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Thump

Die Organisatorin einer Berliner Sexparty gibt Ratschläge für angehende Orgien-DJs

"Freitags und Samstags haben wir erotische Partys, bei denen man auch tanzen kann – bei denen es aber auch zu Sex kommt."
JF
von J FL

Ein glatzköpfiger Typ um die 50 schaut mich entgeistert an. Wenn man bedenkt, dass er bis auf einen zierlichen Tanga und ein paar Sportschuhe ziemlich nackt ist, sind die Aufbewahrungsmöglichkeiten doch recht beschränkt. Vor diesem Problem stehen allerdings alle Besucher des „Kinky Gang Bang", einer jeden Donnerstagnachmittag stattfindenden Sexparty in Berlins berüchtigtem Insomnia Club. Bei dieser schon seit mehreren Jahren laufenden Veranstaltung wird Kleidung mit Taschen eher ungern gesehen. Hier treffen sich nackte, fickfröhliche Berliner und Berlinerinnen, um es zu musikalischer Untermalung vom frühen Nachmittag bis spät in die Nacht miteinander zu treiben. Zum Glück gibt es einen gesicherten Umkleideraum, der von einer freundlichen Mitarbeiterin und ihrem Hund Pepe überwacht wird.

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Es ist erst 15 Uhr, aber als ich die Treppen hinaufsteige und den Hauptraum betrete, herrscht in dem Saal schon ein geschäftiges Treiben. Etwa zwanzig Typen hängen dort rum und nippen an ihrem Flaschenbier. Sie sind aber noch zu schüchtern, um sich der Gruppe Frauen zu nähern, die in Unterwäsche auf einem riesigen Bett mitten auf der Tanzfläche abhängen.

Die Räumlichkeiten sind beeindruckend. Der Club ist in einem ehemaligen Ballhaus aus dem 19. Jahrhundert beheimatet. Die Decken sind hoch und das ganze Gebäude wurde sorgfältig für seine aktuelle Inkarnation als Berliner Sextempel restauriert. Eine gigantische Discokugel hängt niedrig im Saal. Auf dem großen Bildschirm, der den Raum überblickt, läuft ein Video, in dem sich eine Frau Ejakulat von ihren Lippen leckt. Der Text darunter informiert, dass es sich bei dem Streifen „DP Fanatics Volume 5" handelt.

Endlich nimmt ein Mann all seinen Mut zusammen. Er geht auf eine der Frauen zu. Schon bald entledigt sie sich ihres BHs und ihres Höschens und—um hier die gleichermaßen prüde und notgeile Sprache des Boulevardjournalismus zu bemühen—übt eine sexuelle Handlung an ihm aus. Jetzt hat die Party wirklich angefangen. Wenig später ist der ganze Raum nur noch eine einzige wallende Masse aus Körpern, die geradezu akrobatisch einander verschlingen. Nackte Frauen rauchen zwischendurch eine Zigarette und tanzen zu Snoop Dogg an der Pole-Dance-Stange. Damit wären wir auch schon bei der wichtigen Frage: Was für Musik spielt man bei einer Orgie? DJ-ing ist immerhin eine so vielseitige wie freie Kunstform, aber gibt es nicht doch bestimmte Regeln, die man befolgen sollte, wenn man musikalisch eine nachmittägliche Gruppensex-Session begleiten möchten?

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Um das herauszufinden, habe ich mich mit Dominique, der Gründerin und Betreiberin des Insomnia, unterhalten. Sie ist immerhin seit 1996 in der Berliner Clubszene aktiv. Nachdem ihr das KitKat, wo sie früher Veranstaltungen organisierte, zu Mainstream geworden war, gründete sie das Insomnia und stellt seit 2006 die Musik für Berlins energiegeladensten Gruppensex-Events zusammen. Auch wenn Dominique selbst kein DJ ist, weiß sie doch, bei und mit welchen Songs es gut zur Sache geht.

Noisey: Hi, Dominque! Das Insomnia befindet sich in einem beeindruckenden Gebäude.
Dominique: Es war komplett zerstört, als ich es vor zehn Jahren entdeckt habe. Die Decke kam runter und in den Wänden klafften große Löcher. Wir mussten eine Menge Geld ausgeben, um es zu renovieren und in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Es ist ein altes Ballhaus aus dem 19. Jahrhundert.

Es ist toll, wie viel hier heute Nachmittag los ist…
Es gibt keine unschuldigere Zeit für eine Sexparty als einen Donnerstagnachmittag! „Oh Schatz, ich bin gerade noch bei der Arbeit. Ich bin dann um sieben zum Abendessen zu Hause!“ Wir haben mit vielleicht zehn oder zwanzig Leuten angefangen, jetzt wird es richtig voll.

