Ich habe versucht, acht Stunden nüchtern auf dem Donauinselfest zu verbringen
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Ich habe versucht, acht Stunden nüchtern auf dem Donauinselfest zu verbringen

In der ersten Stunde habe ich zwei Bier gesoffen, in der vierten Stunde setzen die Filmrisse ein. Die DIF-Experience ändert sich nie.

Das Donauinselfest ist eine Institution, die man tendenziell ab dem 17. Lebensjahr nicht mehr aufsucht. Das hat weniger mit den Acts zu tun, sondern mehr mit eigenen katastrophalen Jugenderfahrungen. Man bestellt sich ja auch tendenziell ab 17 keine Tequila-Shots um einen Euro mehr oder sauft an einem Abend fünf Long Island Ice Teas. Ein bisschen hat es auch mit Menschen zu tun: Immerhin gehört es in Wien zum guten Ton, das Donauinselfest genauso scheiße zu finden wie die VONG-Sprache oder die U6.

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Wie man nüchtern feiert:


Jedenfalls versucht uns die SPÖ jedes Jahr zu präsentieren, wie leiwand die Stadt nicht für alle ist, indem sie die Stars von vor zehn Jahren bucht, die es mal auf FM4 oder Ö3 gespielt hat. Das "Soziale" in der SPÖ schließt halt auch alle Sozialschichten ein, was in der Regel auf andere Schichten – mögen sie noch so linke Statusse unter der Woche auf Facebook teilen – sehr abschreckend wirkt: So besteht das Publikum des DIFs Jahr für Jahr aus Menschen, die keine menschenfreundlichen Statusse posten, während die gebildeten Netzaktivisten natürlich niemals auf so ein Fest mit solchen Menschen gehen würden.

Eine Ausnahme bildet die komplett vom Rest des DIFs abgeschottete FM4-Bühne (ernsthaft, man muss sogar bei einer Ampel vorbei), die eine heile Welt der gebildeten, künstlerischen Hipster darstellt. Bio-Curry statt Käsekrainer und Makava statt Hülsn. In der Regel vermischen sich diese beiden Völkchen – außer beim Heimgehen – nicht und wenn, dann werden linke Statusse, die sich über das Benehmen des Proletariats beschweren, gepostet.

Auch wenn der politisch-unabhängige INFOSCREEN heute verkündet hat, dass ur viel los war – es war nicht ur viel los. Nicht in meinen acht Stunden. Und laut meinen arbeitenden Freunden auch nicht.

Da bilden leider meine Freunde keine Ausnahme. Außer die Freunde, die dort arbeiten mussten, wollten dieses Jahr trotzdem ein paar Leute hin. Gut, zwei davon sind aus Bayern und haben somit höchstwahrscheinlich keine Vorstellung davon gehabt, wie negativ emotional besetzt das DIF für volljährige Wiener ist. Drei andere kommen aus den Bundesländern, was quasi dasselbe wie Ausland oder Bayern ist. Meine beste Freundin ist Wienerin, aber sie wurde ja auch als DJ gebucht. Sie alle hatten eines gemeinsam: Sie wollten wegen der Musik hin. Diese Narren.

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Unser ausgesuchter Tag war der Sonntag: Brenk Sinatra oder die gesamte Eutopia-Stage, die von FM4 Tribe Vibes gehostet wurde, sowie Dub FX auf der FM4-Stage waren unsere auserwählten Acts. Erklärung siehe oben. Ganz lange dachten wir auch, dass die Droogieboyz auftreten, aber sie haben bloß Autogramme bei einem Stand von – drei Mal raten – einer SPÖ-Unterpartei gegeben. Und eben: Meine beste Freundin hat auf der Summerstage aufgelegt. Nüchtern zu bleiben, schien also wirklich extrem möglich, nicht nur, weil es der Tag des Herren war und ich jetzt gerade in der Arbeit sitze, sondern auch weil es ja um Musik ging. Haha.

Ich, am Musik genießen.

