„Rammstein werden in der rechten Szene sehr geschätzt“—Regisseur Dietmar Post über rechte Musik 2016

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Interview

„Rammstein werden in der rechten Szene sehr geschätzt“—Regisseur Dietmar Post über rechte Musik 2016

Dietmar Post hat die Doku ‚Deutsche Pop Zustände‘ gedreht. Wir haben ihn gefragt, warum er mit Neo-Nazis reden möchte und ob HipHop der neue Rechtsrock wird.

Alle Bilder sind Screenshots aus „Deutsche Pop Zustände" außer * mit freundlicher Genehmigung von PlayLoud!

Als Neo-Nazi-Rapper MaKss Damage kürzlich bei KissFM kritiklos interviewt wurde, erlebte der Berliner Radiosender einen verdienten Shitstorm. Die klare Botschaft: So jemandem darf keine Plattform gegeben werden, ohne seine Aussagen kritisch zu hinterfragen. Der Rapper selbst feierte seinen erfolgreichen Auftritt in der Öffentlichkeit und wurde von seinen Fans gelobt. Denn rechte Musik findet sonst nur auf Gratis-CDs auf Schulhöfen, in Jugendzimmern und auf heimlich organisierten Konzerten statt, nicht auf einem Radiosender. Aber ist unser geliebter Mainstream-Pop wirklich frei von eben den Themen, die auch einen MaKss Damage beschäftigen?

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Dieser Thematik ist der Dokumentarfilmer Dietmar Post nachgegangen, als er gemeinsam mit seiner Frau Lucía Palacios die Dokumentation Deutsche Pop Zustände drehte. Die beiden Regisseure erzählen eine chronologische Geschichte von rechtem Gedankengut in deutscher Musik. Dabei scheuen sie sich nicht, völkische oder nationalistische Ideen vom militanten Rechtsrock der Achtziger bis in den heutigen Mainstream zu verfolgen.

Neben Sozailarbeitern, Autoren und Wissenschaftlern, werden zum Beispiel die antifaschistischen Rapper Sookee oder Chaoze befragt, aber eben auch der rechte Liedermacher Frank Rennicke und Philipp Burger, Sänger der umstrittenen Band Frei.Wild. Ich habe Dietmar Post in den Büros seiner Produktionsfirma PlayLoud! in Berlin Friedrichshain besucht, um ihn über die politische Situation, so ziemlich die gesamte Musikgeschichte des vergangenen Jahrhunderts und die ewige Frage nach dem Plattform geben auszufragen.

* Palacios (l.) und Post (r.) mit Dave Day von den Monks

Noisey: In der Dokumentation Deutsche Pop Zustände schlagt ihr die Brücke zwischen dem Rechtsrock der Achtziger zur heutigen Popmusik. Würdest du sagen, dass heute mehr rechtes Gedankengut in der Popmusik zu finden ist als in den Achtziger Jahren?
Dietmar Post: Gesellschaftlich gesehen gab es laut verschiedenen Studien immer schon rechtes Gedankengut. Wenn man frühe Popmusik oder den Beginn der Popmusik mit dem Aufkommen von Rock'n'Roll in den fünfziger Jahren gleichsetzt, dann wirkt dieser in der Retrospektive ein bisschen unpolitisch—​was aber nicht heißt, dass Pop unpolitisch war. Sondern er war von Anfang an massiv beeinflusst von gesellschaftlichen Veränderungen. So ein Genre wie Soul ist undenkbar ohne die Bürgerrechtsbewegung. Auch so Labels wie Motown oder Stax mögen sich zwischendurch als unpolitisch bezeichnet haben, aber das waren sie natürlich nicht.

