"Pro Stunde haben wir 240 Euro für die Polizei ausgegeben" – Ein Interview mit den Machern vom Tanz durch den Tag-Festival

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"Pro Stunde haben wir 240 Euro für die Polizei ausgegeben" – Ein Interview mit den Machern vom Tanz durch den Tag-Festival

Tanz durch den Tag hat letztes Jahr pausiert, um 2017 mit voller Kraft zurückzukehren. Die braucht man auch für die österreichische Bürokratie.

Header mit freundlicher Genehmigung von Tanz durch den Tag.

Jan Ernst, Laurent Koepp und Paul Uhlman sind drei der 15 Organisatoren von Tanz durch den Tag – einer Veranstaltung, die seit 2010 fast jährlich das Partyleben in Wien aufwirbelt. Mal als Umzug, mal unangemeldet, aber immer gut besucht. Dieses Jahr wird Tanz durch den Tag Anfang Juli als Open Air auf der Donauinsel über die Bühne gehen – samt kinderfreundlichem Programm, verschiedenen Musikstilen und Afterpartys in der Grellen Forelle und dem Werk. Eine Woche davor organisieren die Veranstalter ein Forum, bei dem soziopolitische und ökologische Fragestellungen durch Kunst und Workshops thematisiert werden. Mit mir haben sie sich über das Festival, die Idee hinter Tanz durch den Tag und die Hürden, die bei der Organisation einer Veranstaltung in Wien anfallen, unterhalten.

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Noisey: Könnt ihr euch noch erinnern, wie eure erste Veranstaltung war? Wart ihr da schon in der Nähe der Donau?
Jan Ernst: 2010 war die erste Location im Prater in der Nähe vom Lusthaus. Die ersten zwei Jahre waren noch sehr spontan organisierte, kleine Veranstaltungen – wie eben im Prater, oder im Park bei der Längenfeldgasse. 2012 waren wir das erste Mal in Donaunähe und haben auch mehr geplant.

Was ist der Gedanke hinter Tanz durch den Tag?
Jan: Es ist der Wunsch, mehr Leben in die Stadt zu bringen, vergessene Orte mit viel Potential für einen oder mehrere Tage zu beleben und sie den Leuten zu zeigen. Eine Plattform für alle zu schaffen, die sich kreativ ausleben wollen.

Vergessene Orte in Wien wieder zu entdecken – daran hat sich so mancher Veranstalter schon die Zähne ausgebissen und besonders die Bürokratie wird oft kritisiert. Wie schafft ihr das?
Jan: Die ersten Veranstaltungen waren nicht angemeldet, da es spontane Impulse waren. Mit den gewachsenen Besucherzahlen stiegen jedoch auch die bürokratischen Anforderungen und wir mussten umdenken. Seitdem befinden wir uns in einem ständigen Lernprozess. Natürlich gibt es einige Verbesserungswünsche – es dauert alles sehr lange, also man muss sehr früh mit dem Planen beginnen. Die Stadt Wien verlangt für das Festival ausreichend Notausgänge, Polizisten, Sanitäter, Securitys und so weiter.

Was erwartet uns 2017, abgesehen von Notausgängen und Sanitätern?
Laurent Koepp: Dieses Jahr haben wir erstmals vier Bühnen geplant – den Wunsch, mehr anbieten zu können, haben wir ja schon seit 2014. Darüber hinaus haben wir die Wilde Heilkunstwiese mit verschiedensten Workshops von Soundhealing bis Akro-Yoga und Umweltbewusstseins-Coachings. Der Tempel der Heilung bietet Anwendungen in den Bereichen Shiatsu, Verwöhnmassagen und Osteopathie. Das Kollektiv "on transitions" eröffnet einen performativen, marokkanischen Teesalon. Auch einen Kinderbereich und Zirkus haben wir und ganz, ganz viele kleine Überraschungen. Wir haben uns intensiv mit dem Bühnendesign auseinandergesetzt und auch im Bereich des Bookings hat sich einiges bei uns getan.

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Das klingt ja sehr motiviert. Welche Musik wird es auf den vier Bühnen spielen?
Paul Uhlmann: Wir machen das Booking zu zweit – sind aber sehr eingespannt damit, vier Bühnen zu bespielen. Es wird auf jeden Fall eine Techno-Bühne geben, sowie eine Bühne auf der exotischere DJs spielen werden – da würde ich jetzt ungern ein Genre nennen, weil es zu beschränkend wäre. Es wird auf der Bühne aber eher Neues spielen. Sachen, die man in Wiener Clubs noch nicht so gehört hat. Eine Live-Bühne mit Bands wird es geben und ein HipHop-Tag ist auch geplant. Da wir mit Wiener-Kollektiven zusammenarbeiten, werden Gassen aus Zucker und Heimlich auch das Festival bespielen. Die machen ihr Booking allerdings eigenständig. Wir haben sowohl international als auch national gebucht –unser Programmist auf unserer Website abrufbar.

