde. Das ist nur ein Minibaustein in dem Stück. Es kommt zwar immer wieder vor und hat dadurch einen Wiedererkennungswert, aber ist eigentlich sehr einfach gehalten.

Gerade dieses Sample klingt arg abgehackt, als ob es eigentlich gar kein Saxophon, sondern ein simulierendes Keyboard ist.
Auf jeden Fall würde man das als Saxophonist so nicht spielen. Ich kann nicht mal genau sagen, ob das ein Sample ist und aus einem anderen Kontext so verändert und da irgendwie reingebastelt wurde, dass es unnatürlich klingt oder wie viel echtes Saxophon da überhaupt noch dabei ist (lacht). Wenn es ein Spieler eingespielt hätte… ein guter Spieler würde das so nicht machen. Auch so vom Timing… es ist nicht genau so auf dem Beat, wie man es spielen würde.

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Was sagen Sie allgemein zum Song?
Joah, es geht natürlich ins Ohr. Er hat die typischen Klischees, die man in diesem Genre erwartet. Aber er haut mich nicht vom Hocker.

Kommen wir zu Klingande. Wie finden Sie hier den Einsatz des Saxophons?
Das finde ich von allen Beispielen am interessantesten, weil das Saxophon da eine relativ zentrale Rolle hat. Bei dem vorigen Beispiel könnte man das Saxophon wegnehmen und durch etwas anderes ersetzen. Das würde den Song grundsätzlich nicht verändern. „Jubel“ wäre ohne das Saxophon ein anderes Stück. Es ist mit Sicherheit ein tatsächlich gespieltes Instrument, es klingt sehr natürlich. Interessant ist, dass es mittendrin immer wieder zwischen einem Tenor -und einem Alt-Saxophon wechselt. Für den normalen Zuhörer ist das wahrscheinlich kaum merkbar, aber das heißt, dass es von verschiedenen Spielern oder Sessions zusammengefügt wurde. Da hat sich der Produzent die Schnipsel vielleicht aus verschiedenen Stücken rausgesucht. Es klingt aber so schlüssig, dass es nicht stört. Wenn das aber eine Person spielen würde, könnte das nicht funktionieren. Als wenn ein Mann singt und plötzlich ist er eine Frau und dann wieder ein Mann.

Ist der zu hörende Part denn schwer zu spielen?
Das Klingande-Stück ist auf jeden Fall professionell gespielt. Die Melodien sind natürlich nicht wahnsinnig schwer, aber damit man das mit diesem Klang und der ganzen Phrasierung rüberbringen kann, muss man ein guter Saxophonist sein.

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Und wie ist das bei „Changes“?
Das Alt-Saxophon hat hier verschiedene Funktionen inne. Mal ist es Riff-artig und mal ist auch eine richtige solistische Improvisation dabei. Ich finde cool, dass es eher dumpf klingt und das Saxophon im Mix teilweise sehr weit hinten und dann plötzlich wieder vorne ist. Wenn ich jetzt mal unterstelle, dass das Absicht ist (lacht), dann werden dadurch die unterschiedlichen Wichtigkeiten im Stereobild hin -und hergeschoben. Um das Saxophon eben mal stärker und mal schwächer hervorzuheben.

Ist das ein Sample oder eingespielt?
Das ist eingespielt. Wobei man nie genau weiß, ob das für die Produktion eingespielt wurde oder für eine andere. Ich würde aber mal vermuten, dass das jemand extra für dieses Stück eingespielt hat.

Ist das bei Klangkarussell auch so?
Da ist es wieder vergleichbar mit „Sun Goes Down“. Hier haben wir auch eine sehr kurze Saxophonphrase, die auch klanglich stark verfremdet ist. Das könnte man auch mit einem Synthesizer machen. Es ist nur ein Klangeffekt, ein kleiner Baustein, der keine zentrale Rolle spielt.

Interessant, dass „Sun Goes Down“ und „Sonnentanz“ nach der komplett gleichen Formel funktionieren.
Ja, finde ich schon.

Bei aktuelleren Songs wie „Riva“ von Klingande oder BUNT.s „Harmonica“ wird gerne auch mal eine Mundharmonika benutzt, durch welche man eigentlich bei den beiden Saxophon-Songs das Saxophon ersetzen könnte und dadurch trotzdem den selben Effekt erzielen würde.
Ja, ganz genau. Da geht es einfach darum, dass man ein kleines Sample hat, was so ein bisschen diese Wohfühl-Natürlichkeit vermitteln soll. Bei Robin Schulz war auch die Gitarre mit drin. Man nimmt eben irgendein akustisches Instrument und fügt das ein bisschen ein. Das fand ich auch nicht berauschend, das war klanglich entweder stark verfremdet oder sonst irgendwie unecht.

Julius ist auch bei Twitter: @Bedtime_Paradox

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