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Wie Rap rechtes Gedankengut unterstützt

Rap wird immer mehr zu einer Musikrichtung, an der sich rechte Anhänger bedienen.

MaKss Damage in seinem Video zu "Deutschland". Screenshot via Youtube.

Rap oder auch Sprechgesang ist mittlerweile eine der beliebtesten Musikrichtungen—kein Wunder bei der Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Money Boy fällt genauso unter diese Kategorie wie 2Pac, oder Heinz-Christian Strache. Im Gegensatz zu vielen anderen Musikrichtungen legt Rap seinen Fokus üblicherweise auf die Lyrics, die Sprache und den Inhalt des Textes. Natürlich auch auf die Beats, aber im Zentrum bleibt die Sprache. Keine Musikrichtung kann somit so gut für politische Propaganda verwendet werden wie Sprechgesang. Doch anstatt dass sich die linke Fraktion einer Musikrichtung, die aus den US-Ghettos kommt, bedient, nützt sie eher die rechte Fraktion. Und so wächst die rechte Rapszene und Zuhörerschaft stetig. Und wenn man nicht aufpasst, wächst unter dem Deckmantel "Kunst- und Meinungsfreiheit" eine Szene, die zwecks freundlichem Miteinander, nicht wachsen sollte.

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Politischer Rap

Letzte Woche veröffentlichte die deutsche Identitäre Bewegung Halle an der Saale ein Rap-Video names "Europa". Die Identitäre Bewegung Steiermark, sowie die generelle Seite der Identitären haben den Track auf ihrer Facebook-Seite geteilt. Seit dem HC-Rap und auch dem eher konservativ-angesiedelten Lugner und seinem Rap sind wir es ja gewohnt, dass Propaganda-Rap für Rechte von Rechten scheiße und trashig klingt—und maximal einen guten Lacher wert ist.

"Alle Werte so wie Ehre, Stolz und Identität sind herzlos entfernt und aus Geschichtsbüchern draußen." Die Kommentarfunktion ist ausgeschalten.

Doch "Europa" klingt gut. Zumindest OK. Komplott—der Rapper—klingt nicht nach Off-Beat und Volksschulreimen, sondern zumindest nach einem mittelklassigem Rap, der ohne Weiteres auf 16bars.de erscheinen könnte. Obwohl er erst eine Woche online ist, verzeichnet er fast 26.000 Views. Das macht den Track auch brisant, da es rechtes Gedankengut ungefährlich und sympathisch wirken lässt. Der Text selber bedient sich kaum an Rassismus—das würde zu viele, die mit dem Gedanken spielen der Gesinnung beizutreten, abschrecken—sondern konzentriert sich voll auf das Thema der Einigkeit, Kultur und Identität Europas. Stichwort: Ich bin Patriot, kein Rassist.

Warum sich die Identitären—genau wie die FPÖ oder auch der Lugner—an einer Musikrichtung bedienen, die ihren Ursprung in der afroamerikanischen Kultur hat, lässt sich nur vermuten. Der erste naheliegende Grund wäre: Sie können alle nicht singen. So zu rappen wie Heinz-Christian Strache ist eine Beleidigung für die Musikrichtung. Anhand dessen kann man sich aber ganz gut seinen Gesang vorstellen. Außerdem haben sie eh die hochkarätige John Otti Band.

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"Patrioten zur Wahl, bleiben wir frei und neutral" rappt die FPÖ für fast 750.000 Klicks.

Weiters wird Rap nach wie vor als eine Jugendmusikrichtung wahrgenommen. Wer gut rappt, der trägt seine Meinung vor und kann so emotional und politisch werden. Üblicherweise handelt Rap nicht von Dingen die der Rapper als gut und nicht verbesserungswürdig empfindet, sondern von Problemen. Das passt nicht nur gut zu jugendlichen Geistern, sondern auch zu der rechten Ideologie—die ja grundsätzlich einiges an Meinung hat und vieles verbesserungswürdig findet.

