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Festival Summer

Pyrotechnik, die teurer als dein Auto ist – Die EDM-Szene in Österreich

Auch in Österreich gibt es eine EDM-Szene und wir haben sie uns angesehen.
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Breakdown. Eine Klangwolke, die sich später mit massivem Synthesizer-Sound zu einem BuildUp umformt. Zu diesem Zeitpunkt weiß unser österreichischer Diskothekenbesucher, dass er noch etwa 30 Sekunden Zeit hat, bevor die Menge nach einem simplen "Three, Two, One, Jump" massiv ausrasten wird. Ja, wir sprechen hier von der EDM-Szene in Österreich.

EDM (=englisch für Electronic Dance Music) wird gerade in der heutigen Zeit gerne mit dem Genre "Bigroom" verwechselt, das charakteristisch für den typischen Festivalsound ist. Aus Erfahrung kann ich sagen: Viele Leute glauben, dass ein 4-to-the-floor-Kick mit ein paar Leadsynth-Sounds automatisch als EDM abgestempelt wird (obwohl eigentlich "Bigroom" die richtige Bezeichnung wäre). Als klassisches Beispiel würde ich hier die meisten Tracks der DJs Dimitri Vegas & Like Mike nennen.

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Jetzt, wo wir den Bigroom & EDM-Fauxpas geklärt haben, wissen wir aber immer noch nicht, was die genaue Bezeichnung für EDM ist. Im Prinzip gliedert sich die EDM in verschiedene Subgenres auf. Beispielsweise in Drum'n'Bass, Future House, Bigroom, Progressive, Melbourne Bounce, Hardstyle, Hands-Up, Trance, Techno und Synthpop, um nur einige wenige der gefühlten 1.000 Genres zu nennen. Ich möchte mich in diesem Artikel eher auf die kommerzielleren Genres beschränken.

Die großen EDM-Festivals

Jeder liebt jeden, Getränkekonsum im 500.000 Liter-Bereich, halbnackte Männer und leichtbekleidete Mädels, Sonnenschein, kühle Drinks und ein dauerhafter Schallpegel von über 110 Dezibel. Ja, die Rede ist von den größten EDM-Festivals in Österreich. Die zwei kommerziell erfolgreichsten Electro-Festivals finden in Österreich beide im Hochsommer statt: nämlich das Electric Love und das Lake Festival.

Die begehrtesten und bekanntesten Acts der Welt und Musikgeschichte werden an Land gezogen und für sechsstellige Summen gebucht. Unter anderem Superstars wie David Guetta, Avicii, Axwell, Ingrosso, Afrojack und viele mehr, werden jährlich zu diesen Highlights gebucht. So manch einer wird meinen, dass eine Gage im 100.000 Euro-Bereich für solch einen Act nicht gerechtfertigt ist. Und überhaupt, weil dieser ja bloß einmal auf einen Play-Knopf drückt.

Man muss aber auch dazusagen, dass nicht alle (wirklich nicht!) ein Premixed-Set spielen. Im Prinzip meint man, dass so ein Festival genau das Ziel eines jeden DJs ist. Artist-Care wie sonst nirgendwo, eine Menschenmasse, die ständig abgeht und die man mit simplen Phrasen wie "Heeeey-Hooooooooh" oder "put your f*kin hands up" lenken kann. Freie Getränke und Meet'n'Greets mit den großen Artists lassen außerdem die Herzen aller DJs höher schlagen.

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Welchen Leuten begegnet man als durstiger und gespannter Festivalgast? Nun, aus Erfahrungen kann ich behaupten, dass mir noch kein Hardrocker oder Metalhead über den Weg gelaufen ist. Jeder, der dort abtanzt, liebt die elektronische Musik, den unendlich fetten Bass und die Mentalität des Technos. Die Männer in den vorderen Reihen präsentieren ihren Bizeps, den sie jahrelang für solche Festivals auftrainiert haben und halten Ausschau nach dem geeigneten Bikini-Girl.

Die großen EDM-Festivals in Österreich gibt es etwa seit 2011. Den ersten Meilenstein legte ja David Guetta mit seiner Single "Love Is Gone" im Jahr 2007—seither wurde das Genre auch Jahr für Jahr berühmter. Aktuell glaube ich, dass ein EDM-Festival für alle Musikliebhaber kaum mehr wegzudenken ist. Der Trend geht ja auch schließlich immer mehr in Richtung elektronischer Kommerzmusik (siehe Donauinselfest).

Die Diskotheken in Österreich

Jeder anständige Partygänger kennt sie bereits: Unsere geliebten Großraumdiskotheken. An solchen Orten darf gerne getanzt werden—das denken sich zumindest 90 Prozent der Jungs, die gerade an der Theke ihr Vodka-Redbull verschlingen und mit suchenden Blicken die Tanzfläche nach ihrem zukünftigen Aufriss abchecken.

