Crazy Sonics Jahresrückblick auf  die Wiener Clubszene 2016

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Rudis Brille

Crazy Sonics Jahresrückblick auf die Wiener Clubszene 2016

Wer das letzte Musikjahr verpasst hat, kann es hier nachlesen.

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2016 war ein seltsam schwieriges Jahr für die Wiener Clubszene. Leider bewahrheiteten sich einige Prognosen (auch von mir), wonach die Clublandschaft—insbesondere jene, die sich auf Techno und House spezialisiert hatte—schwer vor sich hin stagnierte. Vieles wirkte unspannend und schon etwas ausgelutscht. Die nachkommende Jugend dürfte tatsächlich etwas dem neokonservativen Hörverhalten folgen und hören, was gerade so in ist beziehungsweise was man kennt. Die andere—kleinere—Gruppe bleibt in jungen Jahren eisern dem Drum'n'Bass treu.

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Es wirkte so, als hätte Wien nach all den guten Jahren bis 2013 nun in Sachen Clublife vor, einen stetigen Abstieg hinzulegen. Stark blieb lediglich härterer Techno mit analogem Einschlag bei der eingefleischten Rave-Crew hier und Disco in diversen Schattierungen da. Poppiger Deephouse ist gerade "wäh" und Techhouse "pfui", Drumcode ist Kommerz und Len Faki "zu oft" in der Stadt der Suderanten. Hier meine Zusammenfassung des letzten Jahres.

Die großen Drei—Sauna, Forelle, Flex

Foto vom Autor

Pratersauna

Die Pratersauna 1.0 schloss im Jänner ihre Pforten—für drei Monate. Sie tat zwar ein Monat lang so, als geschähe dies für immer und kostete garantiert vielen Feierstudenten ein Semester, doch wusste jeder, dass es ab Mai wieder weiterging. Nur glaubte keiner, dass es nach den vielen Interviews, Gerüchten und Hatereien gegen den neuen Betreiber Martin Ho noch ein Club sein würde, den man ernst nehmen könne.

So wurde den ganzen Jänner die alte Sauna noch einmal mit Abschied hier und Abschied da auseinandergefeiert, sogar ein Film wurde gedreht, doch bereits im Frühling ging es wieder weiter.

Und ja, es gab einige Kinderkrankheiten. Man hätte das Ding einfach nicht so zerplanen müssen. Wenn man schon die Bar als zu groß ansieht—die "Boulangerie" als VIP-Club war eine Schnapsidee. Die Floors wirkten dadurch einfach zu klein und das Herzstück—der Bunker—blieb eine zeitlang völlig ungenutzt. Mittlerweile hat sich vieles aber wieder zum Guten verändert: Das Team ist neu aufgestellt, es gibt durchaus kompetente Booker (Dennis Meryn & Max Wanderer) und auch die Boulangerie wird mehr und mehr ins Clubgeschehen miteinbezogen. Gut, der Club ist nun einmal so groß (oder klein) wie er ist, man kann ihn aber auf vier Floors bespielen und wenn die Unnötigkeiten noch der Vernunft weichen—weg mit der Poledancestange im Bunker, weg damit—ein bisschen mehr Liebe zu Licht und fetterer Sound, dann ist die Sauna einfach ein Laden, in dem man schon eine sehr gute Zeit verbringen kann. Die gut bestückte Bar in der Boulangerie finde ich wiederum großartig, darüber motzen doch nur die, die zum Vorglühen ins Kleinod oder ins Roberto's gehen.

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Vielleicht sollte man das sportlicher sehen und nicht ständig nur die Haare in der Suppe suchen, ganz unabhängig davon, WEM die Sauna nun gehört.

