"Wien fehlt ein Ort für Punkrock" – Klaus von Schall und Rauch über das Ende seines Labels

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Interviews

"Wien fehlt ein Ort für Punkrock" – Klaus von Schall und Rauch über das Ende seines Labels

Klaus gibt das Zepter an die nächste Generation weiter. Wir haben ihn zum Abschlussinterview getroffen und mit ihm über das Warum des Endes, die Wiener Punkrock-Szene und die letzten Jahre geredet.

Alle Fotos von Klaus / Schall und Rauch Platten.

Kein Punkrock Kegelscheiben mehr (beziehungsweise "eins noch, aber dann is' Schluss"), kein glorreicher 7inch Club, keine Releases, keine Konzerte. Ich werde versuchen, den Pathos in Zaum zu halten, aber das Label Schall und Rauch war immer für ungewöhnliche und charmante Events zu haben und für einen Release mit einem der großartigsten Cover und Namen aller Zeiten. Es ist wie so oft: Vieles lernt man erst zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist. Wir haben uns mit Klaus getroffen und über das frühe Ende von Schall und Rauch gesprochen.

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Noisey: Wie hat's denn angefangen mit Schall und Rauch Platten?
Klaus: Ende 2011, kurz bevor ich nach Wien gezogen bin. Ich habe schon immer mit dem Gedanken gespielt, Platten zu machen und Konzerte zu veranstalten, habe mich zuerst aber nicht getraut. Bei Konzerten hab ich mir gedacht: Ein Konzert machen ist ja nicht so schwer, aber wenn dann keine Leute auftauchen, ist's scheiße. Das Gleiche ist es mit den Platten. Du kannst jederzeit Platten pressen, aber wenn's dir dann keine Sau abkauft, ist es halt auch irgendwie scheiße.

Du hast dann eh beides gemacht, als du mit dem glorreichen 7inch Club angefangen hast.
Genau. Die Idee hab nicht ich erfunden, das hat's in Deutschland schon gegeben, eine Split 7inch machen und beim Konzert bekommen sie alle gratis. Die Platten gehen weg, weil sie im Endeffekt keiner kaufen muss und die Leute haben einen Anreiz, zum Konzert zu kommen. Das war dann für mich der goldene Mittelweg.

Wie bist du dann zum Venster als Location gekommen? 
Ich war neu in Wien und kannte die Klassiker wie Arena, WUK, B72, Chelsea und so. Das Veranstalten ist halt mit Kosten verbunden. Bei einem Konzert im Venster hab ich mir dann mal gedacht, dass der Laden ein cooler Ort ist, wo man niederschwellig und ohne große Verluste Konzerte veranstalten kann.

Kurze Zeit drauf hast du dort dann also dein erstes Konzert veranstaltet.
Genau, ein Akustik-Konzert von Toni Kettinen. Es waren zwanzig Leute oder so da, aber es war cool, dass es funktioniert hat. Das nächste Konzert war dann schon unter Schall und Rauch Platten, der glorreiche 7inch Club mit Astpai und Ants!, die sich die erste Split geteilt haben. Da hab ich einfach Sauglück gehabt. Da bin ich Astpai bis heute dankbar. Sie sind sicher zum Großteil mitverantwortlich, dass die erste Veranstaltung so ein großer Erfolg war.

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Waren die damals schon so groß?
Sie sind dann schon größer geworden, aber sie waren in Österreich schon vorn dabei. Das hat Mut und Motivation gemacht, weiterzumachen.

Hast du das allein gemacht?
Nein, zu zweit – der Ali ist mein Partner. Ich hab eher das Organisatorische gemacht und er die Cover und Druck, Kopieren etc.

"Ich mag's überhaupt nicht, wenn irgendwas so pseudo-cool ist und tausend Totenköpfe irgendwo sein müssen."

Nice, der macht die ganzen Comics?
Das ist so eine Zusammenarbeit von uns beiden. Zum Teil hab ich's skizziert und er am Computer schön gezeichnet.

Ich bin ja ein großer Fan vom Schaukelpferd-Cover mit dem Ritter im Spiegel.
Ja, ich mag Blödsinn. Ich mag's überhaupt nicht, wenn irgendwas so pseudo-cool ist und tausend Totenköpfe irgendwo sein müssen, weil man so wild und so hart ist. Das interessiert mich nicht.

