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Die musikalischen Probleme des WG-Lebens

Wie überlebt man in einer WG, wenn der/die Mitbewohner eine beschissene Beziehung zu Musik haben? Schlecht. Man überlebt schlecht. Aber es gibt Lösungen.

Foto: David Bogner

Wie überlebt man in einer WG, wenn der oder die Mitbewohner eine Beziehung zu Musik haben? Die Antwort ist relativ einfach: Schlecht. Man überlebt schlecht. WGs sind zarte Bündnisse mit vollkommen anders sozialisierten Menschen, da kann es schon passieren, dass Geschmäcker aufeinander treffen. Anders wie in der Freundschaft oder einer Beziehung, gibt es aber bei Mitbewohnern keine Liebe und Toleranz, die auf lange Sicht über den beschissen Musikgeschmack hinweg hilft. Nichts desto trotz gibt es verschiedenste Möglichkeiten zu koexistieren. Auch wir in der Noisey Redaktion haben schon den Typ Mitbewohner „Was hörst du, oida?!“ gehabt. Und wir haben unseren besten Leidesgeschichten für euch niedergetippt. Nebst der Lösungen, die sich im Grad der Praktikabilität allerdings unterscheiden.

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DAS PROBLEM: DER UNTERSCHIEDLICHE GESCHMACK

In meiner ersten WG (ich war damals süße 18 und ein paar zerquetschte) hatte ich das Glück, mit einer sehr guten Freundin in einer ur kleinen Wohnung zu hausen. Natürlich geriet man da oft aneinander, vor allem weil ich ein unordentlicher Schussel bin. Aber auch die Musik, die uns einst zu einer Freundschaft verholfen hat, entwickelte sich schnell zu einem Streitpunkt. Wenn man nämlich eh die selbe Musik hört, dann heißt das nicht, dass es keine Probleme gibt. Es gibt sogar noch mehr Probleme. Behaupte ich mal. Wir zickten uns regelmäßig an, weil die eine jetzt eher Rap hören wollte und die andere Indie. Deshalb kamen wir, so lösungsorientiert wie wir sind, zu einem Abkommen.

DIE LÖSUNG

Die sogenannte „Musikrunde“. Das bedeutete, dass ich ein Lied spielen durfte und sie nach mir eins. Für Haushaltsarbeiten und Ähnliches, gab es dann Sonderregelungen. Das löste das Problem nur bedingt weil a) Man alle drei Minuten zum Computer rennen musste um sein Lied einzugeben und b) Die Musik die man grad scheiße fand trotzdem nicht weg war. Schnell entwickelte sich ein Bandenkrieg innerhalb der Musikrunde. Sie spielte eins, das mich genervt hat und ich schoß zurück mit einem, welches sie genervt hat. Zur Erinnerung: Wir waren Teenager. Ich entwickelte relativ schnell eine super Erziehungsmethode: Speedcore. Wenn mir ein Lied nicht gefallen hat (Katy Perry und alle Lieder die scheiße sind), dann war mein nächster Musikwunsch Speedcore. Kein Trackname, einfach Speedcore in Youtube eingeben und schon gings ab. Ihr leidendes Gesicht hat mir geholfen über die disharmonischen Klänge hinweg zu hören. Und so stand ich fast jeden Morgen da, mit einem Kaffee in der Hand, einem Lächeln auf den Lippen und Speedcore im Hintergrund. Wir wohnen nicht mehr zusammen.

