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Meine Nacht in der Passage

Ich habe Petzner getroffen und ganz viel zu Charts-Musik getanzt.

Edel.

Ich war ja schon im Ride Club, Loco und auch in der Balkan-Disco. Zu all diesen Orten haben mich stets Freunde begleitet. Meistens reichte eine unpersönliche Massennachricht, um Partner für den etwas anderen Ausgeh-Abend zu finden. Doch dieses Mal war es anders. Whatsapp, persönliche SMS, verzweifelte Telefonanrufe—niemand wollte mit mir in die Passage. Ich verstand es nicht ganz. Die Passage ist ja eigentlich der Ride Club, nur dass es kein ShangriLa gibt und angeblich mehr Rechte drinnen sitzen. Aber „angeblich“ ist kein Wort mit dem wir arbeiten. Monetäre Bestechungen und eindringliches Anflehen haben dann doch zwei Freundinnen von mir bewegt, die Passage mit mir zu besuchen. Alleine auszugehen macht halt auch keinen Spaß und verfälscht einen Fortgeh-Erfahrungsbericht extrem. Ich nehme meine (S)aufklärungsarbeit ja sehr ernst. Keine von uns Dreien war in den letzten fünf Jahren in der Bude—mein eigener letzter Besuch beläuft sich auf „Ein Mal nach der Maturafeier, keine Ahung mehr“. Doch wieso eigentlich? Wieso hat mich eine Top-Wiener-Disco, die in allen Touristenführern angepriesen wird, nie interessiert? Zeit, dem Ganzen eine neue Chance zu geben. Am Tag des Asyls und der Gaypride.

Zuerst haben wir das Outfit geklärt. Fest stand: Edel soll es aussehen, aber doch freizügig. Vorgeglüht haben wir mit Wein—wie es sich für edle Damen gehört. Die Party hieß „Vanity—The Posh Club“, das Motto der Party ist Spieglein, Spieglein an der Wand, bei Vanity sind die Damen außer Rand und Band. Weiter stand folgendes in der Veranstaltung:

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So. Ich bin leider kein Model. Aber ich bin 182 cm groß und ich habe gute Tinder-Bilder. Also hatte ich den grenzgenialen Plan, mich als Model in Karenz zu verkaufen. Mit meinem Tinderprofil. Außerdem: Yeah! Ich als Frau habe mich extrem darüber gefreut, mit weiblichen Models zu feiern. Steh ich drauf. Es erklärte aber auch irgendwie den Spruch „Damen außer Rand und Band“. Wenn ich einen BMI von 18 hätte, dann wäre ich nach drei Grey Goose-Stamperl auch außer Rand und Band. Ich habe aber keinen BMI von 18, ich bin ein Model in Karenz, bei mir geht sich mehr aus. Ich änderte im Kopf auch meine Identität. Aus Fredi Ferkova, Soziologiestudentin, wurde Friederike Ferkhammer, WU. Die Schlange vor dem Club war lange. Meistens Männergruppen, alle mit aufgeföhnten Haaren und Hemd, ein paar knapp bekleidete Nicht-Models. Wir wurden das erste Mal auch abgewiesen, weil man mit einer Flasche nicht in den Club darf. Das ist eigentlich eh logisch, so im Nachhinein betrachtet. Beim zweiten Anstehen fiel uns auf, dass viele in der Schlange Touristen waren. „You know, it's like the best Disco in town“. Diese Menschen zu schütteln und ihnen ein „NO“ ins Gesicht zu schreien, war irgendwie nicht drinnen, vor den Türstehern, also haben wir einfach zugesehen, wie sie sich ins Verderben stürzen. Das hat sich äußerst schmutzig angefühlt.

Die elitäre und touristische Schlange

Drinnen angekommen, mussten wir 13 Euro zahlen. Leider hat weder meine Tinder-Setcard gezogen, noch mein Pinnwandeintrag mit „Spieglein, Spieglein“. Es war nach Mitternacht, der Zug sei abgefahren. 13 Euro zahle ich den elektronischen Discos, wenn ein DJ von außerhalb kommt, der mindestens einen Track bei Majestic oder sowas hat. Und sogar dann beschwere ich mich tagelang im Nachhinein, dass ich das gemacht habe. Nur zum Vergleich. Wir waren bereits betrunken, also haben wir zumindest da ein bisschen Kohle gespart. Beim Eintreten fiel mir sofort auf, dass Musik aus den Charts gespielt wird. Das weiß ich, weil meine „Best of Juni“-Musikliste voll mit Felix Jaehn und „Goodbye“ und dem Ganzen ist. Ich mag also Charts. Ich habe auch getanzt. Und gesungen. Eventuell zu überschwänglich, da ich ein paar verwunderte Blicke kassiert habe. Meine ins Leere gestellten Fragen „Wo zahlt man sonst 13 Euro fürs Kronehit hören?“ blieben auch erst Mal unbeantwortet.

Ich unterhielt mich mit ein paar reschen Burschis. Burschi als Bursche, nicht Burschenschaftler, ohne Beweise sollte man nämlich so etwas definitiv nicht schreiben. Und ich muss sagen, der konservative, behemdte Mann, mit einem Haargame-Level über 1000, trifft halt auch meinen Geschmack. Vor allem meinen angetrunkenen Geschmack. Ich hatte viel Spaß. Ich meine, so aufgestylte Männer, gibt es halt nicht auf illegalen Partys und im Werk. Eigentlich wollte ich mit ihnen über Asyl und Gaypride reden und hier die besten Antworten sammeln. Dass habe ich auch teilweise, aber nicht allen Meinungen sollte man öffentlichen Platz geben. Deshalb verarbeite ich die für mich selber und tue unserer Gesellschaft etwas wahrhaftig Gutes. Gern geschehen.