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Bob Dylan bekommt den Nobel-Preis und das hat viel damit zu tun, dass er in seinen ersten Jahren, also '62 bis '66, bevor er dann elektrische Musik gemacht hat, der Bürgerrechtsbewegung nahe stand. Bei dem Marsch auf Washington singt er zusammen mit Joan Baez „Blowing In The Wind", einen ganzen süßlichen Popsong, der eine besondere Kraft entwickelte und sehr politisch war. Dieser Freiheitsgedanke, dieses Emanzipatorische findet sein Ende spannenderweise mit Punk. Punk war ja auch ein Abgesang auf die vorherige Generation, bei denen man das Gefühl hatte, die hätten die Revolution, die sie eigentlich anzetteln wollten, verkauft. Man kritisiert die eigene Jugendbewegung, die 20 Jahre gut funktioniert hatte. Ein einschneidendes Ereignis ist zum Beispiel ein Konzert 1976 in London von Eric Clapton. Da hat er eine längere Rede gehalten, die durchaus Inhalte der National Front hatte. „Ausländer raus!", war im Prinzip seine These. Gleichzeitig hatte er im selben Jahr mit einem Stück von Bob Marley, „I Shot The Sheriff", einen Riesenhit und spielte Blues. Da stellte sich die Frage, wie man mit solchen Widersprüchen umgeht.

Ein weiterer Wendepunkt war sicher 1992, wo dann in Deutschland der Artikel von Diedrich Diedrichsen in der Spex erschienen ist, nachdem er gesehen hat wie in Mölln, Heuerswerda und Rostock Jugendliche Malcolm X-Kappen trugen und gleichzeitig die Unterkünfte der Flüchtlinge anzündeten. Er schreibt da nicht umsonst „The Kids Are Not Alright". Spannenderweise nennen Leute auch in Großbritannien dieses Jahr als einen Zeitpunkt, an dem die Dinge sich verändern.

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1993 erscheint auch „Fremd im eigenen Land", was im Film erwähnt wird. Advanced Chemistry sind sicherlich heute bekannter als sie damals erfolgreich waren, aber es ist ja schon bemerkenswert, dass einer der ersten großen deutschen HipHop-Tracks ein so politischer war.
Genau, und in dem Zusammenhang ist es eben interessant, dass sowohl im HipHop als auch in anderen musikalischen Genres der Mainstream sehr unpolitisch ist. Ausnahmen zeigen wir natürlich auch.

Schwingt da auch ein gewisser Vorwurf mit? Im Zusammenhang mit Rammstein wünscht sich ja jemand im Film eine klarere politische Positionierung.
Ich fände es vermessen zu sagen, dass nur weil jemand unpolitische Musik macht, diese Person auch unpolitisch ist. Gibt es überhaupt unpolitische Musik? Meiner Meinung ist alles, was man als Künstler macht—ob das banal ist, ob das tiefgründig ist—ein Statement. Es hat immer etwas damit zu tun, was in der Gesellschaft gerade passiert. Es kann eine Flucht sein, es kann auch wie bei Advanced Chemistry auf Missstände in der Gesellschaft hinweisen. Aber von Künstlern zu verlangen, politische Texte zu machen? Gott bewahre. Das fände ich auch schlimm. Popmusik darf auch anders daherkommen.

Ihr habt in eurem Film nicht nur Kritiker rechter Musik dabei gehabt. Da waren zum Beispiel den Liedermacher Frank Rennicke oder Frei.Wild-Sänger Philipp Burger. War das der Anspruch: zu versuchen, keine Wertung mit reinzubringen?
Ja. Wir haben von vornherein versucht, mit allen ins Gespräch zu kommen. Wir haben auch versucht, mit Lunikoff aka Michael Regener, dem Sänger von Landser, also einer explizit rechten Band, die niemals im Mainstream stattfinden könnte, bewusst im Untergrund geblieben sind und ihre Platten illegal in Skandinavien oder den USA haben pressen lassen, in Kontakt zu kommen. Das hat dann leider nicht geklappt, der wollte das nicht. Wir haben auch versucht, mit Rammstein, Bushido, Fler, Naidoo, Onkelz und allen anderen in Kontakt zu kommen, aber alle haben das abgelehnt. Es war schon unser Anspruch, auch mit diesen Leuten aus dem Mainstream über bestimmte Texte oder auch Musikvideos—gerade bei Rammstein ist das ja eher eine ästhetische Aussage, als eine textliche—zu sprechen. Dem haben die sich verweigert und gerade deshalb war es gut, dass sich Frank Rennicke und Philipp Burger, die ja auch zwei extrem verschiedene Figuren sind, bereit erklärt hatten, Rede und Antwort zu stehen. Weil wir ja für einige dieser Leute die Lügenpresse sind.