Von wann bis wann spielt die Musik? Also wie genau sind die Öffnungszeiten des Festivals?
Paul: Prinzipiell von zwölf Uhr mittags bis 22:00 Uhr.
Laurent: Wir versuchen es schon auf 24:00 Uhr auszuweiten – das ist ein großer Wunsch von uns. Aber da kommt die Bürokratie ins Spiel.
Jan: Es gibt eine Afterparty in der Grellen Forelle und im Werk – das nennen wir dann Tanz durch die Nacht, also kann man am Freitag und Samstag weiter feiern.

Das klingt nach viel Arbeit – von wie vielen Leuten sprechen wir, wenn wir von Tanz durch den Tag sprechen?
Laurent: Unter der Woche sind mindestens 15 Leute da, davon sind fünf bis sechs täglich im Büro. Im Endeffekt wird die Crew auf dem Festival an die 250 Menschen umfassen. Also Kellner, Securitys und alle anderen eingeschlossen.

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Wow, internationale Bookings, die Auflagen, 250 Mann- und Frau-Crew – die Party kostet euch insgesamt schon ganz schön viel Kohle, oder? Ich muss die Frage nicht reinschreiben.
Alle drei: Oh ja. Schreib das ruhig rein.

Es kostet ja schon das Anmelden alleine Geld, oder?
Laurent: Und wir dürfen ja auch die vorgeschriebenen Sanitäter und Polizisten bezahlen. Ein Polizist kostet die Stunde 60 Euro. 2014 hatten wir vier Polizisten dastehen, was bedeutet, dass wir pro Stunde 240 Euro für die Polizei gezahlt haben. Das ist nur einer der vielen Kostenpunkte, die jedoch verdeutlichen, was da auf einen zukommt.

Ist Tanz durch den Tag ein Vollzeit-Job?
Laurent: Mittlerweile ist es ein Vollzeit-Job. Die Sache ist, dass wir bisher ohne Eintritt funktioniert haben und dazu stehen wir eigentlich bis heute. 2014 ist allerdings ein Tag ins Wasser gefallen, was bedeutete, dass uns Einnahmen gefehlt haben. Wir hatten Leute im Team, die drei bis vier Monate Vollzeit-Arbeit investiert und nachher finanziell nichts zurückbekommen haben. Es ist zwar sehr schön, dass sie das gemacht haben, aber es wird mit dem Alter schwieriger, so viel Zeit ohne finanzielle Sorgen zu investieren. Deshalb mussten wir umstrukturieren und uns überlegen, wie wir es schaffen, etwas auf die Beine zu stellen mit Menschen, die Vollzeit arbeiten und hoffentlich auch etwas dafür zurückbekommen.

Und wie sind die Ticket-Preise?
Paul: Für drei Tage Festival sind es im Vorverkauf 39 Euro. Die Nächte sind für jeweils zwölf Euro zu haben. Da auf das Festival viel mehr Menschen passen, als in die Afterparty-Clubs, gibt es nur 1000 limitierte Festivaltickets inklusive Afterparty.
Jan: Es gab auch Early Bird-Tickets, die sind aber schon weg.

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Mit den unterschiedlichen Bereichen klingt das alles so nach der deutschen Fusion. War euch das Festival eine Inspiration?
Laurent: Also die Fusion ist eine sehr inspirierende Veranstaltung, muss man zugeben. Ich habe bei Tanz durch den Tag mitgemacht, bevor ich meine erste Fusion miterleben durfte. Die machen sehr viel richtig: Die eigene Welt, die da geschaffen wird, die wollen wir auch kreieren. Natürlich soll es kein Fusion-Abklatsch, sondern unser eigenes Ding werden – aber dieses Mikrokosmos-Gefühl, das streben wir auch an.

Ihr organisiert auch ein Forum. Was genau ist das?
Jan: Genau, das Forum Biotopia findet eine Woche vor dem Open Air, vom 22. bis 25. Juni im Donauhof und in der CREAU statt. Der Schwerpunkt liegt auf Kunst und kreativem Diskurs zu politischen und gesellschaftlichen Problemstellungen – mit Installationen, Workshops und Performances. Wir hatten einen Open Call für das Forum, für das Open Air startet er Anfang Mai.
Laurent: Im Forum haben wir einen politisch-sozialen Schwerpunkt, mit Fragen wie: "Wie können wir der Stadt Wien und dem Veranstalter das Veranstalten leichter machen?" Da wird einer der Ansprechpartner die Clubkommission Berlin sein. Aber: Das Forum ist keine Party. Und der Eintritt ist natürlich frei.

Und das Bier? Das ist meine Lieblingsfrage. Wie viel wird das beim Festival kosten?
Laurent: Zwischen 3,50 und 4 Euro. Für einen halben Liter, wohlbemerkt.

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