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Mein strenggeheimes, investigatives Foto

Auf den Tischen waren Grey Goose- und Champagner-Flaschen, drumherum Männer. Frauen waren auf der Tanzfläche. An der Bar hat der Mann die Frau zum Getränk eingeladen. Die von mir beobachtete Rollenverteilung war also ziemlich klar. Irgendwann bin ich dann aufs Klo gegangen. Aus dem Herrenklo sind offensichtlich verschnupfte Männer hinausgetreten, ein Taschentuch wollten sie nicht. Am Weiberklo ist eine Klo-Mama panisch herumgelaufen und hat alle angeschrien, das weiß ich noch. Ich weiß auch, dass ich mit ganz vielen Touri-Mädels gesprochen habe. Eine davon, sie war aus Deutschland, versicherte mir, dass sie zum ersten Mal besoffen ist und eigentlich macht sie so was nicht. Da gab es kurz Verwirrung auf beiden Seiten, weil ich nicht verstanden habe, wieso das ein Fakt zum Angeben ist. Ich habe ihr erklärt, dass man trinkt um besoffen zu sein und nicht um attraktiv auf Männer zu wirken—das können sich die Herren schon selbst ersaufen—und ich deshalb ein Gegner von „Ein Getränk in einer hippen Bar um zu Flirten“ bin. Geldverschwendung in meinen Augen, Sozialisierung in ihren. Auch so weit können Weltansichten auseinanderklaffen. Außerdem habe ich dieses Foto geschossen. Das sind Passage-Popos, ich fand mich äußerst lustig um die Uhrzeit.

Passage-Ärsche

Lustig fand ich auch Stefan Petzner und einem jungen FPÖ-Politiker (dessen Name hier bislang stand, der es offenbar aber gar nicht war und laut seiner Mail auch nicht mehr darauf angesprochen werden möchte) nebeneinanderstehend hinter der Bar. Ex-BZÖ und FPÖ an einem Abend in der Passage vertreten, das Klischee-Herz hat sich gefreut. Ich dachte, ich mache total verdeckt und geheim Fotos von ihnen, aber ich wurde später drauf angesprochen, ob ich diejenige bin, die von weit weg Fotos gemacht hat—also war entweder der Blitz noch an oder ich bin nicht halb so verdeckt vorgegangen wie ich dachte. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der junge FPÖ-Politiker wirklich da war (UPDATE: Nein), die Vermutung selbst gab mir aber Anlass genug obszöne Tweets zu posten, in denen ich sage, dass ich ihn gern als Sexsklaven hätte. Aber halt nur mit diesem Mundknebelding, weil er ansonsten ziemlich deppat ist. Ich erwähne meinen besoffenen Social-Media-Auftritt nur deshalb, weil Stefan Petzner mich am nächsten Tag auf Twitter gefragt hat, ob meine „derben Tweets“ auch in den „Erfahrungsbericht“ kommen. Ehrlich gesagt hätte ich sie natürlich lieber ausgelassen, aber ja, seien wir mal fair.

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Dann war ich noch beim Stefan. Ja genau, der Typ, der mich an meinen Restfett-Sonntag auf Twitter angegriffen hat. Bin schon persönlich beleidigt, eigentlich. Ich habe ganz viele Selfies mit ihm gemacht, er schien am selben Alkohol-Level zu sein wie ich. Oder wieder ein volksnaher Ex-Politiker. Sein Freund misstraute mir und fragte mich aus. Wofür ich schreibe, wer ich bin und so weiter. Ich war irgendwie zu betrunken um das alles Ernst zu nehmen, deshalb sagte ich so Sachen wie „Ach, kennst du eh nicht“ oder „So ein linker Scheiß, kennst du nicht.“ Außerdem habe ich am Anfang gesagt, dass ich Selfies mit Politikern sammle, weil ich ein Politiker-Fan bin. So was einem Bürger abzukaufen, hat mit Idealismus zu tun und das gehört eigentlich honoriert. In so einer kalten Welt, in der Hass im Vordergrund ist, gehört kindliche Naivität belohnt. Also, Honorierung!

Er war ur nett. Eigentlich.

Alles in allem hatten wir aber einen lustigen Abend. Wenn man 13 Euro für Kronehit-Musik zahlen mag und kann, dann hat man dort sicher Spaß. Ich kann nicht und wahrscheinlich habe ich ab jetzt lebenslanges Lokalverbot, aber das ist in Ordnung. Spritzer kostet vier Euro—das ist OK. An die Tussi, die meinen letzten umgehaut hat und auf meine eigentlich rhetorisch gestellte Frage „Und, magst du mir einen neuen kaufen?“ nur höhnisch gelacht hat: Ich hasse dich. Und dein Thigh Gap schaut scheiße aus. Und deine MK-Tasche schaut auch scheiße aus, wie basic bist du eigentlich. Und ich hasse dich.

Fredi ist gern derb auf Twitter: @schla_wienerin.

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