Der Garten wurde größer und schicker, auch hier regte sich die Dosenbierfraktion über den Verlust an Identität auf, vergaß aber hierbei, dass die Sauna in der alten Form so nicht mehr hätte weiter bestehen können. Den 5 Uhr Tee gab es weiterhin, vielleicht zu oft und für viele zu leise, doch kann man Gesetzesvorgaben nicht einfach übergehen. Vielleicht sollte man das sportlicher sehen und nicht ständig nur die Haare in der Suppe suchen, ganz unabhängig davon, WEM die Sauna nun gehört (sie gehört ja übrigens weiterhin demselben Besitzer wie schon die Jahre davor). Richie Hawtin legte jedenfalls im Garten drei Stunden auf und es schien, als hätte er Spaß gehabt.

Fazit: Man hätte vielleicht leiser eröffnen sollen, um danach rascher Fehler korrigieren zu können. Die Bitte an das Christkind: Christkind, gib uns den Bunker wieder. Möglich ist es, man muss nur wollen!

Die Grelle Forelle

Vielleicht in der Forelle, vielleicht auch nicht in der Forelle.

Die Grelle Forelle leuchtet weiterhin hell. Sie ist sicher der am professionellsten geführte Club der Stadt. Jeder hat dort auch tatsächlich eine echte Funktion. Seit Johannes Piller das hauptsächliche Sagen hat, gibt es auch weit weniger Durchhänger als die Jahre davor. Eigentlich wollte man ja 2016 verkleinern, dann überlegte man es sich aber wieder anders und beließ es bei neuem Parkett und mehr Edelstahl auf den Toiletten. Die Sommerpause zeigte schmerzhaft auf, wie sehr die Forelle der Stadt als Technoanlaufstelle fehlte. Sie ist nach wie vor kein Kuschelsofa, will sie aber auch gar nicht sein.

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Sie verfügt über klare Regeln und ein gut durchdachtes Musikkonzept. Vielleicht könnten sich die zahlreichen Residents in ihren Postings ab und an etwas weniger selbst die Eier kraulen, aber gut, bei dem Soundsystem lässt es sich nunmal gern gut auflegen. Egal, ob bei Wechselstrom, Deep Baked, Zuckerwatt oder dem Fish Market. Und Turbo steht nach wie vor für Bookings von Acts jenseits der finanzierbaren Stratosphäre. Was schon 2015 galt, gilt auch heuer: Forelle steht hauptsächlich für Techno und dafür, nicht überall mitschwimmen zu müssen. Diverse Nebenprojekte wie Festivals und Ähnliches, stehen angeblich auch schon in den Startlöchern. Ein echter House- oder Discoschuppen wird der Fisch, glaube ich, nicht mehr, auch wenn das manche schade finden.

Die Sommerpause zeigte schmerzhaft auf, wie sehr die Forelle der Stadt als Technoanlaufstelle fehlte.

Flex

Foto: Isabella Khom

Das Flex verlegte seine Schwerpunkte eindeutig wieder in Richtung Live-Musik. Peter Schachinger kehrte freitags wieder zurück an seine alte Wirkungsstätte und versucht nun gemeinsam mit anderen bekannten Bookern und Veranstaltern die Möglichkeiten, die das Flex bietet, auszunutzen. Draußen, drinnen, oben, unten—die ewige Baustelle ist ein work in progress. Ob die Einbunkerung sexy ist, möge die Wiener Zeitung beurteilen, die ja bekanntlich auch ein bisschen Sexappeal brauchen könnte. Dass sie nicht einfach aus Ästhetizismusverweigerung geschaffen wurde, sondern durchaus aus Notwendigkeit, sollte in der Zwischenzeit auch der Letzte geschnallt haben, auch wenn er noch nie oben auf der Stiege von diversen dunklen Gestalten blöd angemacht wurde. Ein schweres Versäumnis der Stadt und ein Erbe der Stenzel-Ära.

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2017 könnte ein Jahr sein, in dem das Flex mit neuen Formaten und Veränderungen wieder stärker in den Fokus gelangt. Die geographische Lage am Fluss und die Tatsache, noch immer erste Anlaufstelle bei den jungen Drum'n'Bass-Aficionados zu sein, spielt dabei sicher eine wichtige Rolle.