Trotzdem: Dass eine Musikrichtung hergenommen wird, die weltweit und auch im deutschsprachigem Raum hauptsächlich von Migranten und Personen mit Migrations-Backround produziert wird—sogar ihren Ursprung darin hat, auf Missstände und Rassismus hinzuweisen—erscheint doch ziemlich abgespacet.

Was es wiederrum zu einem hevorragendem Propaganda-Medium macht. Aber wir leben ja nicht mehr in der Zeit der Ursprünge—wie Rudi Wrany richtig festgestellt hat: Techno ist auch nicht mehr nur der Underground-Techno, mit seinem politischen Ursprungs-Geist, sondern eben mit zehntausenden Schattierungen, die mit dem Ursprung wenig am Hut haben. Die "jungen" Musikgenres erleben also das, was Rock circa 20 Jahre vorher durchgemacht hat. Mainstream zu werden, sich auszufransen, das Ursprungsgefühl nur als eine Unterkategorie anzubieten.

Patriotischer Rap

Und weil jetzt eben jeder über alles rappt—vom 19-jährigen Wiener über Pillen und so, über die FPÖ bis zur SPÖ—vergisst man einfach die Ursprungsidee von Rap. Nämlich zu protestieren, zu empowern. Rap ist jetzt auch süß, lieb oder einfach nur lustig. Aber es sind nicht die Identitären, die das Rechte in das Rapgame gebracht haben. Die Droogieboyz zeigen sich in ihren Videos manchmal mit Alte Garde-Shirts und Logos—betonen in Interviews aber stets, keine Rassisten zu sein. Alte Garde ist ein Fußball-Fanclub von Rapid, der von so manchen als eine rechte Hooligan-Gruppierung verstanden wird. Obwohl bei der Alten Garde sehr wohl auch linksextreme Mitglieder zu finden sind.

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Hinten steht “Wienna Hool Entertaiment". Hool bedeutet aber nicht gleich rechts, wie die Droogieboyz auch oft betonen. 700.000 haben “DBZ“ seit 2010 angesehen, die Kommentatoren haben erstaunlich oft die österreichische Flagge oder den Adler als Profilbild auf YouTube.

In Deutschland hatte Fler mit Rassismusvorwürfen zu kämpfen und mit seinem offenen Brief mehr Öl ins PR-Feuer gegossen. Fler bezeichnet sich selbst als Patrioten-Rapper—seine Kollegen Joe Rilla und Dissziplin auch. Flers “Stabiler Deutscher" haben über zwei Millionen User gesehen, Joe Rilla und seine Tracks haben zwischen 150.000 und 750.000 Views. Natürlich kann man von YouTube-Views nicht auf Fans ummünzen—bestes Beispiel dafür sind die Views beim HC- oder Lugner-Rap. Aber die sind auch lächerlich. Patrioten-Rapper machen qualitativ guten Rap und die Reichweite ist nicht zu unterschätzen. Ich habe hier nur ein paar Beispiele genannt, Patrioten-Rap ist ein nicht erfasstes Genre. Von Rassismus distanzieren sie sich aber alle. Dissziplin hat in einem Interview gesagt: “Wer mich für einen Nazi hält, hat nicht verstanden worum es mir geht.“

Einer der Kommentare zu "Stabiler Deutscher" von Fler.

Seit Neuestem spricht sich Bushido für die AfD aus. Faktor AUT, auch bekannt als Schwaboss, hat für den patriotischen Track “8 Milionen“ die Kommentarsektion auf YouTube ausgeschaltet. Keiner von den oben genannten hat rassistische Aspekte im Text, die Zuhörer zeigen aber zumindest auf YouTube rassistische Tendenzen. Das ist das Problem an patriotischen Texten—sie können für politische Zwecke und Bestätigungen von Privatpersonen leicht verwendet werden. Im deutschsprachigem Raum werden sie es auch meistens. Dieses Problem konnte ich—außer beim Metal oder Punk—in den anderen Musikrichtungen nicht feststellen—sie sind nicht so politisiert oder schlicht und einfach nicht so textlastig, um sich politisieren zu lassen.