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Wie wichtig war der deutsche, heutige Kontext für die Entstehung des Films?
Also der Film ist ja schon fast ein Jahr draußen und ein Film braucht auch ungefähr ein Jahr zur Entstehung. Wir haben von Anfang an versucht, einfach ein chronologisches Bild zu zeichnen. Was uns dann am Schneidetisch ins Auge gesprungen ist, ist, dass die Situation 1991/ 92/ 93 der heutigen sehr ähnelt. Und dass damals viele Fehler gemacht wurden, die sich zu wiederholen scheinen. Die Diskussion hat sich ähnlich polarisiert. Die Aktualität gibt dem Film fast schon Recht. Das Lied von Frei.Wild zum Beispiel, „Wahre Werte", ist glaube ich von 2010. 2010 schreiben die mit „Wahre Werte" den Soundtrack des völkischen Gedanken. Erst vor ein paar Wochen hat Frauke Petry in einem Interview versucht, das wieder hoffähig zu machen. Das scheint mir doch interessant zu sein, dass plötzlich auch im Mainstream und in Talkshows wieder über diese Begriffe diskutiert werden muss. Der Titel „Deutsche Pop Zustände" beruft sich ja auf diese groß angelegte Studie „Deutsche Zustände" unter der Federführung von Wilhelm Heitmeyer von 2012, in der sie festgestellt haben, dass menschenfeindliches Gedankengut sehr stark in der Mitte der Gesellschaft vorhanden ist. Das zeigen auch die Songtexte im Film.

Es gab ja kürzlich diese Geschichte um dieses Radiointerview mit MaKss Damage bei KissFM. Hast du das Gefühl, dass es der Gesellschaft schwer fällt, mit dem Thema rechte Musik umzugehen?
Ich hab die Sendung nicht gehört und habe mitbekommen, dass der Intendant sich danach geäußert hat und es eine zweite Sendung mit Kritik gab. Es kann natürlich nicht sein kann, dass ein Sender so jemanden einfach so reden lässt und so tut, als wäre das ein normaler Musiker. Er gehört ja in die Kategorie Landser, sagt selber ganz unverhohlen, dass er ein Nazi ist. Wenn der eingeladen wird, muss da natürlich drüber geredet werden, was er von sich gibt. Grundsätzlich ist es aber mein Standpunkt, auch solche Leute einzuladen und mit ihnen zu reden, grundsätzlich redet man als Dokumentarfilmer mit jedem. Wir versuchen immer Menschen als Menschen und nicht als Dämonen anzusehen. Die Dämonisierung führt oft dazu, dass wir glauben, diese Menschen stammten nicht aus unserer Mitte, Nachbarschaft oder sogar der eigenen Familie. Als Hannah Arendt nach dem Eichmann-Prozess Herrn Eichmann nicht als Monster sondern als „normalen" Menschen bezeichnete, gab es einen Aufschrei.

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Im Film gibt es ja diese Mutmaßung, dass von zehn Schulkindern mindestens einer früher Landser kannte. Heute kennen vielleicht wieder mehr Leute MaKss Damage, aber diese explizit rechte Musik will ja gar nicht so richtig in den Mainstream vordringen. Trotzdem sieht man doch an Bands wie Frei.Wild, dass rechtes Gedankengut mehr in den Mainstream einsickert? Das Wort einsickern mögen sie ja nicht….
Einsickern mag ich nicht, aber das ist eine gute Frage – vielleicht die entscheidende Frage. (holt eine Zeitschrift aus dem Regal)