Mein Test fing zuhause an. Es regnete nicht nur, es schiffte richtig – während dem Anziehen habe ich drei Donner gehört und starke Absagegedanken geschoben. Wer geht nüchtern bei Regen auf das Donauinselfest, mit dem Wissen, dass es eventuell nie wieder aufhört zu regnen? Abgesehen von SPÖ-nahen Personen? Genau, nur komplett Hinnige. Aber ich habe den ersten Test bestanden und keinen Tropfen Alkohol konsumiert – hauptsächlich, weil ich keinen zuhause habe – und es durchnässt bis zur U-Bahn geschafft.

Dort habe ich einen Freund aus Vorarlberg getroffen: Der zweite Test. Er hatte bereits Bier in der Hand und sagte in den ersten zehn Sekunden: "Ich habe schon noch eins da". Es war, als würden höhere Kräfte mein edles Vorhaben sabotieren wollen. OK, eventuell habe ich das Bier eindringlich angestarrt, bevor er seine Sabotage-Aussage getätigt hat. Obwohl das DIF ja eigentlich so wie jeder Christkindlmarkt ist: Ein wunderschöner, magischer Ort, in dem nüchterne Familien und fortgeschrittene Alkoholiker zusammenfinden und eine gemeinsame Atmosphäre schaffen. Es ist also nicht ganz unmöglich, am DIF nüchtern zu sein, aber es ist halt auch einfach nicht leiwand.

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Diese Musik löst in mir einen pavlov'schen Reflex aus. Gebt meiner Schwester Alecid ein Like.

Als wir bei der leeren Station U6 Neue Donau ausgestiegen sind, musste ich leider ein Bier trinken. Sandro, der Vorarlberger, hatte wegen seinem Unwissen drei Glasflaschen-Bier mitgenommen – natürlich kann man die nicht aufs Gelände nehmen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, meine Hilfe angeboten und ein Bier in vier Minuten geleert, damit wir nicht im Regen warten müssen. Außerdem habe ich im Zuge dessen meinen Vorsatz, gar nichts zu trinken, auf nur so viel trinken, dass ich nicht betrunken (haha) werde, modifiziert. Den Flexiblen gehört die Welt. Ab dem Zeitpunkt habe ich die nüchterne Idee eh komplett verworfen. Aber es hat sich überhaupt nicht nach Alkoholikerin angefühlt, sondern sehr normal und sehr super, da einfach auch alle wundervoll zu waren. Außer die Kinder. Aber die haben sich halt mit Zuckerschocks in Form von Süßigkeiten zu gemacht.

Das war das erste gekaufte Bier, ich war glücklich.

Um 16:00 Uhr waren wir zirka bei der Summerstage, die sich am bösen und proletuiden Ende des DIFs befindet, wo meine beste Freundin härteren Techno aufgelegt hat. Hier kickte mein Pavlov'scher Reflex in Form von zwei bis sechs Bier ziemlich schnell. Die Summerstage war überdacht und sie hatte trotz einem Niederschlag von 50.000 Regentropfen auf einem Zentimeter Haut vieler Gäste. Die Gäste, die da waren, waren entweder bereits seit drei Tagen da, oder haben einfach so dem DIF-Klischee genügt. Insgesamt konnte ich sieben Goldketten und an die 15 Tribal-Tattoos ausmachen. Ich war in der Experience, Baby.

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Ehrlich gesagt, fing dort auch der gesamte Untergang an. Am Weg zum vermeintlichen Droogieboyz-Konzert, dass keines war, war ich zumindest bereits so besoffen, dass ich beim BAGJUMP mitmachen wollte. Das ist ein Ding, wo man aus sieben Metern Höhe auf ein Kissen springt und wo hauptsächlich Jugendliche angestanden sind. Außerdem sollte man das, laut den Regeln, besoffen nicht machen, was ich ziemlich lustig fand, weil außer im besoffenen Zustand macht das doch kein normaler Mensch. Nachdem ich wahrscheinlich sämtliche persönlichen Rechte per Unterschrift an BAGJUMP übermittelt habe, gingen wir essen. Der Sprung war arg, laut meiner Erinnerung. Ich weiß jetzt zirka wie sich von einem Gebäude herunterfallen anfühlt. Nicht so cool.