Die kleinen und mittleren Clubs

Foto: Benji Agostini

Wien fehlt ein echter mittelgroßer Club, sagen viele. Solch einer könnte die Auslage sein, doch die hatte es nicht leicht in den vergangenen Jahren. 2016 gelang es aber—nach einigen Turbulenzen—, sich mit verschiedenen Formaten wieder gut aufzustellen. Man muss nicht zwingend zwei Mal pro Woche Techno und House veranstalten. Eine gute Party im Monat reicht, denn die ist dann auch voll und das Geld kommt auch mit Drum'n'Bass, HipHop oder seltsamen Studentenformaten wie Zinnober herein. Der Club selber ist ja nett, die Crew ebenfalls, die Anlage, wenn sie nicht plombiert ist, auch. Man muss sich einfach den Gürtel wegdenken und sich vorstellen, man sei in Friedrichshain.

Sass

Das Sass lief 2016 wie am Schnürchen. Die Toplage und das motivierte Team (Nick Jacobs, der Mann, der niemals schläft und Max Schell. Dazu Sebastian und Gregor) halfen dabei, von Donnerstag bis Sonntag zu funktionieren. Die Morgengymnastik bleibt des Partytigers liebster Morgensport.

Fluc

Das Fluc bleibt hingegen eisern seiner Linie, als Ort für viel Subkultur, treu—wenngleich auch hier bewährte Formate immer noch am besten funktionieren (siehe Meat Market). Dunkel, ein bisschen dirty und kein bisschen schick. Mir fehlt aber bei all dem etwas die alternative Wärme, auch beim Personal. Und die Anlage ist leider immer noch schwer ausbaufähig. Politisch korrekt ist das Fluc in jedem Fall und vielleicht besinnt man sich ja eines Tages—ohne sein Gesicht zu verlieren—der Möglichkeiten, die man sonst noch so hätte, dort am stark frequentierten Praterstern.

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Das Werk

Foto: Isabella Khom

Das Werk in der Spittelau ist der kleine Bruder der Forelle. Beliebt bei vielen jüngeren Veranstaltercrews, aber auch bei bewährten. Nur: Heuer gibt es kleinere Punkteabzüge für den Sound. Wann wird es denn endlich neue CD-Player geben? Jetzt gebt euch doch mal einen Ruck, es darf auch lachende DJ-Gesichter geben.

The Others

Das Celeste bot weiterhin hochattraktives Programm, gepaart mit sehr limitiertem Sound. Die Nachbarn machen einem das Leben zur Hölle. Es bleibt weiterhin sehr beliebt bei Studenten mit kleinerem Budget und Menschen mit Hang fürs Eklektische. Und auch im Opera Club gab es einige lustige Events, ohne eine echte Linie erkennen zu können, was beim Roxy eindeutig die roughen Beats sind. Damit schließt sich der Kreis. Schon in den Neunzigern verzauberte DJ DSL hier das Publikum mit HipHop.

Die Discos

Der Volksgarten

Der Volksgarten ist ja seit Jahren vor allem samstags im Sommer zur beliebten Anlaufstelle für uns geworden. Bei den Großveranstaltungen Gang Peng, Eventuell Gross oder NOT INVITED wird auch durchaus "anders"—sprich gegen den Mainstream—gebucht. Das ist gut, denn einen Tag pro Woche kann die gute alte Disco ruhig weg vom Mainstream der Afterwork Clubbings. Der Garten ist sowieso immer noch unschlagbar. Warum Kaveh im März sein Wohnzimmer verließ, hat er uns immer noch nicht gesagt, aber er wurde wieder im Revier gesichtet.

Die Passage

Die Passage ist wohl immer noch Anlaufstelle der rich kids, dafür scheint dem Platzhirsch etwas der Hirsch davongerannt zu sein. Beides Orte, die ich selten besuche. Ein Mal pro Leben circa. Aber ja, hier rollt der Rubel, Musik ist hier egal.