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"Patriot sein ist ein Vollzeit-Job" rappen Faktor AUT und erreichen damit 125.000 Klicks. Auch hier ist die Kommentarsektion—im Gegensatz zu den anderen Tracks—ausgeschalten.

Faktor AUT hat ein Lied namens “Wir leben im Gemeindebau“—auch da finden sich kritische Kommentare. Und der Track deutet auch an, warum es Patriotismus im Rap überhaupt gibt. Einer der Ursprungszwecke: Brennpunkte in der Gesellschaft aufzeigen. Es sind, wie bereits erwähnt, anfangs Menschen aus US-Ghettos gewesen, die Rap etabliert haben. Auf diese Art haben sie auf ihre Probleme hingewiesen, die wenig Aufmerksamkeit bekommen haben. Sido aus seinem Block, Advanced Chemistry mit ihren Pässen—Rapper nehmen in der Regel ihre Lebenswelt samt ihren Auslegungen her und schreiben zumeist Texte dazu. Und politisieren somit automatisch.

Nicht gelöschte Kommentare zu “Wir leben im Gemeindebau" von Faktor AUT.

Und so wird Rap auch bis heute von Rappern benutzt: Als Spiegel der Gesellschaft, ein Querschnitt an Themen, der verschiedenen Lebenswelten und auch als Aufzeiger der persönlich-empfundenen Probleme und Themen. Die Gesellschaft ist in links und rechts gespaltet—das spüren wir deutlich in der Politik und zumindest in den sozialen Medien, wenn nicht sogar im Alltag. Erst unlängst hat hier die internationale Presse kampiert, um zuzusehen, wie der erste rechte Bundespräsident Österreichs angelobt wird. Wurde er dann um knapp über 30.000 Stimmen doch nicht.

Man darf nicht vergessen: Rap von einigen Migranten, oder Rappern mit Migrationshintergrund hat schon seit immer einen konservativen oder politischen Touch: Erst unlängst hat Alpa Gun in einem Track angedeutet, dass er Erdogan wählen würde. An der Spitze der verstorbene Deso Dogg—er war zuletzt groß in den Medien, weil er zum IS-Kämpfer wurde und in seinen Tracks zum heiligen Krieg aufgerufen hat.

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"'Ich stelle die These auf, dass es in keinem anderen Land des Westens eine Rap-Szene gibt, in der konservatives, nationalistisches, patriotisches oder rassistisches Gedankengut so stark im Untergrund und Mainstream verankert ist und von der Mitte der Gesellschaft gefeiert wird wie in Deutschland.' Kaveh macht das nicht nur an bekennend rechtsradikalen Rappern wie Makss Damage fest, sondern nennt Namen wie Fler, sido, Afrob, Harris, Bushido oder Liquit Walker."

Rap.de über den Rapper Kaveh der den Text “Politischer Rap in Deutschland – Ein Spiegel gesellschaftlicher Stimmungen; Der zunehmende Fremdenhass rechter Wutbürger aus der Mitte der Gesellschaft" geschrieben hat.

Rechtsextremer Rap

Konservative Bilder wurden im Rap schon immer transportiert—wenn auch nicht unbedingt anfangs aus heimischen Kulturkreisen. Mit MaKss Damage hat auch Deutschrap das Pendant zu Deso Dogg—seine Tracks handeln von Rassismus, die Videos auf Youtube haben Bilder auf denen “White Pride“ steht. “Der erste ernstzunehmende Neonazi-Rapper“ ist einer der zweifelhaften Titel, die er sich seit seiner EP Sturmzeichen verdient hat. Seit 2015 tritt er bei Neonazi-Veranstaltungen live auf. Wenn man auf der Sidebar herumsurft, sieht man schnell: Bock, Chris Ares und viele weitere Rapper haben sich dem rechtsextremen Rap verschrieben. Hier findet man von einem YouTube-User die Playlist namens "NS Rap" mit vielen anderen Künstlern. Die Rapper sind extremisiert und haben—im Gegensatz zu einigen Patrioten-Rappern—keinen nennenswerten kommerziellen Erfolg. Aber sie tragen dazu bei, gewisse Bilder zu verstärken. Fun Fact: Es gibt auch linksextreme Rapper. MaKss Damage war früher einer von ihnen.