Hier schaut grad jemand, ob der andere jemand, gerade furzt. Meine Nachfrage hat ergeben, dass die beiden sich nicht kennen.

Irgendwann um 18:30 hörte der Regen endgültig auf und wir saßen angeheitert da und aßen Speisen, die viel zu teuer berechnet waren. Aber das is nun mal das DIF: Viele rote Luftballons, aber Bier um 4.50 Euro. Hätte man in der Vergangenheit die Vergnügungssteuer bezahlt, könnte man dem Fußvolk auch das geben, was sie wollen: Bier um zwei bis drei Euro, zumindest in eigenen Ständen. Oder HotDogs, die nicht 7 Euro und 50 Cents kosten – ganz egal, ob sie aus Zupfsau-Fleisch, also pulled pork, bestehen oder nicht.

Tja, und ab da reißt meine Erinnerung stark ab. Ich weiß noch, dass mich jemand geschimpft hat – am Weg zur FM4-Bühne, weil ich einen Österreich-Schal um meinen Hals trug. Den habe ich zuvor irgendwo am Boden gefunden, er riecht auch etwas seltsam. Ich weiß noch, wie ich diesem Menschen "I bims, ein Migrant, Amina" hinterherrufe. Ich weiß noch, dass ich meine Freunde verloren habe. Ich weiß noch, wie ich zwei Stunden lang meinem Gspusi das Leben zur Hölle gemacht habe, weil er "fressen" statt "essen" gesagt hat und meinen drei Euro-Kebab im Zuge des Dramas einfach liegen gelassen habe, weil ich sicher nicht fresse. Ich weiß noch, wie ein Mädchen mit Oberlippen-Piercing mir Rückendeckung gibt und mir "GIB IHM" hinterher geschrieen hat. Zehn Bier an einem Sonntag-Nachmittag aus der Dose sind trotz Nüchternheits-Bekundungen kein Problem, aber das Wort "Fressen" schon. Raute: Traumfrau, Raute: stabil.

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Simon, ich und eine der ganz wenigen SPÖ-Werbungen.

Ich weiß noch, wie ich zu Brenk Sinatra tanze und meine Freunde wieder verloren habe. Ich weiß noch, wie ich zu DUB Fx sitze (?!) und meine Freunde verloren habe. Ich weiß noch, wie ich ungefähr drei Rettungseinsätze gesehen habe. Und ich weiß noch, dass jeder zweite Gast ein Polizist war, was mich aus Nervosität zum weiteren Trinken animiert hat. Mein Sicherheitsgefühl leidet ja leider eher, wenn viele Bullen am Start sind: Das war in der Josefstädter Straßen-Zeit so und dieses Mal auch. Ich weiß noch, wie mein Kollege mich gefragt haben, ob ich auf die teure Kamera aufpassen kann, ich ja sage und sie beim Hinsetzen herunterwerfe.

Alles in allem hatte ich einen DIF-Besuch wie 2007. Viel Alkohol, viel Drama, viel Herumgehen, viel Werbegeschenke sammeln und Helium einatmen (DANKE SPÖ, X SPÖ) und meine Freunde verlieren. Und es war irgendwie geil. Der einzige Unterschied zu damals, war tatsächlich mein nüchternes Hinkommen und mein Nicht-Schmusen mit Menschen, die auf der Prater-Insel gechillt haben. Ich hatte auch keinen zusammengemischten Wodka mit. Ich glaube, freiwillig und pro-aktiv mache ich das wieder einmal ein paar Jahre nicht, aber wer weiß, vielleicht ist ja nächstes Jahr auch ein pro-aktiver Freundeskreis aus dem österreichischen Ausland am Start. Hätte ich Spaß gehabt, wenn ich nicht drei Promille hätte? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, weil ich das DIF nur mit drei Promille kenne. Aber wahrscheinlich nicht. Und wissen will ich es irgendwie doch auch nicht.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin.

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