Ist es anders, bei einer Sexparty aufzulegen als bei einer normalen Party?
Ich bin selbst kein DJ. Ich bin die Besitzerin des Clubs und ich mache alles, was gemacht werden muss. Unter der Woche haben wir Sexpartys, bei denen die Musik mehr oder weniger im Hintergrund läuft. Freitags und Samstags haben wir erotische Partys, bei denen man auch tanzen kann—bei denen es aber auch zu Sex kommt. Das sind zwei sehr unterschiedliche Konzepte. Für die Sexpartys passt Techno auf jeden Fall am besten und HipHop ist auch ganz nett—du hast vorhin gesehen, wie der ganze Club im gleichen Rhythmus gefickt hat. HipHop ist auch super zum Ficken, weil wir dabei dann machen, worüber die in den Songs singen!

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Mir ist vorhin aufgefallen, dass du nachmittags Trance und Techno gespielt hast und später zu Rap gewechselt bist. Gibt es eine bestimmte Zeit für diesen Wechsel?
Nein, aber ich habe ein gutes Gespür für die Atmosphäre der Party. Als ich vorhin angefangen habe, war ein wenig die Luft raus. Das ist immer ein guter Grund, um andere Musik zu spielen. Und du hast es ja selbst gesehen: innerhalb von zehn Minuten war wieder Energie da. Die Musik ist das wichtigste Mittel für mich, um neue Energie reinzubringen.

Du beobachtest also die Leute und triffst deine Entscheidung dann an der Stimmung des Treibens—genau, wie ein normaler DJ die Stimmung auf der Tanzfläche im Auge behält?
Ja, genau!

Und bei den Partys am Wochenende läuft das dann anders, oder?
Ja. Freitags und Samstags haben wir andere Partys, bei denen der Fokus etwas mehr auf der Musik liegt. Da wäre zum Beispiel „Master and Servant", wo wir Depeche Mode spielen. Wir haben junge Mädchen, 18 oder 19, die dann sagen: „Wow, ihr habt eine Depeche Mode Party?"—die freuen sich total. Die Band klingt immer authentisch und modern, auch wenn die Musik schon 20 oder 30 Jahre auf dem Buckel hat. Wir haben auch eine Swingparty, bei der wir die ganze Nacht Musik aus den 20ern und 30ern spielen, und „Angel in Bondage" mit viel Darkwave, Gothic und Industrial.

Samstags läuft bei uns aber harter Techno, Trance, Electro und House—diese Musik ist wie ein fliegender Teppich, sie trägt dich mit den fließenden Übergängen durch die ganze Nacht.

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Schaust du dir jemals die Gäste an und denkst dir: „Die ficken in einem bestimmten Tempo, halten wir das mal!"?
Ja, man darf nichts zu Schnelles spielen, sonst kommen die Leute aus dem Rhythmus!

Gibt es Musik, die du nicht auf einer Sexparty spielen würdest?
Was nicht so gut funktioniert hat, war Goa und Psychedelic Trance. Da kommen nicht die richtigen Leute. Rock funktioniert auch nicht so gut, das ist nicht sexy genug. Wir haben es versucht, weil die Leute danach gefragt haben, aber es hat nicht hingehauen. Ziemlich schade eigentlich! Und Dubstep geht auch nicht. Ich mag die Musik, aber es ist unmöglich, eine erotische Stimmung damit zu erzeugen—für Auftritte auf der Bühne funktioniert es aber wieder. Und ich würde super gerne eine richtige HipHop-Party machen, aber das Publikum, das dann kommt, will nicht so wirklich umsetzen, worüber die Rapper singen!

Hast du das Gefühl, dass Berlin zunehmend konservativ wird?
Nein—ganz im Gegenteil! Du kannst überall rauchen, wo du willst. Solange du nicht in irgendeinen gehobenen Club gehst, kannst du auch so ziemlich überall ficken. Heteros, Transsexuelle und Homosexuelle sind weniger voneinander getrennt. Das ist auch eine der Besonderheiten an Berlin, dass hier alle zusammen feiern. Es wird zwar immer teurer, aber Berlin findet immer Möglichkeiten und Gegenden, wo es wieder billiger ist. Und was auch nett ist, ist dass hier alle den gleichen Wert haben—egal, ob reich oder arm. Es gibt hier keinen Bottle Service, wie zum Beispiel in München oder so. Berlin ist Underground. Es ist dreckig, rau und arm, aber es ist auch sexy.

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Ich bedanke mich bei Dominique für ihre Zeit und drehe eine letzte Runde im Club, wo ich einen rundlichen Bayern mit einer Boris-Johnson-Gedächtnisfrisur sehe, der sichtlich Spaß mit zwei schwarzhaarigen Goth-Mädels hat. Es ist Zeit, mich zu entschuldigen und den Laden zu verlassen. Ich gehe aber nicht ohne die erfreuliche Erkenntnis, dass es in Berlin noch immer Partys gibt, bei denen man nicht bis zum Wochenende—oder überhaupt Abends—warten muss, um es mit wildfremden Menschen auf der Tanzfläche zu treiben.

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