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Konzertreview

"Nazis raus, Schwanz rein!" – Jennifer Rostock im Wiener Gasometer

Jennifer Rostock und Jupiter Jones heizten dem Wiener Gasometer wortwörtlich ein und lieferten eine fette Show ab.

Nein, die Band war nicht schlecht – die Mittelfinger galten Nazis. Header vom Autor

Am Samstagabend war die Hengstin Jennifer Weist mit ihrer Band Jennifer Rostock im Wiener Gasometer zu Gast, nachdem das ausverkaufte Konzert von der Arena dorthin hochverlegt wurde. Generell scheint es für die fünfköpfige Band gerade ziemlich gut zu laufen, es sind nur noch für wenige Konzerte der "Genau in diesem Ton"-Tour Karten verfügbar. Das machte sich schon bei der Ankunft bemerkbar, an allen Eingängen reihte sich ein gemischtes Publikum vom tätowierten Emo-Teen bis zu Hardcore-Fans in ihren Mittvierzigern.

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Als wir drinnen angekommen sind, hat die Supportband Jupiter Jones – die ab der Wienshow die Rogers als Vorband ablösten – bereits gespielt. Ihr kennt die eh. Das sind die, die 2011 mit ihrem Song Still im Radio auf und ab gespielt wurden. Schon damals habe ich mich gefragt, wie es der Typ schafft, im Refrain so hoch zu singen. Zum Glück wurde mir das bei der Show beantwortet. Die Jeans vom Sänger war so eng, dass mich auch die höchste Sopranlage nicht mehr gewundert hätte. Damit hat er mich in meiner Prophezeihung bestärkt, dass es in spätestens zehn Jahren gesellschaftlich akzeptiert sein wird, wenn auch Männer in Leggins herumrennen. Props, Bro!

Kurz vor 21:00 Uhr endete die Show der Vorband, nachdem sie das Publikum aufgefordert hat, die Hände gegen Rassismus, Homophobie und Nazis zu erheben – was der rote Faden der gesamten Konzertansagen bleiben sollte. Die Crowd applaudierte heftig und somit ist auch bewiesen, dass sich ruhig mehr Musiker zu einer (vernünftigen) politischen Haltung bekennen könnten.

Foto vom Autor

Die kurze Umbaupause aka schnell-pissen-und-ein-Bier-holen-gehen-Zeit wurde in alter Gasometer-Manier mit Nellys "Hot in here" eingeläutet. Ich weiß nicht, ob sich da jemand einen kreativen Musik-Wortwitz erlaubt hat oder ob die Tontechniker alle den gleichen Musikgeschmack haben, jedenfalls war das nicht das erste Mal, dass genau das der erste Track der Umbaupause war. Gelogen war es aber nicht, denn langsam machten sich die ungefähr 2800 Leute bemerkbar und die Halle füllte sich.

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Richtig kuschelig wurde es dann, als das Licht ausging und die Band auf die Bühne sprintete. Es wurde laut gekreischt und Jennifers Silhouette begann hinter dem Vorhang zu tanzen. Als der Vorhang fiel, betrat eine ungewohnt angezogene Jennifer die Bühne. Wir scherzten in unserer Runde aber, dass das nicht lange so bleiben würde – und hatten recht. Mit Baukränen fand das Konzert einen sehr energetischen Anfang und Jennifer konnte beweisen, dass sie nicht nur singen sondern auch schreien kann.

Im ersten Teil des Konzerts richteten sich die Ansagen hauptsächlich an die weiblichen Fans in denen sie weibliche Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein ansprach. Abgeschlossen wurden diese Ansagen standesgemäß mit einem Schnaps (wenn sie nicht schon mit einem angefangen haben). Der erste Konzertteil endete mit Kaleidoskop zu dem Nico Webers – der als enger Bandfreund und Sänger der Deathcore-Truppe War from a Harlots Mouth bekannt ist – auf die Bühne kam. Zum ersten Mal lachte mein müdes Metal-Herz, als Jenny ihre Stimmbänder zusammen mit Nicos Scream-Part ordentlich reizte. Und auch Drummer Baku schaute irgendwie amüsierter aus als er endlich seinen ersten Breakdown runterklopfen durfte. Am Ende des Songs verschwand Jennifer von der Bühne, nur um kurz darauf bei den Tontechnikern am hinteren Publikumsteil wieder aufzutauchen. An dieser Stelle ein herzlichen Shoutout an die Person, die mich angetippt hat und mir gezeigt hat, dass Jenny hinter uns steht. Ohne dich hätte ich das wahrscheinlich länger nicht gecheckt.

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Der Rest der Band folgte Jennifer auf die zweite Bühne, wo sie "Irgendwo anders" und "Jenga" in der Unplugged-Version spielten. Im Vergleich zu meiner ersten Jennifer Rostock-Show, die ich im Sommer 2011 gesehen habe, war das ziemlich ruhig. Damals holte sie noch den teilnahmslosesten Typen aus der ersten Reihe auf die Bühne und motivierte ihn mit einem Lapdance zu "Irgendwo anders". Mittlerweile geht sie es ein bisschen ruhiger an – was auch verständlich ist. Die Sängerin nutzte außerdem den sehr publikumsnahen Moment auch, um zu betonen, dass sie ihre Beine gestern nicht rasiert hat und streckte sie fröhlich in Richtung der fotografierenden Menge.

Im dritten Konzertteil ging es stark weiter und auch die Ansagen blieben sehr politisch – im Verlauf des Konzerts bezeichnete sie Donald Trump als hässlichen, gelben Sack und forderte dazu auf, wählen zu gehen – und nach dem Song "Ein Schmerz und eine Kehle", in dem sich die Band solidarisch mit der LGBT-Community zeigt, schwenkte Jennifer die obligatorische Regenbogenfahne. Und anscheinend haben sich ein paar Leute im Publikum im Konzert geirrt – bei Ansagen gegen Nazis flogen teilweise Bierbecher in Richtung Bühne. Gegen Ende des Konzerts war ich dann kurz ein bisschen enttäuscht vom Publikum, weil sich bis dahin keinerlei Moshpits gebildet haben, obwohl die Leistung der Band eindeutig dazu einlud. Aber meine Enttäuschung sollte ungerechtfertigt bleiben als sich bei "Wir waren hier" doch der erste Moshpit und etwas, dass man vielleicht schon als Wall of Death bezeichnen kann, bildete.

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Als Zugabe wurde unter anderem "Schlaflos" im Duett mit Jupiter Jones-Frontmann Sven gespielt. Meine müden Augen haben nicht gleich erkannt, wer sich da zu Jennifer auf die Bühne gesellt hat, also habe ich bei meinen Begleitungen nachgefragt. Nach einem "Du musst nur auf die Hose schauen!" wars mir aber ziemlich schnell klar. Auch Sven bekam noch seinen verdienten Pfeffi-Shot und diesmal rotzte Jennifer ladylike in das leere Stamperl, das dann eine Frau in der ersten Reihe getrunken hat. Immerhin bekam sie auch einen Schnaps, um das Ganze runterzuspülen. Nachdem auch die Zugabe endete wartete das ganze Publikum gespannt auf "Hengstin" und das kam dann doch noch als letztes Encore, wieder auf der Zweitbühne bei den Mischpulten. Wieder auf der Hauptbühne angekommen rief Jennifer nochmal die komplette Supportband auf die Bühne und mit einem sehr überzeugend geschrienen "Nazis raus, Schwanz rein!" endete die fast zweistündige Show, die eine sehr zufrieden aussehende Crowd hinterließ.

Sandro auf Twitter: @voriboy

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