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Das VIEiPEE 

Das VIEiPEE läuft auch gut und wenn man ab und an verstohlen von der Pratersauna rübergeht, dann weiß man auch warum. Es geht um Sex: Frauen mit einem Hauch von nichts, auch im Winter und alles echt, versteht sich. Dazu Typen mit Statussymbolen klotzend. Unter einer Bottle läuft da nichts. HipHop als Aufputz und fertig ist das Erfolgsrezept. Es läuft. Nicht jedermanns Sache, aber wenn ich hier veröffentlichte, wen aus der "Szene" ich da schon am "Mixwoch" gesehen habe, tztztztz …

Und das Chaya Fuera gab es auch noch, doch eher fuera der Wahrnehmung nach. Auch hier liegen die goldenen Zeiten in wehmütiger Erinnerung.

Die Festivals

Das wunderbare Elevate Festival, das aber halt leider in Graz ist

Wieder nichts, Fehlanzeige. Ein paar kleine Projekte, sound:frame gibt's nicht mehr. Wer gerne viele Technogrößen am Stück sehen möchte, muss nach Ungarn oder Deutschland. Ansonsten gibt es natürlich die subventionierten Festivals mit dem heuer sehr ambitioniert gebuchten, dann vom Regen weggeschwemmten Electric Spring, das Popfest und die Donauinsel. Nichts Neues. Wien als Weltstadt entdeckt das Nachtleben, wenn es andere schon lange zum Kernpunkt des Tourismus gemacht haben. Aber der Chef des Wientourismus Dr. Kettner hat nichts übrig für die Nacht. Die Stadt wird wohl kaum noch mehr tun können. Und die Ottakringer Brauerei treibt jeden sofort in die Insolvenz mit ihren Kosten. Bitter, denn Sponsoren gibt es ja ohnehin kaum noch. Dem Vernehmen nach, ist hier allerdings Land in Sicht.

Was tat sich sonst noch …

Neu dabei

Das Goodmans baute um und gab sich einen Neuanstrich. Wer nach der Party nicht genug bekommen hat, findet hier noch einen Platz. Am nächsten Tag tut ohnehin alles weh, auch die Erinnerungen.

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Nicht mehr dabei

Die Kantine schloss ebenfalls im Jänner mit einem Abriss und sollte alsbald wieder eröffnen. Doch leider gab es auch hier "unüberbrückbare Differenzen" und man ließ von dem Plan ab. Stattdessen gab es Kantinen in Salzburg und Linz, gefühlte 43 Claptone-Shows samt diffusen Wechseln und Neuübernahmen. Wenn man da nicht "plemplem" wird.

Gerade noch dabei

Das Hades und das Leopold. Beide schließen mit Jahresende. Dem Hades werden wohl weit weniger Tränen nachfließen als dem Leopold, das sicher auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, aber stets ein innovatives Booking betrieb. Es wird vom Betreiber des Heuer neu übernommen und wird wohl auch weiterhin als Club bestehen bleiben. Details sind aber noch zu diffus.

Das Hades hingegen funktionierte zumeist nur mehr bei "Classix" und diversen Afterpartys mit hoher transdanubischer Besucherquote. Irgendwie wurde es vom Wiener Publikum nicht recht geliebt, es sei denn, man sah nichts mehr.

Open Airs

Das Techno Cafe: Der einzige Club, wo Mami mit Tochter hingehen kann und sagen kann: "Schau, dort hab ich Papi getroffen."

Drei spektakuläre Spontantechno-Events gab (und gibt) es. Im Prater, in Aspern und am 21.12. im Museumsquartier. Die Events sind immer liebevoll konzipiert und gratis. Bitte auch 2017 mehr davon. Ansonsten passierte wenig. Der Versuch, auf der Donauplatte mehr zu machen, scheiterte kläglich. Daneben gab es einige Mini-Geheimpartys und das Techno Cafe, das heuer 20 wurde: Der einzige Club, wo Mami mit Tochter hingehen kann und sagen kann: "Schau, dort hab ich Papi getroffen."