Wie bist du auf deine Bands gekommen oder sie auf dich?
Ich hab die Bands entweder auf Konzerten gesehen oder im Internet von denen erfahren. Und wenn ich sie cool gefunden hab, hab ich mich bei ihnen gemeldet. Mit der Zeit hab ich immer wieder Anfragen bekommen, aber nachdem das auf so einem Level läuft, muss das ein persönlicher Wunsch von mir sein, mit denen was machen zu wollen. Für alles andere würden die Ressourcen fehlen. Beziehungsweise war das auch nie Sinn und Zweck von dem Ding.

"Und was mich extrem gewundert hat, ist, dass es nicht wirklich einschlägige Lokale gibt, wo Punkmusik gespielt wird, abseits von den Konzertlocations. Etwas, wo man sagt, 'das ist die Punkrock-Kneipe', das gibt's nicht."

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Wie war es, als "Fremder" in Wien in die Punkrock-Szene reinzukommen?
Als ich nach Wien gekommen bin, war ich sehr enttäuscht, dass es da keine richtige Szene gibt.
Es gibt schon Locations – die Arena ist ein Traum – aber so von den Bands her … es gibt überhaupt keine Community unter den Bands, hab ich den Eindruck. Und was mich extrem gewundert hat, ist, dass es nicht wirklich einschlägige Lokale gibt, wo Punkmusik gespielt wird, abseits von den Konzertlocations. Etwas, wo man sagt, "das ist die Punkrock-Kneipe", das gibt's nicht.

Mir kommt vor, da schaffen's die Booker manchmal, sich gegenseitig auf die Füße zu steigen, wenn drei Konzerte an einem Abend sind, zu denen man gehen will.
Klar, es ist natürlich immer ein Problem mit den tourenden Bands, da kannst du es dir nicht aussuchen. Aber das ist auch etwas, was ich gemeint hab mit der fehlenden Szene. Aber da ist jetzt eh was passiert. Facebookgruppen von Veranstaltern, die sich ihre Termine – bevor sie veröffentlicht sind – inoffiziell schon aufstellen, damit man sich koordinieren kann. Aber immer geht's halt auch nicht. Wir spielen mit meiner neuen Band (Anm. Choke On Me gibt es wieder, yay!) am 8. Mai im Arena-Beisl und ich glaub da sind vier einschlägige Konzerte an diesem Montag Abend, haha.

Wieviel rechnest oder kalkulierst du, wenn du Sachen machen oder releasen willst?
Ich rechne schon. Das war vielleicht eh nicht so gescheit, dass ich das nie riskiert hab, wenn die Band das nicht selbst genug mitfinanzieren konnte. Bei Migre le Tigre tut's mir eh Leid. Das zweite Album wollten wir machen, aber das ist sich finanziell dann nicht ausgegangen. Das ist das Einzige, was ich bereue. Das hätte sich leicht rentiert nach einem Jahr. Aber das hab ich damals nicht gewagt. Aber bei 7inches war es mir wurscht. Da ist kein Projekt an der Finanzierung gescheitert.

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"Ich liebe Konzerte und bin auch auf viele gegangen, habe es aber immer stinklangweilig gefunden, dass jedes Konzert gleich abläuft."

7inch Club, Kegelscheiben, machst du gern Konzerte, die etwas Spezielleres sind?
Ich liebe Konzerte und bin auch auf viele gegangen, habe es aber immer stinklangweilig gefunden, dass jedes Konzert gleich abläuft. Da ist die Idee mit dem Kegeln aufgekommen, die Idee ist natürlich auch nicht von mir, in Amerika gibt's das Punkrockbowling eh schon lang.
Aber da hab ich mir gedacht, das ist wenigstens ein bisschen was anderes. Da trifft man sich am Nachmittag zum Kegelscheiben. Ich hab ja damals lang gesucht, bis ich eine Kegelbahn gefunden hab. Eine Freundin von mir hat mich dann auf die Freizeitoase in der Kendlerstraße gebracht, die online sehr schwer zu finden ist. Das war ein Goldgriff. Die Location ist so grandios.

