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Warum lieben Japaner CDs so sehr?

In Japan sind CDs für 80% der Musikverkäufe verantwortlich, digitale Files machen nur 20% aus.

Foto: Flickr | m01229 | CC BY 2.0

Es gibt wohl kein Land auf der Welt, das Zukunft so sehr verkörpert wie Japan. Die Städte sehen aus wie Szenen aus Blade Runner, dort wurde Reality TV erfunden und die Bevölkerung bekommt die neuste Version irgendeiner technischen Spielerei, Monate bevor der Rest der Weltbevölkerung sie in den Händen halten darf. Sogar ihre Popmusik ist so durchgeknallt, dass Grimes im Vergleich klingt wie Ellie Goulding mit einem Nebenjob als Teletubby.

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Angesichts dieser Zukunftsgewandtheit ist es komisch, dass in diesem Land weiterhin eine solche Liebe für die schlichte Compact Disc gehegt wird—einem Format, das mittlerweile so veraltet ist, dass Teenager ihnen den gleichen befremdeten Blick zuwerfen wie einem Rechenschieber oder einer Mini-Disc. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass du eine CD als provisorische Gefängniswaffe oder als praktisches Werkzeug zum Hundescheiße aufsammeln verwendest, anstatt darauf Musik zu speichern—und das ist Fakt.

Die Zahlen sind beeindruckend: CDs machen sagenhafte 85% aller Albenverkäufe in Japan aus, im Vergleich dazu waren es 57,2% in den USA, 64% in Großbritannien und in Österreich waren es 2013 61%. Die ehemals renommierte Firma Tower Records, die 2006 alle ihre Filialen in Amerika schließen musste, erlebt in Japan gerade einen Boom und betreibt 86 Läden auf der ganzen Welt. Komischerweise gehen in Japan gleichzeitig die digitalen Verkäufe in den Keller. Der digitale Umsatz fiel von 1 Milliarde Dollar 2009 auf 400 Millionen Dollar im letzten Jahr. Streamingdienste wie Spotify und Konsorten sind dort kaum vorhanden.

Ein kürzlich in der New York Times erschienener Artikel zählt Dinge wie eine Kultur des Sammelns als mögliche Erklärung heran, während wirtschaftliche Faktoren—wie Preisdeckelungen und komplizierte Lizenzrechte—vielleicht auch ihren Teil dazu beigetragen haben. Wir sind trotzdem noch ziemlich ratlos, warum Japaner weiterhin so auf CDs abgehen, also haben wir uns mit Hiroshi Oyamada von Tokyos Tugboat Records über das Thema unterhalten. Tugboat Records ist das Label, das die Alben von Baths, Doldrums, The Drums und vielen anderen auf dem japanischen Markt veröffentlicht hat.

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Noisey: Hi Hiroshi. Was glaubst du, warum Japaner Musik am liebsten auf physischen Tonträgern besitzen?
Hiroshi: Ein Grund dafür ist, dass viele Songs und Alben immer noch nicht digital veröffentlicht worden sind. Die Menschen in Japan bevorzugen Dinge, die man sehen und berühren kann, Dinge, die auch im echten Leben existieren. Ich hörte zum Beispiel auch, dass Kreditkarten im Vergleich zu anderen Ländern in Japan nicht sehr verbreitet sind, da die Leute hier Zahlungsmittel bevorzugen, die man wirklich in der Hand halten kann. Es gibt hier sogar dieses Wort „Jake-gai“ (wörtlich übersetzt: „Hülle kaufen“). Dieser Ausdruck bedeutet, Produkte wie CDs, Schallplatten und Bücher nur wegen der hochwertigen Cover-Art und dem Design zu kaufen.

Warum sind die digitalen Musikverkäufe so eingebrochen und Streamingdienste wie Spotify so gut wie nicht existent?
Ich glaube, dass es ein Muster bei Hörern digitaler Musik gibt. Sie folgen den Pfaden, die von YouTube oder SoundCloud in die Webstores führen. Was das angeht, sind sie mit dem vorhandenen Angeboten wahrscheinlich schon zufriedengestellt und kommen gar nicht erst zu dem Punkt, an dem sie digitale Musik in den Webstores kaufen. Ich habe aber das Gefühl, dass Streaming hier langsam populärer wird.

Gibt es in Japan eine große Kultur des illegalen Runterladens?
Manche Leute hier laden illegal Musik runter, aber es ist nicht so beliebt oder wird so aktiv betrieben, als dass man es eine eigene Kultur nennen könnte. Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken.

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Im Westen ist Vinyl wahrscheinlich das einzige physische Format, das wieder zulegt. Hat Vinyl auch in Japan ein Revival erlebt?
Bislang nicht so sehr wie in den USA oder Europa, aber ich kenne ein paar Läden hier, die immer mehr Schallplatten verkaufen. Es gibt also Anzeichen für ein Revival, schätze ich. Über unser Label verkaufen wir allerdings kein Vinyl.

Wie hoch sind eure Verkaufszahlen für CDs im Vergleich zu digital?
CDs machen 80% unserer Verkäufe aus, das digitale Geschäft lediglich 20%.

Hast du das Gefühl, dass Japans Vorliebe für Musik in physischen Formaten—insbesondere der Compact Disc, die wir in Europa mittlerweile als veraltet sehen—der Liebe für zukunftsweisende Technologien widerspricht?
Ich würde nicht sagen, dass sich das widerspricht. Menschen lieben Praktisches und technologisch Fortschrittliches, aber manchmal baut man auch eine Verbundenheit zu etwas auf, das etwas Zeit und Geduld von einem verlangt—findest du nicht?

Natürlich. Danke für deine Zeit!

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