Wie ich in 5 Phasen zum Electric Love-Fan wurde
Symbolfoto, unser Autor hat nicht mit Steve Aoki gechillt | Foto: Klemen Stular 

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Wie ich in 5 Phasen zum Electric Love-Fan wurde

"Schon am Salzburger Bahnhof sind die Ausmaße des Festivals zu spüren – überall befinden sich mit Schlamm beschmutze Menschen."

Ich muss gestehen, dass ich so in etwa fünf Acts des diesjährigen Electric Love-Festivals kenne – und bei diesen auch nur einige Tracks. Nichtsdestotrotz konnte man mich überreden, dem größten EDM-Festival Österreichs beizuwohnen. Für manche das Highlight des Jahres, für andere die monströse Weiterentwicklung einer Dorfdisko. Also dachte ich mir, ich gehe das unvoreingenommen an und lasse mich einfach mit einer Gruppe an Electric-Love-Veteranen mittreiben. Etwas Schlimmeres als ein Kater kann kaum dabei rauskommen. Im Nachhinein betrachtet, ist der Kater nur halb so wild, dafür ist es viel schwieriger, die unglaublichen Eindrücke an Loudness, Feuerwerk und Menschenmassen in Worte zu fassen. Also habe ich ganz einfach meine zwei Abende am Electric Love in fünf Phasen unterteilt – vom Ankommen bis zum Heimtorkeln.

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Foto: Heidie Duteweert

1. Das Ankommen

Schon am Salzburger Bahnhof sind die Ausmaße des Festivals zu spüren. Überall befinden sich mit Schlamm beschmutze Menschen, die sich vormittags wegen des schlechten Wetters doch noch schnell Gummistiefel gekauft haben. Im Bus fällt mir auf, dass durchschnittlich eher jüngere Leute um die 18 zum Publikum gehören – alle sehen normal aus. Fast etwas zu normal – die Blogger-Gold-Tattoos und diverse halbdurchsichtige Coachella-Styles sucht man fast vergeblich. Im Bus versuche ich, mich schnellstmöglich auf das Level der Umgebung zu saufen. Endlich angekommen, betrete ich das Gelände neben einem Mädchen, das als Pikachu verkleidet ist. Zusammen exen wir mein Getränk, bevor es die Securitys wegnehmen. Ach, und es regnet.

2. Das Ansaufen

Der Spiegel ist mittlerweile angenehm. Nach zwei tiefen Schlucken aus dem Flachmann wird Geld auf das Festival-Armband geladen. Nun steht uns endlich das etwas eintönige Angebot an der Bar zur Verfügung und die eine Zigaretten-Marke des Festivals kann gekauft werden. Aber diese 100 Euro auf dem Armband sind doch recht schnell weg. Man fragt sich, wie die Menschen bei diesen Preisen dicht bleiben können.

Ich glaube, nüchtern würde man in diesem Getümmel aus Schlamm, Regenmäntel-Ganzkörperkondomen und stampfenden Menschen den Verstand verlieren. Fälschlicher Weise war ich immer der Annahme, dass es hier wie am Tomorrowland zugeht: Ein E hier, dort ein Näschen und dann 10 Stunden durchstampfen. Da bin ich wohl wieder falsch gelegen. Im permanenten Nieselregen scheinen die Leute einfach nur die Musik zu feiern und das von der ersten bis zur letzten Reihe. Da wird nicht viel gequatscht, da wird einfach nur getanzt. Eigentlich hätte ich gerne mehr gelästert, aber nun stehe ich vor der Q-Stage, bis zum Hals voll mit Vodka-Red-Bull-Irgendwas und springe zu einem Hardstyle-Remix von Green Days "Boulevard Of Broken Dreams". Uff.