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Heimlich …

… schlich sich eine neue Veranstaltercrew in diverse Bogen- und Gürtellokale mit Downbeat heran und wird wohl 2017 gar nicht mehr so heimlich bleiben können.

Am Gürtel …

Foto: Isabella Khom

… gibt's noch das Loft, das umgebaut wurde und den Weberknecht, der ab und an größere Events ausrichtet—inmitten der Indiesuppe, die in den Studentenbögen rundherum geboten wird, eine schwierige Aufgabe.

Tekkno

Ich dachte, das Zeug geisterte nur mehr in alten Berichten herum, aber neiiiiin, es gibt sie, die Free-Techno-Szene. Schwer illegal und auch schwer daneben. Denn zuerst wurde man vernadert, dann verbarrikadierte man sich und ließ dabei noch ordentlich Dampf ab. "Rave Dave" ist seither auf der Flucht. Schade, ich wäre gern mal dabei gewesen.

Gratis …

… muss es sein, dann kommen viele. Egal, ob Popfest, ImpulsTanz oder Albert und Tina. Musik zweitrangig.

Marx …

… war ein politischer Theoretiker und ist als "Marxpalastdingsbums" eine Riesenlocation in Wien. Dort gab's heuer sogar freitags von T-Mobile gebrandet "Kein Sonntag Ohne Techno". Damit soll 2017 Schluss sein. Der Marx Palast soll ab 2017 keine Musikveranstaltungen mehr ausrichten (wohl nach dem The xx-Konzert). Das freut sicher den Anrainer und den Wientourismus. Stattdessen folgt der 240. Street Food Markt mit Craft Beer Verkostung. Gutes Konzept (Ironie!).

Die Vergnügungssteuer …

… fällt weg: Juhuu. Die zum 1000. Mal gestellte Frage, was dadurch anders wird, kann ich nicht beantworten. Vielleicht trauen sich wieder einige mehr, doch allzu viel wird der Wegfall der äußerst beliebten Abgabe nicht ändern. Es gibt ja jetzt dafür die Registrierkassa.

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Graz …

… bietet immer noch zwei Festivals pro Jahr: Das Spring, das nach der Neuaufstellung nicht mehr ganz an die alten Zeiten anschließen konnte—zumindest besuchertechnisch. Und dann gibt es noch das Elevate, was seit jeher Vorreiter der etwas abstrakteren Schiene ist. Dazu Domnächte und einige starke Formate in der Postgarage. Immer noch eindeutig die Nummer zwei in Österreich, obwohl auch in der Murstadt viel gejammert wird.

Linz …

Foto: Samira Saad

… hat es schwer. Kein Danube Rave mehr, stattdessen die Kantine Linz, doch die fetzte auch nicht ganz. Wenn nicht DJ Rush oder Moonbootica auftraten, sah es finster aus. Mit dem Spielplatz gibt es einen neuen Club in der Stadt, doch auch hier dominiert alles, außer House und Techno. Wer in Oberösterreich guten Techno hören will, muss zu Mike Vinyl und seinen "Vinylauslese"-Festen nach Steyr.

Salzburg …

… hatte eigentlich mit dem Soda und dem Felsenkeller zwei coole Clubs. Dazu ab und an eine Großveranstaltung (ohne große musikalische Überraschungen) von Electronic Motion. Dann kam die Kantine und irgendwie lief alles aus dem Lot. Keinem geht es mehr gut, keiner ist glücklich, alle sparen und kürzen und am Ende gewinnt niemand. Warum? Weil man glaubte, in und um eine biedere Kleinbürgerstadt wie Salzburg, einen auf dicke Hose machen zu können. Zurück an den (Neu)Start.

Innsbruck

Foto: Kasun Jayatilaka

Eine snowboardverliebte Studentenstadt, ohne große Höhepunkte. Ein nettes Stadtfest, ein cooler Minimalclub (Tante Emma), daneben das Kubik und der Plan B für die heimischen Kräfte. Man kann nett ausgehen in Innsbruck, die Goldgräberstimmung ist auch hier vorbei, im Hafen legen selten große Technoschiffe an.

