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Interviews

Skor erklärt, wieso Skor nicht mehr wie Skor klingt

Wir konfrontieren Skor mit Thesen zum "Andersseinwollen" und der ungewohnt poppigen Musik auf seiner neuen Platte 'Gang'.
Fotos: Sebastian Schaub | Pressebild

Skors neues Album klingt anders. Anders als erwartet, anders als seine bisherige Diskographie und anders als sonst Rapper aus der Schweiz klingen. Wenn man sich Gang in voller Länge durchhört, stellt man fest, dass da jemand neue Wege begehen, Experimente wagen und sich selbst neu erfinden wollte. Über dem ganzen Album schwebt die Maxime des "Andersseinwollens", die sich durch das komplette Album durchzieht. Skor versucht sich an ganz neuen Reimschemen, wenn er über unkonventionelle Rhythmen rappt, wagt sich an neue Genres heran und zeigt sich von einer lebensbejahenderen, lustigeren und postiveren Art, als er es auf dem Vorgänger Und Nachteil tat.

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Wir haben das Aushängeschild der Zürcher Langstrasse in seinem Revier getroffen und ihn mit zwei Thesen betreffend dem "Andersseinwollen" und seiner ungewohnt poppigen Musik konfrontiert.

Noisey: Du wolltest auf diesem Album in erster Linie einfach anders alle anderen sein.
Skor: Diese These trifft voll und ganz zu. Aber ich muss diese These noch um etwas ergänzen: Ich mache als Künstler nicht gerne zweimal dasselbe. Ich wollte also nicht nur anders sein als alle anderen, sondern auch anders als der Skor oder die Skors vor diesem Album. Ich mag keine Künstler, die immer dasselbe machen. Ich will experimentieren, mich einschliessen, ausbrechen und vor allem will ich nicht das machen, was man von mir erwarten würde. Es gibt ja diese erfolgreiche Skor-Formel, die ich wieder benutzen könnte, aber darauf habe ich keinen Bock. Ich wollte neues ausprobieren und mutig sein. Das bedingte auch, dass ich mich selbst ermutigen musste, etwas zu wagen und mich auf Terrain zu begeben, das mir nicht so geläufig war. Ausserdem bin ich in einem Alter, oder auch in einer Position, in der ich ein bisschen machen kann, was ich will. Mir war es früher viel wichtiger, anderen zu gefallen. Das ist inzwischen anders und hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich mich zu den grossen Themen wie Liebe, Tod, Sex, Heimat und so weiter schon desöfteren geäussert und positioniert habe. Dabei war ich oft schwermütig und melancholisch. Aber mein Wesen ist nicht nur melancholisch. Ich habe ganz andere Seiten, die auf dem letzten Album unterrepräsentiert waren. Ich kann kindisch, lustig, wütend oder manchmal ein wenig narzisstisch sein. Ich fühlte mich ready, diesen Seiten meiner Persönlichkeit mehr Platz zu geben. Und darum ist das Album anders geworden.

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Der kritische Unterton dieser ersten These bezieht sich auf ein zwanghaftes "Andersseinwollen". An manchen Stellen, vor allem bei den ersten zwei Videoauskopplungen, hatte ich den Eindruck, es geht in erster Linie um dieses Anderssein. Überspitzt gesagt: Qualität ist zweitrangig, Hauptsache anders – ein dem Zeitgeist entsprechender Individualismus, der über allem steht.
Naja, diesen Unterton muss ich verneinen. Wir haben das nicht gesucht. Ich habe für dieses Album hauptsächlich mit Marton Di Katz und Domi Chansorn gearbeitet und es gab zu keinem Zeitpunkt diesen Anspruch, anders sein zu müssen. Ich bin auf die beiden zugegangen und habe ihnen gesagt, dass ich für dieses Album drei Vorgaben habe: Erstens sollte das Ganze für Aufbruch stehen, zweitens sollte es sehr modern klingen und drittens sollte es sehr livetauglich sein. Ich glaube, die Symbiose dieser Vorgaben haben ganz natürlich dazu geführt, dass das Album halt wirklich einfach anders geworden ist als all das, was man von mir gewohnt ist. Ausserdem war es eine bewusste und überlegte Entscheidung, dieses Mal auch Domi Chansorn ins Team reinzuholen. Er ist ein begnadeter Multiinstrumentalist, der am Drum am stärksten ist. Domi dabei zu haben, war insofern wichtig, weil ich auch in Sachen Rhythmik neues ausprobieren und aus vorgegebenen Mustern ausbrechen wollte.

