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Wie Majors versuchen, mit BigData die Hits von morgen zu bestimmen

Mittlerweile gehen auch Majorlabels mit der Zeit und versuchen mittels BigData und Apps wie Shazam die Hits von morgen zu bestimmen

Foto via Flickr | Ryoichi Tanaka | CC BY 2.0

Shazam ist wahrscheinlich den meisten ein Begriff. Shazam ist diese erschreckend gut funktionierende „Was ist das für ein Song, der gerade spielt?“-App, die bequemerweise auch direkt vorschlägt, den Song zu kaufen. Doch auch hier gilt wie bei jedem gratis Service: Wenn du nicht dafür bezahlen musst, bist du das Produkt. Die oberflächliche Funktionalität ist meistens nicht das Geschäftsmodell.

Um zu verstehen, wie heute bestimmt wird, was morgen zum Hit wird, müssen wir ungefähr 50 Jahre zurückgehen. Ab dem Punkt, ab dem sich Otto-Normalverbraucher ein Radio leisten konnte, war es eines der primären Werbemedien. Die Musik im Radio war sowohl Lockmedium, damit die Hörer die Werbung zwischen den Songs hörten, als auch Werbung für die Titel selbst, damit sie Joe Everyman als Tonträger ersteht. Da Sendezeit begrenzt ist war es daher sehr wichtig für jede Plattenfirma, dass ihre Tracks gespielt werden. In einer idealen Welt würde der Musikkurator der Radiostation sich durch die gesamte Musik der Welt hören und dann das Beste und Passendste aussuchen. In der Realität haben die Stationen oft die bekanntesten Songs ihrer Sparte gespielt, um die Hörerschaft zu halten und öfters mal einen Song, für dessen Airplay von den Labels bezahlt wurde. Umgangssprachlich nennt sich dieses Prinzip des bezahlten Airplays „Payola“.

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In den USA ist dieses Prinzip nicht verboten, jedoch muss der Sender während der Sendung eindeutig zu erkennen geben, dass der Titel „gesponserter Content“ ist und nicht zum regulären Airplay gehört. Natürlich will kein Label, dass der Hörer weiß, dass er gerade eine Werbesendung hört und nicht seinen nächsten Lieblingssong. Die Majors fanden mehrere Wege das zu umgehen, wie eine lange Untersuchung der FCC (Federal Communications Comission—die FCC regelt in den USA den gesamten Rundfunk) zeigte. Die Untersuchung brachte verwendete Taktiken ans Licht, zum Beispiel das Verwenden eines „Intermediaries“, einer Zwischenperson, welche vom Label bezahlt wird und welche dann die Radiostationen bezahlt. Nachdem sich das ganze zu einem Skandal ausweitete, beschlossen die Majors im Jahre 2007 ein Ende von Payola. Messbare Auswirkungen auf die Airplay-Zusammensetzung in den USA hatte das aber nicht, da dieselben Kontakte und Informationswege, welche zuvor über Jahrzehnte aufgebaut wurden, immer noch bestehen.

Soweit so schlecht. Doch was hat das alles jetzt mit Shazam zu tun? Wenn früher eine Plattenfirma wissen wollte, ob ein Song den Zuhörern gefällt, mussten sie sich auf Verkaufszahlen verlassen oder auf die Hörerwünsche, welche bei Radiostationen eingingen. Wenn heutzutage einem Hörer heute ein Song gefällt und er wissen will was das für ein Song ist, verwendet er Shazam. Das Prinzip Payola hat sich mittlerweile auch vom terrestrischen Radio auf Streamingdienste und Internetradio verlagert. Wenn ein Label nun wissen will, ob ein Song ein Hit wird, könnte es einfach mit etwas Geld für Airplay sorgen und danach die Anzahl an Shazams des Songs messen. Da die Labels genau wissen würden, wie oft der Song im Radio gespielt wurde und wie oft und von wem der Song shazamt wurde, wäre es einfach auszurechnen, ob der Song ein Hit wird oder nicht. Die Marktforschung wäre effektiv von Fokusgruppen direkt auf die Zielgruppe verlagert.

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Shazam selbst behauptet sogar, 33 Tage im voraus zu wissen, was ein Hit wird und veröffentlicht sogenannte „Future Hits“-Charts. Diese Charts sind jedoch nicht besonders detailliert und können nur für die größten Märkte abgerufen werden. Shazam selbst ist es natürlich möglich, viel genauere Daten zu erheben, da jedes Smartphone über die Uhrzeit, Standort und Nutzergewohnheiten Daten liefert. Zum Beispiel wann und wo du einen Song shazamt hast und die Liste aller mp3s auf deinem Handy, um deinen Musikgeschmack einschätzen zu können. Die Firma gibt keine Auskunft darüber, in welcher Qualität diese Daten für zahlende Kunden angeboten werden und Shazam kündigte an, den Werbedatenzweig stark ausbauen zu wollen.

The demand for the data is so high that Shazam is planning to charge people in the record business for a "dashboard" feature, set for release later this year, with more involved statistics. Shazam officials won't say exactly what information they'll offer, but their engineers will work with record executives and artist managers in response to requests.

aus dem Rolling Stone Artikel

Shazam wurde 2015 mit einem Wert von über einer Milliarde Dollar bewertet. So hohe Bewertungen kommen üblicherweise nicht aus dem nichts und es sieht so aus, als würde sich Shazam zu einem der neuen Gatekeeper der Entertainmentindustrie aufschwingen. Shazams Entwicklungen in andere Richtungen als Audio, lassen erahnen, dass Shazam sein anfängliches Songerkennungs-Konzept zu einer „ich erkenne alles und will dir alles verkaufen“-Strategie ausbauen will. Künstler verwenden Shazam schon zu kreativen Promozwecken, Halsey verlost Karten per Shazam und es stellt sich die Frage „woher weiß Halsey, wer ihre Songs shazamt hat?“.

Shazam selbst ist offensichtlich im Business der Tastemakers angekommen, da auch Radiostationen die Zahlen von Shazam nutzen, um ihr Programm zu bestimmen. Die Erfolgsgeschichte von Rachel Plattens Hit „Fight Song“ hat es sogar bis in eine offiziellen Aussendung von Shazam geschafft. Manche Konkurrenten wenden dasselbe Konzept an, jedoch etwas transparenter, wie zum Beispiel Jango, ein Online-Radio welches Benutzern werbefrei Musik anbietet, jedoch stark auf bezahltes Airplay setzt.

Ist Shazam nun das neue personifizierte Böse? Gewisse Meldungen über das Ausspähen von Benutzern und die Einbindung einer Immer-An-Funktion lässt einen dies zumindest vermuten, jedoch wird das Ganze in Wahrheit nur ein neuer Geschäftszweig, der sich zunehmend komplett verändernden Entertainmentindustrie, sein.

Der Autor hat immer noch keinen Spotify-Account: @igrpp

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