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DAS PROBLEM: IN DREI ZIMMERN LÄUFT UNTERSCHIEDLICHE MUSIK UND DEINES IST IN DER MITTE

Man wird das vielleicht nicht glauben, aber wenn man als Musikredakteur arbeitet, hat man zuhause oft einfach mal das Bedürfnis nach Ruhe. Oder zumindest das Bedürfnis, keine Musik zu hören. Dass ist in einer Vierer-Buben-WG, in der man der einzige Nicht-Student ist, oft gar nicht so einfach. Noch dazu kam das Problem, dass ich das Zimmer in der Mitte hatte, also links und rechts von Menschen und ihren musikalischen Bedürfnissen umgegeben war. Oft genug—meistens am Wochenende nachmittags—kam es dann oft sogar zu einem Problem, für das es in der Psychologie einen Begriff, den ich gerade zu faul bin zum Googlen: Wenn mehrere Leute in einem Raum verschiedene Gespräche führen, werden diese mit der Zeit immer lauter. Mitbewohner A drehte Musik auf. Ziemlich laut. Mitbewohner B hörte die Musik in seinem Zimmer nur so als Hintergrundrauschen, fühlte sich davon gestört und drehte seinerseits andere Musik auf. Ein bisschen lauter als die Musik von Mitbewohner A. Mitbewohner C tat dasselbe, was dann dazu führte, dass Mitbewohner A die Lautstärke bei sich hochdrehte—was Mitbewohner B dann natürlich auch tat. Und so weiter und so fort. In der Mitte des Ganzen saß ich und war umgeben von einer höllischen Kakophonie aus 80er-Pop, 90er-HipHop und House der Nullerjahre. Im schlimmsten Fall waren dabei sogar alle drei(!) Zimmertüren auf. Wenn man das mal über 45 Minuten mitmacht, will man sich am liebsten eine Stricknadel ins Trommelfell jagen.

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DIE LÖSUNG:

Keine. Was will man da schon machen? Gelegentlich habe ich schon mal gebeten, die Türen zu schließen. Aber Leute zu bitten die Musik abzudrehen kann ich nicht, ohne mich dabei wie 56 Jahre alt zu fühlen. Spazierengehen. Oder Kopfhören aufsetzen Oder mit den Wölfen heulen und selber Musik aufdrehen.

DAS PROBLEM: DER DRUFFI

Eine Zeitlang habe ich mir die Wohnung mit einem etwas feierfreudigen Berliner geteilt. Wir mochten uns, es hat auch viele Vorteile, aber eben auch ein paar Downsides. Das Schlimmste waren für mich die After Hours in der Wohnung. Regelmäßig hat er, nachdem alle Clubs zugesperrt haben—was in Wien halt passiert—eine Meute an Menschen in unsere Wohnung geschleppt und bis Mittags weiter gefeiert. Irgendwann hatte ich mal am Wochenende Blockseminar, bin morgens in Shorts aus meinem Zimmer heraus, und auf dem Weg zwischen meiner Tür und der Dusche wurde mir LSD und MDMA angeboten. Nett, aber doch nicht das Richtige vor der Uni. Es ist echt ein bisschen uncool, wenn du morgens aufstehst und deine Küche von Drogenopfern besetzt vorfindest, die dich auf deine Anmerkung, dass du dir dort, wo ihre Substanzen liegen, eigentlich gerade Frühstück machen wolltest, auffordern doch mal zu „chillen“. An einem Wochenende hatte ich eigentlich striktes After-Hour-Verbot erteilt, weil meine Eltern morgens um 11 Uhr zu Besuch kommen wollten, was ungefähr einmal alle drei Jahre passiert. Leider fand ich dann trotzdem einen Haufen von druffen Grazern in meiner Küche vor, die ich dann mit dem Besen auf das Dach getrieben habe mit der Auflage, frühestens in zwei Stunden wieder hinunterzukommen.

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DIE LÖSUNG:

Lerne, zum Bass zu schlafen. Solange deine Mitbewohner eher in die Richtung Minimal gehen, ist das gar nicht so schwierig. Stelle klare Regeln auf, was in die Richtung geht und was nicht. Hilft nicht, ist aber trotzdem wichtig.