„Es geht um Camouflage. Die Camouflage ist Teil der Taktik. 1973 erschien in einer argentinischen Zeitschrift, die der ehemalige Adjutant des Reichspropagandaministers Josef Goebbels herausgab, diese in ihrer Klarheit völlig unzweideutige Überlegung: ‚Wir müssen unsere Aussagen so gestalten, dass sie nicht mehr ins Klischee des Ewiggestrigen passen. Eine Werbeagentur muss sich auch nach dem Geschmack des Publikums richten und nicht nach dem eigenen. Wenn gerade kariert Mode ist, darf man kein Produkt mit Pünktchen anpreisen. Der Sinn unserer Aussagen muss freilich der gleiche sein. Hier sind Zugeständnisse an die Mode zwecklos. In der Fremdarbeiterfrage erntet man mit der Argumentation, ‚die sollen doch heimgehen' nur verständnisloses Grinsen, aber welche Linke würde nicht zustimmen, wenn man fordert, dem Großkapital muss verboten werden, nur um des Betriebs Willen ganze Völkergruppen in Osteuropa zu verschieben. Der Mensch soll nicht zur Arbeit, sondern die Arbeit zum Menschen geschafft werden. Der Sinn bleibt der Gleiche: Fremdarbeiter Raus. Die Reaktion der Zuhörer aber wird grundverschieden sein.'"

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Da steckt durchaus auch Strategie dahinter. Natürlich gibt es auch immer Leute, die solche Ansichten auf ein Bauchgefühl schieben, aber nichts kommt von nichts. Man liest bestimmte Bücher, bestimmte Artikel, bewegt sich in einer bestimmten Szene. Auf Philipp Burger trifft das genauso zu. Der kann sich noch ewig davon distanzieren, dass er mal Nazi war. Er ist auch kein Nazi mehr, das will auch keiner behaupten. Aber er hat sich eben als Kaiserjäger in dieser Szene bewegt und die Textanalyse der neuen Frei.Wild-Stücke bleibt für mich interessant. Natürlich sind die häufig banal und nicht der Rede wert. Aber es gibt inhaltlich einige Stücke, die nicht nur anschlussfähig sind, sondern … „Wahre Werte" ist für mich das beste Beispiel. Das ist völkisch. Das ist ein exklusives Menschenbild: Wer hier nicht leben will, soll weg. Da geht es nicht um ein „Staatsvolk", sondern um ein „Blutsvolk", das angeblich in der 1200-jährigen Geschichte des Landes gewachsen ist. Das ist natürlich völlig so abwegig wie diese ganzen Ideen von Rasse oder Blut. Egal, wie die sich positionieren, es gibt eine Überschneidung und auch wenn man mit Leuten aus dem rechtsextremen Umfeld redet, dann finden die diese Gruppen gut. Und da hat auch so eine Gruppe wie Rammstein ein Problem, denn die werden in der rechten Szene sehr geschätzt. Und ich finde schon, dass eine Band sich diese Fragen stellen muss: Warum habe ich so viele Fans aus dem rechten Umfeld? Will ich das?

Siehst du Parallelen zwischen der Aneignung von Punk-Ästhetik durch rechte Ideologien, wie es in den Achtzigern beim Punk passiert ist, und der Aneignung von HipHop durch Künstler wie DeeEx und MaKss Damage? Läuft HipHop Rock den Rang als Soundtrack für rechte Ideologien ab?
Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Da müsste man sich jetzt den HipHop mal ganz genau anschauen. Dass es hier homophobe, sexistische und antisemitische Kommentare gibt, wissen wir ja schon seit den achtziger Jahren. Ich glaube MaKss Damage ist ein Minderheitenphänomen. Der kopiert noch nicht einmal geschickt, sondern 1:1 so jemanden wie Skrewdriver. Die dachten sich schon 1983, Rockmusik sei der beste Weg, Leuten den Nationalsozialismus nahezubringen. Da muss man jetzt erstmal die Augen aufsperren, aufpassen so wie das zum Beispiel hier in dieser Broschüre „Deutschrap den Deutschen" stattfindet. Frank Rennicke spekuliert im Film ja auch, dass Xavier Naidoo und MaKss Damage eine super Kombination wären. Das ist aber hoffentlich nicht die Zukunft von HipHop in Deutschland. Dafür gibt es zu viele gute Leute.

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Post ist kein Fan von YouTube, deswegen kann man Deutsche Pop Zustände exklusiv über PlayLoud! streamen oder in einigen ausgewählten Kinos anschauen. Termine gibt es hier.

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