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Rock Werchter, ich will dich

Vergangenes Wochenende ging in Belgien das Rock Werchter über drei Bühnen. Es war schöner als jede Designerdroge.

Alle Fotos von der im Delirium gewesenen Autorin.

Es ist Dienstag, 10:44 Uhr und mein Herz rast. Das tut es aus zwei Gründen. Der erste, schlimmere und ja, verwerflichere Grund ist, dass ich vier Tage konstant durchgesoffen habe. Der zweite ist, dass ich das auf einem Festival getan habe, in das ich mich verliebt habe. Dem Rock Werchter. Von letzten Donnerstag bis Sonntag Nacht haben sich Menschen getroffen, die unweit von Leuven in Flandern, auf einem der besten Festivals Europas, oder ach, scheiß drauf, der Welt waren. Und obwohl ich gerade im 30 Sekunden-Takt von meinen Herzrhythmusstörungen erschreckt werde, versuche ich euch einigermaßen nachvollziehbar davon zu erzählen. Da ich in einem Alter bin, in dem Camping nur mit einem Luxus-Campingwagen und einer Masseurin im Beiwagerl möglich ist, habe ich in Leuven aka Löwen aka Louvain zumindest ein paar Stunden der Nacht tatsächlich in einem Bett verbracht. In einem Hotel. Mit Dusche. Die Dusche war ein Licht am Geruchs-Horizont, weil es im Flugzeug nach ungewaschener Muschi gerochen hat, und ich vermutlich nach drei Tagen Festivalexzess ohne (Hotel-)Dusche nicht sehr viel anders gerochen hätte. Das Hotel und den Flug haben mir die großartigen Leute von der Tourismuswerbung Flandern bezahlt—nur um hier die journalistische Ethik aufrechtzuerhalten.

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Sogar der Twitter-Vogel hat hier Amore gefunden.

Wobei ich mir aber nicht vorstellen kann, dass es den Rock Wertcher´schen Duschen an Hygiene mangelt. Denn: Auf diesem Festival hat man es gewagt, sich dem 21.Jahrhundert anzupassen und hat die restlichen Container-Toiletten zurück an Toi Toi & Dixie geschickt. Und auch sonst ist es ein sauberer Ort, einer an dem Kunst eher an Vik Muniz erinnert, als an Dinge, von denen die MA48 lebt. Sauber—wie mein 11-jähriges Ich sagen würde—war auch das Line Up. Am Gelände, das mehr an einen Park als an eine für zum Beispiel Österreich typische Wüsten- oder Schlammlandschaft erinnert hat, befanden sich drei Bühnen. Die Main Stage, die als einzige Open Air-Bühne fungierte und auf der auch der Act spielte, der mich am meisten überrascht hat: Lenny Kravitz. Kein Witz.

Der Typ, der weiß, dass Bitches auf Outfits stehen, ist in der Abendsonne gestanden und hat ein Set gespielt, das schöner und brachialer war als jedes Sommergewitter. Bis zum Rock Werchter war mir nicht klar, dass ich in Kravitz einen Künstler unterschätzt habe. Bei „Fly Away“ wollte ich alles, nur nicht wegfliegen, sondern viel mehr Lenny und die schreienden, angesoffenen Menschen um mich im Moment einfrieren. Dafür war es aber zu heiß, wo wir auch schon beim nächsten Act sind, der eine der zwei überdachten und aufgrunddessen schweißtreibenden Bühnen bespielt hat: FKA Twigs. Dass die Bondage-Frau mit dem Märchengesicht ein Highlight war, ist aber nichts, was auch nur ansatzweise überraschen hätte können. Caribou, die gestern auch in der Arena gespielt haben, waren wie immer an sich großartig, aber der Sound wurde noch bei keinem der drei Konzerte, die ich seit ihrem Gig im B72 gesehen habe, besser. Was so schade ist, dass ich kotzen könnte.

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Hier haben sich Caribou, Jungle, Hot Chip oder FKA twigs die Stromkabel überreicht.

Das Rock Werchter war alles, nur nicht so, wie ich Festivals bisher erlebt habe. Ich möchte an dieser Stelle auch nichts gegen ein Frequency, ein UAF oder ein Nova Rock sagen, aber die großen österreichischen Festivals könnten einen Flug nach Belgien vertragen. Die Wartezeiten sind nicht mehr als ein flüchtiger Moment—indem man bei mehreren Ausgabestellen Tickets kaufen konnte, die gegen Essen und Bier (zu viel Bier) getauscht wurden, ging alles schnell über die Theke. Warum man dort dann doch vier Tage im goldenen Rausch-Himmel verbringt, liegt womöglich auch daran, dass ein Bier Euro 2,50—also den Wert eines Tickets—gekostet hat. Auch bei den besten und saubersten Toiletten, seit es Festivaltoiletten gibt, musste man nicht lange warten. Generell war alles sehr entschleunigt, ein in sich gekehrter Ausnahmezustand.

Ein tätowiertes Bein mit einem sehr „müden“ Menschen daran.

Conclusio: Solltet ihr nächstes Jahr die Möglichkeit haben, macht es, tut es, geht auf dieses Festival. Seid nur etwas kontrollierter, was euren Bierkonsum angeht. Denn wie bereits erwähnt ist mein Herz ein seit zwei Tagen aus dem Rhythmus gegangener Bass. Aber eben auch, weil auseinandergehen schon länger nicht mehr so schwer war. Rock Werchter, ich will dich und werde dich auch wieder wollen, du arger Ort.

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