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Vorarlberg

Die vielfältige Vorarlberger DJ-Szene lebt nun mittlerweile geschlossen in Wien und macht hier einen auf Xiberg. Mann & Klamm, Kassian Xander, Linder & Lampert und viele andere gehören hierzulande längst zum Stammpersonal. Wenn die dann im Ländle Partys schmeißen, geht das oft auch gut. Immerhin kommt aus dem äußersten Westen noch einiges nach. Es gibt das Conrad Sohm oder das Rauch als Anlaufstelle, aber auch hier—wie überall—haben Drum'n'Bass und HipHop die alten 4/4-Formate verdrängt.

Kärnten …

… hat das Stereo und den umtriebigen Kristof Grandits mit seinen "Techno am …"-Formaten. Ab und an gibt es auch in Villach Party (Robert Stahl), ansonsten bleibt Kärnten das Land, das man nach dem Schulabschluss verlässt.

Festivals in Österreich

Foto: Ludwig Kittel

Wenn sie nicht Rave on Snow oder Snowbombing heißen und vom Ausland geplant werden, sind sie purer Proleten- und EDM-Schrott, siehe Electric Love oder Lake Festival. EDM at its worst, dabei mag doch hierzulande niemand EDM. Und ob das Burning Man nun wirklich nach Österreich kommt, wissen wir spätestens am 1. April.

GSG6 …

… ist Wiens professionellste Afterhour-Community. Sie macht sich selbstständig und feiert nicht nur in der Wohnung. Die wissen, wie man feiert.

Unter der Woche …

… herrschte 2016 noch mehr Ruhe als schon im Jahr davor. Die Wochentage haben kaum noch Relevanz beim Ausgehverhalten. Die Zeiten von Crazy, Happy und Dub Club sind vorbei. Der Nachtschwimmer läuft nur im Hochsommer und sonst: Siehe Bars und Gratis.

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Bars und DJ Cafés …

… boomen. Das Donau ist stets gut gefüllt, ebenso das Heuer. Dazu kamen 2016 verstärkt "all in one"-Konzepte wie das Graben 30 dazu, wo selbsternannte Szene-DJs um 80 Euro die Nacht spielen oder der Dachboden des 25hours, wo man essen und danach noch etwas shaken kann.

Ein Zeichen der Zeit, dass Clubs langweilig geworden sind?

Die Urmütter des Ganzen—die Albertinapassage, oder das Motto—zeigen das ja schon seit Jahren vor, allerdings braucht man da eine sehr dicke Brieftasche. Daneben existiert noch eine Vielzahl an hippen Bars: Kleinod, Robertos, Loos Bar, X. Alles geht viel schneller. Man hat sein Tinderdate rascher abgefüllt und schön getrunken, man kann zu gängigen Hits mitgrölen und am Ende ist man auch besoffen und nicht allein. Ein Zeichen der Zeit, dass Clubs langweilig geworden sind?

"Zu jung" …

… ist der Hauptvorwurf der Älteren. Gegenfragen: Dürfen nur mehr Ältere Techno und House hören? Haben Ältere automatisch einen besseren Musikgeschmack? Sollen wir Leute unter 25 nicht mehr reinlassen, nur um dann allein zu sein? Gehen wir deswegen lieber in eine vollkommen überfüllte Bar und nicht mehr in den Club?

Neue Musik und neue Acts …

… gab es auch heuer wieder, wenn auch wenige. MOTSA machte eine neue EP, Ogris Debris ein neues Album, Sedvs vom Label Bare Hands sorgte für Aufmerksamkeit und auch die Boxer 100-EP von Peter Kruder bekam passable Kritiken. Auch Erdem Tunakan ließ mit neuem Cheap-Release (N:51) wieder aufhorchen. Die Compilation der Schönbrunner Perlen präsentiert einen netten Streifzug durch das Schaffen des Labels von Ken Hayakawa. Dazu gab es diverse Releases auf Sutter Canes Label Driving Forces unter anderem von Robert Stahl. Martin Kremser konnte auf Diynamic punkten, daneben gab es hier und da noch einige respektable Einzelerfolge (Roman Weber, Matt Mor).