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MaKss Damage hat mit seinem Track “Ich bin ein Rassist" hat fast 87.000 Views.

Muss man sich als Rapper also schnell von möglichen politischen Auslegungen distanzieren? “Bei österreichischem Dialekt-Rap eventuell, die Vamummtn haben schon auch patriotische Fans. Aber es ist ein kleiner Anteil“ antwortet mir Ansa von den Vamummtn. Auch ein Freund von mir, der mit mir die Liebe zu Rap teilt und hauptsächlich politischen Rap hört, sagt: “Es kann die Leute anziehen, aber das heißt nicht, dass es für sie gemacht ist. Die meisten können ja denken. Ich geh ja nach einem Ego-Shooter auch nicht Menschen umbringen. Gewisse Dinge nicht zu rappen, weil sie extremisiert werden könnten, ist das Gegenteil von dem, was Rap für mich bedeutet.“

Und auch ich erinnere mich an die Diskussion von vor zehn Jahren, Rap sei frauenfeindlich, er würde Geschlechterrollen verfestigen und reproduzieren. Und aus dem feministischen Blickwinkel ist es auch so—doch damals und auch jetzt argumentiert man damit, dass Überzeichnungen nun mal ein Stilmittel sind und künstlerische Meinungsfreiheit besonders im Rap wichtig ist. Für mich waren meine feministische Ader und sexistischer Rap nie ein Widerspruch.

Und da wir momentan mit einem Zuwachs an Rechtswählern haben im deutschsprachigem Raum—haben wir auch einen Zuwachs am rechten Rap und deren Hörern. Weil die meisten Rapper ihr persönliches Empfinden rappen, wie immer schon. Gefährlich ist auch nicht der Propganda- oder der rechtsextreme Rap. Propganda-Rap wird noch immer zum großen Teil als peinlich wahrgenommen, er wird nur dann gefährlich, wenn er mit Patrioten-Rappern zusammenarbeitet. Wie die Identitären mit Komplott. Der rechtsextreme Rap spricht Menschen an, die sowieso danach suchen und so denken und schreckt Menschen, die nicht ganz so extrem denken ab.

Gefährlich ist der Patrioten-Rap da er massentauglich ist, da er darin bestärkt, sein Land vor Gefahren zu schützen und weil seine Hörer auf Programmpunkte der rechten Parteien sensibilisiert. Er hat die größte Reichweite und auch wenn kein rassistischer Text verwendet wird oder Parteien im Text vorkommen, alle anderen Punkte die angesprochen werden, entsprechen einem rechts-konservativen Bild von Heimat, Sicherheit und Identität. Fler leistet mehr Propganda-Arbeit für die FPÖ, als die FPÖ mit ihren Rap-Stücken für sich.

Metal hat auch eine gewisse rechts/links Spaltung—aber auch eher als eine Randerscheinungen des Musikstils, die nicht vorherrschend ist. Darf Rap also patriotisch, rassistisch oder konservativ sein? Für meine Freunde und mich steht fest: Konservativ und patriotisch darf er sein. Rap soll weiterhin die Gesellschaft wiederspiegeln, wobei wir uns wohler fühlen würden, wenn er eine Randerscheinung bleibt. Rassismus, Holocaust-Leugnung und Gewaltaufrufe wiederrum, wie es NS-Rapper vorrappen, haben in der heutigen Gesellschaft, weder in den Köpfen, noch in der Musik etwas verloren.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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