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3. Das Beobachten

Foto: Felix Baptist

Spätestens als wir direkt vor der Bühne sind, musste ich mir Ohropax in die Ohren stopfen. Denn Hardstyle ist unmissverständlich das Boss-Genre in Sachen Bass und die unendlichen Drops massieren nicht nur das Trommelfell, sondern pressen den Sound direkt ins Hirn. Mit Gehörschutz und sattem Rausch im Gesicht kommt mir nun die Welt etwas weiter weg vor und ich stehe inmitten der brodelnden Masse vor der Q-Stage. Das Bühnenbild wirkt dermaßen surreal: ein riesiger Kopf mit Helm, umringt von tausenden Lichtern und Formen. Der Kopf erinnert an die Elbenkrieger aus Herr der Ringe. Der Hypeman (nennt man das so bei EDM?) schreit ab und an ins Micro, wer grad auflegt. Was aber eigentlich fast egal ist, da man ständig nur die selben Lieder hört – unterbrochen von epischen Synthie-Flächen und einer Stimme, die in tiefer Honest-Movie-Trailer-Manier irgendwas über "Eternity" oder "the Sound of a new Era … Era … Era" schwafelt. Neben mir hat es endlich zwischen dem rosa Power Ranger und der blonden Dame im roten Top gefunkt und sie bleiben inmitten der Masse kurz bewegungslos stehen und küssen sich. What a time to be at Electric Love Festival.



4. Das Loslassen

Die Zeit vergeht wie im Rausch. Zu dem Sound kann man eh nicht chillen, also bleibt nur das totale Loslassen. Also noch ein Drink, ups, runtergefallen. Ach, was soll’s, halt ich halt wieder mein heiliges Armband an die Bar – Geld und Realität sind beides Dinge, die hier nicht mehr greifbar sind. Irgendwo an dieser Stelle hat man mich überredet, in diese bescheuerte Kugel an zwei Schnüren einzusteigen und mich damit in den Nachthimmel schießen zu lassen. Ab nun waren auch meine Ohrstöpsel Geschichte und der 10-Euro-Burger (zu diesem Zeitpunkt der beste, den ich je gegessen habe) hatte große Schwierigkeiten, die Aufregung im Magen zu überleben. Zum Glück kann mich Marshmello wieder etwas beruhigen – endlich mal Trap-Beats. Noch nie habe ich mich so über einen Logic-Song gefreut. Ich bin sogar versucht, den Kerl zu umarmen, der neben mir mitrappt. Hilft nichts, es geht wieder zurück zur Q-Stage, wo eine der wenigen weiblichen Acts namens Deetox (vielleicht sogar die Einzige?) wieder zum Hardstyle-Hackbeil greift.

5. Die Erkenntnis oder das Ré­su­mé

Ich war schon auf dem Urban Art Forms (R.I.P.), am Frequency und sogar schon beim Wacken.. Aber noch nie habe ich so ein abartig krasses Bühnenbild gesehen. Klar, irgendwie protzig – aber es hätte passender nicht sein können. Ca. 80.000 Besucher stampfen sich täglich über das Gelände und zwar in überraschender Harmonie. Ich habe keine einzige Stänkerei mitbekommen und auch niemanden kotzen gesehen. Etwas ernüchternd war, dass es eigentlich keinen Unterschied macht, wer auflegt – immer und immer wieder kommen dieselben Hits von "Faded" und diversen Linkin- Park-Hits bis "Seven Nation Army" in verschiedensten Edits.

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Ein klein wenig konnte Timmy Trumpet herausstechen, der wenigstens eine Trompete dabei hatte und wohl neben Felice am Flügel die einzigen Töne spielte, die nicht vom Band kamen.

Auch Steve Aoki, die Party-Legende, die sogar mit Dan Bilzarian chillt, war irgendwie etwas unspektakulär. Am Ende schmeißt er halt ein paar Torten in die Menge. Bumm, nochmal Feuerwerk und das Spektakel ist zu Ende. Die Busfahrt nach Salzburg ist enorm ernüchternd und ich bete, dass ich den Geschmack von diversen Red Bull plus zu viel Zigaretten wieder aus dem Mund bekomme. So wie es aussieht, sehen wir uns nächstes Jahr wieder. Diesmal miete ich mir aber so ein Bauernhaus neben dem Gelände.

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