Die Musik ist für eine volle EDM-Discothek der ausschlaggebende Punkt. Nehmen wir gleich ein Beispiel aus meiner Heimatstadt—nämlich das ehemalige FiftyFifty (Estate oder jetzt Club Play) in Krems. Was unterscheidet diese Disco zum Beispiel von einer Grellen Forelle, einem Flex oder der Pratersauna? Genau—das Ambiente. Die zwei genannten Underground-Clubs scheinen eher verwinkelt, dunkel, mit wenig Lichteffekten. Der Sound ist laut und sehr technolastig, der DJ wirkt eher bescheiden, sucht ab und an seine Platten und tänzelt mit gemütlicher Fußbewegung zum Beat.

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Was passiert nun parallel in unserer Kommerzhütte? Der Lichtjockey werkt hart an seiner verdammt teuren und aufwändigen Lasershow und ruft bei gefühlt jedem Drop ein Meer aus Nebel oder CO2 herbei. Die DJs verwenden ein Mikrofon, um mit dem Publikum interagieren zu können. So können sie die Besucher härter zum Ausrasten bringen. Bei jedem Drop wird gesprungen und geschriehen als gäbe es kein Morgen mehr.

Unsere Großraumdiscos sind im Prinzip in ganz Österreich verteilt, so beispielsweise der Praterdome und der Volksgarten in Wien, das Nightrow in Salzburg, das Empire in St. Martin bei Linz, das Lusthouse im nördlichen Oberösterreich, das P2 im Burgenland und die begehrte Bollwerk-Kette, die sich in ganz Österreich aufteilt.

Meist werden Veranstaltungen auf Facebook oder auf sonstigen sozialen Plattformen erstellt. Darin wird mit Sonderpreisen von diversen Vodka-Mischungen geworben und um dem Event noch das i-Tüpfelchen aufzusetzen, wird ein (meist) bekannter österreichischer DJ-Act gebucht. Der Act wird, je nach Besucherzahl, mit einem "Jo,wor e leiwand", oder einem "Sau gut gespielt, ich buch dich fix wieder!" abgedankt. Wir sprechen hier übrigens von drei bis vierstelligen Summen für ein Set in einer Disco.

Open-Air Veranstaltungen in Österreich

Acker und Wiese so weit das Auge reicht? Im Zentrum eine Bühne mit Licht- und Pyrotechnik? Ja, wir befinden uns auf einem klassischen "Dorfjugend-Fest". Grundsätzlich sprechen wir hier von einer Mischung aus Festival und Großraumdisko—meistens halt Open-Air. Das Motto? Ganz klar: "Iha-Iha-Iha-Hoo"—der gemeine Lockruf des DJs, der gerade vor dem Drop seine Leute anheizen will. Funktioniert eigentlich ganz gut, vor allem, wenn ein Whisky-Cola nur einen Euro kostet und 50 Prozent der Besucher um 23:00 schon gefühlte 30 davon getrunken haben.

Generell finden solche Events im Sommer beziehungsweise im Frühling statt. Die Locations sind laut Veranstalter (aus Erfahrung meist eine Dorfjugend) gut ausgesucht und bieten etwas Abstraktes und etwas Neues. Zum Beispiel habe ich letztes Jahr beim "Pro-Mü(hle)" im Bezirk Gänserndorf gespielt, und war überrascht, dass die Bühne ein ziemlich guter Nachbau einer bekannten Bühne im UFO-Look war. Altbewährte Locations für solche Feste sind auch unter anderem alte Ruinen (Rock The Castle), alte Fabriken (Old Factory), Stadtfestbühnen (St. Johann), oder riesige Zelte.

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Die Musik ist annähernd die gleiche, wie in einer guten Kommerzdisco. Ab und zu sogar ein bisschen härter mit mehr Fokus auf harte und knackige Drops. Für DJs ist ein "Dorffestl" das pure Paradies. Ich habe zwar noch nie wirklich drauf geachtet, welche DJs auf solche Events gebucht werden, aber es macht den Anschein, als würden internationale und nationale DJs vertreten sein. Teilweise sehr junge und unerfahrene Plattendreher, teilweise aber auch bekannte Urgesteine der Szene und selten sogar Superstars, oder eben solche, die glauben sie wären ein Star, weil sie zwei Mal im Jahr vor ein paar hundert Leuten ein paar Champagnerflaschen in die Menge sprühen.

Man kann die Musikwahl eher an ein Festival anpassen, man kann weniger Charts spielen und der Lautstärkepegel ist nahezu unendlich nach oben erweiterbar. Außerdem kann man endlich sein langersehntes Intro spielen, an dem man schon Wochen vorher zu feilen begonnen hat. Die Situation auf so einer Veranstaltung lässt sich leicht und kurz beschreiben: Hauptsoch Voigas!