DAS PROBLEM: DIE MITBEWOHNER MACHEN MUSIK

In der WG in der ich wohnte waren gleich zwei Typen, die den ganzen Tag damit verbracht haben, Musik zu machen, Musik aufzunehmen, Musik zu komponieren (was mit Abstand die furchtbarste Phase ist) und Musik—zumindest für mich—zu zerstören. Das wirkt sich dann so aus, dass man sich in der Wohnung nicht bewegen kann, weil deine Musikbewohner gerade die Gitarre einspielen und „das Mikro super empfindlich ist“. Das Bad benützen? No way. Mal schnell Wasser lassen? No fucking way. Abgesehen davon, dass man in den eigenen vier Wänden gefangen ist, wird man den ganzen Tag beschallt als gäbe es kein Morgen mehr, tagelang muss man sich die immer gleichen Riffs anhören und man muss damit rechnen, dass der Text nicht von anhieb zufriedenstellend eingesungen wurde. Das sieht dann so aus: Es ist 09:00 und du hast es geschafft, dir eine Tasse Kaffee einzuschenken. Aus dem Nebenzimmer hörst du „Memory comes when memory´s old.“ Um 12:00 machst du dir irgendeinen ungesunden Scheiß zu Essen, aus dem Nebenzimmer hörst du „Memory comes when memory´s old.“ Es ist 12:05, der Scheiß den du dir gemacht hast ist dir wieder hochgekommen und aus dem Nebenzimmer hörst du „Memory comes when memory´s old.“ In der Regel geht das bis Abends so dahin—dann ist der Zeitpunkt erreicht an dem du „Memory“ hasst und deinem Mitbewohner die Stimmbänder aus dem Rachen reißen möchtest.

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DIE LÖSUNG:

Wenn du dich nicht strafbar machen möchtest rate ich dir so schnell wie möglich auf willhaben.at zu schauen. Denn alles was du haben willst ist eine neue Wohnung, die alles hat außer nervige Musiker.

DAS PROBLEM: DEIN MITBEWOHNER HÖRT IMMER DIE GLEICHE PLAYLIST

Wenn dein Mitbewohner ein Kerl ist, der seine Anlage gerne auch um 7 Uhr morgens zur Afterhour so laut aufdreht, dass der Anrainer, der im Meidlinger Wohnbau zwei Stockwerke unter dir wohnt, sich gezwungen fühlt, „HOITS DIE GOSCHN!“ aus dem Fenster zu brüllen, dann ist das die eine Sache. Wenn der Mitbewohner aber noch dazu ein Kindheitsfreund ist, den du schon seit Kindergartenzeiten kennst, dann birgt das auch noch ganz andere musikalische Risiken. Mein Mitbewohner vereint beide Aspekte in einer Person. Es ist ihm zwar vermutlich nicht bewusst, aber manchmal spielt er musikalische Psychospielchen mit mir. Er hat da zum Beispiel diese umfangreiche Playlist, die wir als Hauptschüler mit Vorliebe gehört haben. Ich schätze, sie ist seit 2004 nicht mehr aktualisiert worden, und zu behaupten, dass die Playlist scheiße ist, wäre eine bodenlose Untertreibung. Seit einem guten Jahrzehnt, spielt er diese Playlist aber trotzdem, wenn auch in sehr unregelmäßigen Abständen. Manchmal verschont er dich monatelang damit. Manchmal auch jahrelang. Aber irgendwann packt er sie wieder aus, diese verschissene Playlist, die unter anderem Nelly, P!nk, und „Ich rauch mein Ganja den ganzen Tag“ von diesem Kerl namens Benji beinhaltet. Dann lässt er sie unkommentiert laufen, summt bei dem einen oder anderen Song vielleicht ein bisschen mit, und erinnert mich gezwungenermaßen daran, was für ein fürchterlicher, geschmacksverirrter 13-Jähriger ich teilweise war.

DIE LÖSUNG
Ich hasse ihn und mein Teenager-Ich für etwa eine Stunde, bevor ich beiden dann doch wieder verzeihe.

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