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Fakt bleibt: Wer im Techno groß werden will, muss weg.

Fakt bleibt: Wer im Techno groß werden will, muss weg. Siehe Florian Meindl oder Niereich. Und ich meine hier nicht zwingend das dicke B. Das hat Joyce Muniz nach dem Release ihres viel beachteten Albums Made in Vienna allerdings nun getan: Sie zog nach Berlin.

Bei manchen Produzenten, die in der Vergangenheit viel gemacht haben, fehlt aber heuer eindeutig die Frequenz beim Releasen. Was ist denn los? Im Drum'n'Bass sind wir dank Camo & Krooked eine Weltmacht und auch Parov Stelar muss Österreich nicht mehr verlassen. Er füllt die Stadthalle längst—auch wenn das Swingzeug ein wenig in die Jahre gekommen ist.

Summa summarum ginge mehr. Ob es da noch einmal richtig nach oben geht, wage ich zu bezweifeln, dazu ist Wien zu verschlafen geworden. Dafür gibt es aber mit Blakksheep nun eine Agentur von Welt mit Acts von Welt, von Umek bis Sam Paganini. Nur Österreicher fehlen leider im Roster. Es bleibt in jedem Fall der Eindruck, dass sich die Szene auch untereinander musikalisch nicht verstehen will—jeder vertritt nur genau seinen Nischensound. Das kann so nicht funktionieren.

Veranstalter des Jahres

Gerald Van der Hint. Keiner ist so umtriebig wie er. Keiner postet mit so viel Hingabe. Auch wenn ich nicht immer 1:1 seiner Meinung bin, der Mann macht sich Gedanken zu jeder seiner Brands—und das sind viele: Fish Market, Meat Market, F*cken und F*cken plus sowie Mutter. Dazu kommen nun eigene Releases. Nicht locker lassen, starker Mann und lass Kottan grüßen!

Fauxpas des Jahres

Wohl die Story rund um das Konzert in der Forelle, als diese noch geschlossen hatte. Heute publizierte eine Geschichte, die nie so stattgefunden hatte und erntete reichlich und verdient viel Spott.

Femdex

Ja, ich weiß eh, es gibt zu wenige Frauen. Aber wir können nicht zaubern. Einen Index zu erschaffen, der dies aufzeigt, kann das Problem auch nicht lösen. Aber: Wir brauchen mehr Frauen hinter dem DJ-Pult und langsam wird es besser. Heuer spielten sich wieder einige weibliche DJs ins Rampenlicht wie etwa Nikka, Fe Vargas, Nadini Haussweird oder Sara Satorii, dazu kommen auch Veranstalterinnen wie Hausgemacht und Henriette. Joanish, Anna Leiser und Anna Ullrich gibt es ja schon länger. Im Drum'n'Bass-Bereich ist die Zahl erstaunlicherweise höher. Electric Indigo rockt auch noch immer, wenngleich immer öfter in eher clubfernen Formaten.

Ausblick

2017 werden also wieder einige Clubs (vorerst) wegfallen, es wird sich komprimieren. Was der Wegfall der Vergnügungssteuer bedeuten wird, wird sich erst weisen. Die Marxhalle wird endgültig zu irgendwas und ansonsten sehe ich wenig. Vielleicht wird das erste Jahr der Intendanz von Thomas Ziehofer Kin bei den Festwochen einige Überraschungen bringen und ja, es gibt wieder einen Life Ball. Zumindest einmal im Jahr tun wir dann so, als wären wir eine tolle aufgeschlossene Stadt.

Aber man darf ja die Hoffnung nicht aufgeben. In diesem Sinne, rutschen wir gut rüber, aber nicht aus. Oder wie heißt das in der neuen Technosprache? PRST NJR!

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