Clubs in Österreich

Neben Festivals und Diskotheken wird ja auch noch in manchen Clubs kommerzielle elektronische Musik gespielt. Wir sprechen hier von nicht übertrieben großen Lokalen, die eine kleine Tanzfläche und eine beziehungsweise zwei kleine Bars haben.

Meist wird so ein Lokal die ganze Nacht von einem Resident-DJ bespielt. Sechs bis acht Stunden laute Musik am Stück und zunehmende Blasenschwäche werden leider nicht bei der Summe der Gage berücksichtigt. Worauf man als DJ hier sehr wohl achten muss, ist sein selbst mitgebrachtes Equipment.

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Dadurch, dass die DJs in kleineren Clubs sehr nahe am Publikum stehen, passiert es ab und zu, dass dir ein völlig verschwitzter und betrunkener Partygast sein volles Bier über deinen Laptop leert und dir nebenbei aus zwei Zentimeter Entfernung "Heast, spü amoi 'DIE IMMER LACHT'" ins Ohr spuckt. Der verzweifelte DJ spielt dann letztendlich die Musikwünsche der Gäste, nachdem er realisiert hat, dass seine "Festival-Draufdresch-Musik" nicht gut bei den Helene Fischer-Fans ankommt.

Kommerzielle Clubs sind in ganz Österreich verstreut. Zumindest in jeder größeren Stadt findet man "diesen einen Club, den man unbedingt besuchen muss". Wir sprechen hier von Clubs, die beispielsweise mit der Größe des Loco (Stadtbahnbögen) in Wien vergleichbar sind. Die Musik, wie bereits oben gennant, ist hier eher chartslastig. Sehr viel Popmusik und ganz selten mal ein Remix einer schon veralteten, aber guten Scheibe.

Die Clubszene in Österreich ist also nicht nur auf Wien begrenzt, jedoch macht es für mich den Anschein, als wäre es in jedem Club—bis auf Dekoration und Location—"das Selbe". Der österreichische Club ist nicht mit bekannten internationalen Clubs (Berlin, London, Hamburg) vergleichbar, sondern eher ein Lokal, das man mal so nebenbei für ein oder zwei Drinks besucht.

Kommerzielle elektronische Tanzmusik in Österreich

Als ich meine ersten Schritte in Richtung Nachtleben gesetzt habe, wurde in den meisten Lokalen noch ein Misch aus Rockmusik und bekannten alten Klassikern aufgelegt. Ich muss auch zugeben, dass ich für die damalige HandsUp- und Hardstyle-Zeit zu jung bin, beziehungsweise zu spät zum Fortgehen angefangen habe. Der Italiener Gigi d'Agostini, der Begründer des Stils Lento Violento, war zu meiner Zeit einer der ersten gefragten Top Acts. Jahre später, und mit dem Erfolg von David Guetta, wurde der kommerzielle House nach Österreich getragen. In den darauffolgenden Jahren übernahm die Electronic Dance Musik immer mehr die Charts. Top Hits wie Levels (Avicii), Party Rock Anthem (LMFAO), Welcome to St.Tropez (DJ Antoine) und One Night In Ibiza (Mike Candys) haben die Szene geprägt. Seither ist diese Art der Musik auf keiner Party und auf keinem Radiosender (OK, ausgenommen Radio Niederösterreich/Steiermark etc.) mehr wegzudenken.

Natürlich kämpfen auch die österreichischen DJs der EDM Szene hart um Ruhm und Anerkennung. Namen wie Rene Rodrigezz, Parov Stelar (Electroswing), Darius & Finlay, DJ Selecta, Gordon & Doyle, Dawson & Creek, Felice etc. sind mittlerweile den meisten österreichischen Commercial-Electro-Hörern ein Begriff. Zu den wohl international bekanntesten, aber nicht mehr wirklich kommerziellen DJs der Szene zählen beispielsweise Camo & Krooked (Drum'n'Bass).

Natürlich gibt es auch international und national bekannte DJs in der Techno- und Undergroundszene. Oft fällt mir auf, dass die Meinungen der Techno-Hörer und die der kommerziellen EDM-Höhrer stark auseinander gehen, wodurch es auch öfters zu einem Streit kommt. Beispielsweise sagt Technofreak XY zu Housefreak XY, dass seine Musik ekelhaft sei. Dieser kontert dann folgendermaßen: "Dein Techno hört sich an, wie wenn ein Affe, der fünf Stunden am Stück mit einem Stäbchen auf eine Trommel haut" Nun ich möchte die Konversation nicht weiter erläutern—wir wissen ja alle, was letztendlich passieren kann. Abschließend gesagt: Hört und genießt die Musik, die euch gefällt und kümmert euch nicht darum, welche Musik eure Mitmenschen gut oder schlecht finden.

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