Das Wiener HipHop-Label Duzz Down San kann auch ohne Hypes

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Das Wiener HipHop-Label Duzz Down San kann auch ohne Hypes

HipHop und Instrumentals abseits von Deutschrap und Wölkchen mitten aus dem 15. Wiener Bezirk.

Header: P.tah, Testa, Chrisfader und Mosch. Alle Fotos vom Autor

Geht man die Äußere Mariahilfer Straße tiefer in den 15. Wiener Gemeindebezirk hinein, bekommt man zwar auf den ersten Blick nicht mehr so viel mit vom Rudolfscrime, wie es immer geheißen hat – aus den Autos dröhnt trotzdem noch der harte Gangster-Shit. HipHop wie aus den frühen 2000ern. Vorzugsweise die Deutschrap-Variante. Und irgendwann erreicht man das Studio, in dem sich die Leute von Duzz Down San eingenistet haben. Sie sind das Gegenteil von dem, was man auf den Straßen im 15. hört. HipHop, bei dem nicht zuerst das Image kommt und dann erst die Musik.

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"Letzte Woche ist die Wohnung über ihrem Studio abgefackelt."

Mosch, Testa, Chrisfader und P.tah wohnen alle im selben Grätzel. Sie teilen sich die Nachbarschaft mit vielen anderen Genre-Kollegen. Irgendwas scheint der Bezirk zu haben, das ihn für HipHopper so ansprechend macht. RAF Camora ist ja auch dort aufgewachsen. Zufall? Wir glauben, ja.

Wir sitzen auf einer kleinen Innenhof-Terrasse, über uns ein ausgebranntes Fenster. Letzte Woche ist die Wohnung über ihrem Studio abgefackelt. Vielleicht weil die Musik von Duzz Down San so lit ist. Vielleicht aber auch aus anderen Gründen. Drei der vier Labelmitglieder sprechen in einem sympathischen Tiroler Dialekt, nur P.tah fällt mit seinem burgenländischen Wurzeln hier aus der Reihe. Ist aber auch egal, denn verbunden hat die vier eine Leidenschaft zu gutem und innovativen HipHop.

Obwohl es ihr Label schon seit neun Jahren gibt – nächstes Jahr dann übrigens die große Party zum Jubiläum –, und sie bereits auf über 70 Releases zurückblicken können, halten sie sich immer noch im untergründigen Bereich der Szene auf. Und das ganz bewusst, denn für die Jungs ist es fast ein Sakrileg auf einen Hype aufzuspringen, nur weil sich der gerade gut verkauft.

Es ist immer 4:20 Uhr.

Wer sich ein bisschen mit HipHop auseinandersetzt, dem werden jetzt Namen einfallen, die mit Yung oder Lil anfangen. Für alteingesessene HipHop-Fans etwas, das nur die Kids hören. Aber mit Cloudrap (ja, ich hab das verbotene Wort verwendet) hat Labelgünder Mosch gar nicht solche Probleme, wie man vielleicht annehmen könnte: "Viele Sachen, die im Mainstream passieren, also die Cloudgeschichten, sind ja auch weit weg vom Boom bap. Stylemäßig sind Elemente dabei, mit denen ich schon mehr anfangen kann. Darum tun wir uns auch leichter, sowas zu spüren, als den klassischen Boom bap."

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Und mit Karäil, der unter dem Namen Pif Paf auch Teil des Hanuschplatzflows ist, haben sie sogar einen Teilzeit-Cloudrapper in ihren Reihen. Das ist alles nebensächlich, solange der musikalische Output passt. Auf die Frage, was man überhaupt haben muss, um auf Duzz Down San releasen zu können, sind sich alle einig: es muss menschlich passen. Bis auf ein oder zwei Ausnahmen kennen sie die Künstler schon bevor sie bei ihnen releasen. Eine dieser Ausnahmen ist übrigens Marco alias Karma Art, der auch Teil von Leyya und Ant Antic ist. Da genügte den Jungs die Demo schon, um bereit zu sein, ihn aufzunehmen. Zum Glück ist Marco noch dazu ein netter Typ. Glück gehabt.

"Es zählte die Musik und nicht, auf welchen Pillen die Rapper gerade sind."

Ihren fast schon puristischen Zugang zu HipHop haben sie durch ihr musikalisches Umfeld in ihrer Jugend mitgenommen. Testa, Mosch und Chrisfader waren viel in Innsbruck unterwegs. Und da zu ihrer Zeit Total Chaos schon wieder ein bisschen passé war, musste der NLK-Kultuverein die HipHop-Lücke schließen. Der Verein holte damals Rapper in die Stadt, die sie sonst nie gesehen hätten und sich auch vom Linzer- und Wiener-Rap unterschieden. Der Plattenladen war ebenfalls zu einem großen Teil für die musikalische Erziehung einer Generation Innsbrucker verantwortlich. Es zählte die Musik und nicht, auf welchen Pillen die Rapper gerade sind.

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Mosch und P.tah lachen über etwas aus dem Internet.

Genau so wird auch ihr Label geführt. "Mit dem Wort Zeitgeist hab ich generell Probleme. Die Debatte, ob etwas am Markt funktioniert, stellt sich bei uns gar nicht, weil wir ganz anders ticken. Dazu müssten wir uns völlig verstellen", sagt Mosch. Dass ihr Label dadurch sehr divers ausfällt und für viele weniger greifbar ist, wissen sie. Hört man sich ihre Compilations an (die sich bequemerweise auf Spotify befinden), weiß man, was damit gemeint ist. Dort trifft Mundartrap von Polifame auf jazzige Instrumentals von PDF und Grime von P.tah.

Durch die Unmöglichkeit in Schubladen gesteckt zu werden, kann es natürlich auch für Leute schwierig sein, sich etwas unter dem Namen Duzz Down San vorzustellen, für sie zählen aber andere Dinge und sie sind trotzdem zufrieden mit ihrer Arbeit. Zurecht, denn ein Label für fast zehn Jahre zu betreiben, ist in Österreich kein gewöhnliches Unterfangen.

Wer sich von der Vielfalt des Labels selber überzeugen will, sollte am 24. Mai zur Labelnight ins Flex. Dort wird innerhalb von drei Stunden das Label-Repertoire über die Bühne gejagt und anschließend natürlich noch aufgelegt. Wer HipHop nicht nur hören will, weil er gerade auf Twitter trendet, sollte Duzz Down San im Auge behalten. By the way: Sprecht Duzz Down San so aus, als würdet ihr Dialekt reden. Mind blown.

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