Hatten dich diese Muster, aber auch die Erwartungen nach dem letzten Album, unter Druck gesetzt?
Ja. Am Anfang dieser Produktion lief es echt harzig. Ich brachte keine Zeile aufs Papier und merkte, dass ich an meine eigenen Sachen viel zu verkrampft herangehe. Wenn ich etwas als Gast für andere Produktionen schreiben sollte, ging das problemlos. Kaum setzte ich mich hin, um an meinem eigenen Album zu arbeiten, ging nichts mehr. Ich merkte dann ziemlich schnell, dass das nur an meinen Erwartungen und meiner inneren Haltung lag. Nachdem ich mir genau das eingestanden hatte und gemerkt habe, dass ich mich gehen lassen muss, lief es wie von Zauberhand wieder. Um also abschliessend zu deiner These Stellung zu nehmen: Es gab nie die Maxime, anders sein zu müssen. Das Album und die Songs, so wie sie jetzt sind, sind Ergebnis eines Prozesses, der zwar Vorgaben hatte, aber weder konstruiert, noch erzwungen ist.

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OK, lass uns die zweite These in den Raum stellen: In der Schweiz ist es nicht möglich, von Rapmusik zu leben. Du willst aber von der Musik leben, und gehst nun
weitgehend Kompromisse ein, um dieses Ziel zu erreichen.
Ich hatte zu keinem Zeitpunkt in meinen Leben den Anspruch, von Musik leben zu wollen. Ich gehe das von einem anderen Blickwinkel an: Ich glaube, jeder Mensch sollte einen grossen Teil seiner Zeit damit verbringen dürfen, zu tun, was er am besten und liebsten kann. Die Schweiz ist ein Land, in dem es allgemein sehr schwierig ist, von der Musik zu leben. Mit einem Nischengenre wie Mundartrap ist es noch einmal schwieriger, aber auch hier gibt es Leute, die das hinkriegen. Ausserdem spielt es eine tragende Rolle, was man meint, wenn man "davon leben" sagt. Wenn ich meine Fixkosten auf ein sehr niedriges Level schrauben würde, könnte auch ich allein von der Musik leben. Aber seien wir ehrlich: Ein durchschnittliches Schweizer Einkommen rein durch Musik zu erwirtschaften, ist eher schwierig. Und es gibt nur wenige, die das schaffen. Die Schweiz hat 8 Millionen Einwohner und 4.5 Millionen davon sprechen Schweizerdeutsch. Der Markt ist also limitiert. Wenn man dann nur Musik für "coole und urbane Menschen" machen will, muss man kein Mathegenie sein, um festzustellen, dass nur wenige Ausnahmen phasenweise davon leben können. Ich finde es nicht verwerflich, wenn man sich dazu entscheidet, Hörer ausserhalb dieses Spektrums anzusprechen. Ausserdem ist Popmusik nicht per se etwas Schlechtes. Ich liebe Popmusik.

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Und genau dafür hast dich nun entschieden?
Ich finanziere mein Leben nicht nur alleine durch die Musik. Ich habe mir in den letzten Jahren um die Figur Skor verschiedene Standbeine aufgebaut, die mir mein Leben finanzieren. Ausgangspunkt ist immer der Brand namens Skor und der Rapper ist ein Teil dieses wirtschaftlichen Konstrukts. Ausserdem ist HipHop an sich doch nicht mehr irgendeine subversive Untergrund-Bewegung, es ist ein Multimillionen-Business und in allen Belangen total im Mainstream angekommen. Deswegen ist diese Diskussion für mich irrelevant. Ich meine: Ich muss mich als Rapper doch gar niemandem anpassen, sondern der Mainstream hat sich schon längst uns angepasst. Ich glaube, es ist eine Fehleinschätzung, zu glauben, dass erfolgreiche Acts sich für den Erfolg verbiegen lassen. Sie machen einfach das, was ihnen gefällt und es kommt auch bei einer grossen Masse gut an. Ich sehe daran echt nichts Schlimmes.

Du würdest diese zweite These also verneinen?
Ich glaube, diese These ist eher falsch. Und auf mich bezogen stimmt sie nicht. Ich bin keine Kompromisse eingegangen, damit sich mein Album besser verkauft. Natürlich gibt es Logiken des Marktes: Du brauchst eine Radiosingle, die gespielt wird, damit du zumindest das Geld einspielst, das in dich investiert wurde.

Ich glaube, du redest dir das alles schön. Wenn ich mir deine zwei ersten Singles anhöre, reihst du dich als nächster in die Soundästhetik von Mundartkünstlern ein, die superclean daherkommen, denen es an Ecken und Kanten fehlt und deren Sound ich in einem Wort zusammengefasst als "Wohlfühloase" bezeichne.
Da hast du wahrscheinlich gar nicht mal so unrecht. Aber ich würde nicht von zwei Singles auf ein ganzes Album schliessen. Wie gesagt, auch wir Mundartkünstler sind angewiesen auf die Radioplays und um im Radio gespielt zu werden, musst du halt dann doch gewisse Kriterien erfüllen. Diese Industrie hat halt auch ihre Spielregeln. Das ist und bleibt nicht von der Hand zu weisen. Aber hinter diesen Singles steht ein ganzes Album, ein ganzer Künstler mit einer History und einer Diskographie, die mehr zu bieten haben. Also gut: Deine These mag zu Teilen stimmen. Aber man sollte das nicht alles nur so schwarz-weiss sehen und diesbezüglich auch locker sein.



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