War größer werden jemals dein Plan?
Die oberste Priorität war, Sachen zu machen, die ich geil finde und sie auf die Art und Weise zu machen, wie ich's cool finde. Wenn man mit dem Konzept größer wird: kein Grund, sich zu wehren.

Wieso hörst du jetzt auf?
Weil ich jetzt keine Lust mehr drauf hab, haha. Es klingt so banal, aber es ist so. Das hat sicher viel Gründe, ich hab das auch nicht so im Detail analysiert. Ich hab halt dann im Bach gearbeitet und dort recht viel gemacht. Gegen Ende dann weniger – die dortige Infrastruktur ist mit gewissen Kosten verbunden. Das Lokal hat auch keine Förderungen und lebt rein vom Barumsatz.

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Zermürbt es einen, wenn das Label nicht … "abhebt"?
Nah, mir war das im Vorhinein bewusst, dass ich von dem niemals auch nur annähernd leben werde können. Die Illusion habe ich nie gehabt. Mir war immer klar: Das wird ein Hobby sein und ein Hobby kostet Geld – egal, was du machst. Deshalb waren mir die Minusse auch egal. Wenn du mit der Herangehensweise hingehst und auf den großen Erfolg hoffst, dann machst eh schon den ersten Schritt falsch.

Wie schaut das dann für die Szene aus, wenn du nichts mehr machst?
Ich kann mir vorstellen, dass es schon einen gewissen Einfluss hat und dass eine gewisse Art von Konzerten seltener stattfindet. Auf der anderen Seite sehe ich aber, dass Sachen nachkommen. Da sollen eh die Jungen ran und was tun. Ich mach jetzt eh schön länger wenig Konzerte, es ist nicht so ein abruptes Ende. Es ist ja auch nicht cool, wenn jahrzehntelang der gleiche Typ die Konzerte macht. Es muss ja eh ein frischer Wind reinkommen – ist natürlich gleichzeitig auch eine Ausrede, haha. Ich hab meinen Teil beigetragen, bin froh über die Zeit, bin auch Stolz drauf, dass ich gewisse Sachen umsetzen konnte, obwohl das Wort verpönt ist in der Punkszene, aber das ist mir auch wurscht. Ich geh da mit Freude raus.

Was war das Gschissenste daran, ein Label zu machen?
Das Gschissenste ist einfach diese unnötige Arbeit, tausende Emails zu schreiben, wovon zehn auf fruchtbaren Boden fallen. Das Gleiche bei der Tourorganisation für Bands: Da schreibst ungefähr tausend Mails und bekommst 15 Antworten, von denen 14 Absagen sind, haha. Und das Beschissenste am Konzerte veranstalten, ist das Plakate aufhängen.

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Wie geht's denn jetzt weiter mit dir?
Mit mir? Gut hoffentlich. Aktiv mach ich momentan nichts, das genieße ich auch sehr. Als ich angefangen habe, weniger Konzerte zu veranstalten, bin ich auch automatisch seltener auf Konzerte gegangen. Damals bin ich sicher dreimal in der Woche auf einem Konzert gewesen. Ich lese jetzt viel lieber und bin ruhiger geworden.

Hast du noch einen Nachruf auf Schall und Rauch Platten?
Nah, Nachruf hab ich keinen. Nur einen Aufruf, dass die Leute ihre Szene unterstützen sollen, auf Konzerte gehen und Platten von kleinen Bands kaufen. Weil ohne dem funktioniert's nicht, sonst gibt es das irgendwann nicht mehr.

PS: Klaus hat noch einen Haufen Platten herumliegen und wird die beim Konzert gegen eine freie Spende hergeben, damit die auch noch irgendwie sinnvoll genutzt werden, bevor sie bei ihm im Keller rumliegen und verstauben. "Da können sich die Leute bedienen und es wäre schön, wenn da noch viel weggeht."


Am 18. März findet das allerletzte Punkrock-Kegelscheiben in der Freizeitoase statt. Anschließend daran findet das allerletzte Schall und Rauch-Konzert im Bach statt.

Mit dabei sind:

Wham Bam Bodyslam
Bambix
Migre Le Tigre
Deadends

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