Music when the lights go out—ein Nachruf auf den Weekender

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Music when the lights go out—ein Nachruf auf den Weekender

In Innsbruck dreht demnächst eine der wichtigsten Kulturinstitutionen des westlichen Winkels für immer die Bühnenscheinwerfer auf Stand-By: Weekender, wir müssen dich lassen.

Header: Sperrstunde.at, Fotos von Sperrstunde.at

Als Kaiser Max von Innsbruck Abschied nahm, schrieb er die Wehmut in den Text des referenzierten Stückes und im Weiteren auch ein bisserl in die Herzen der Zurückgebliebenen. Diesmal bietet zwar nicht die Stadt selbst Anlass zur Sadness—der Abschied einer der wichtigsten Pilgerstätten für Musik- und Clubbinghungrige dürfte aber ebenso viel Tränen-Emojis generieren. Bevor es aber zu volkstümlich wird und mir die Leser aus St. Nikolaus und 3-Heiligen (s/o) abspringen, hier nun der Weekender-Epitaph.

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Blood, sweat, tears, The Buccaneers

Oft wurde der Weekender in letzter Zeit totgesagt. Immer wieder erhob sich das jedoch wie der Phönix aus dem Aschenbecher und versuchte, mit wechselnden Konzepten noch einmal Blut und Besucher durch die kalkigen Arterienwände des Einlassbereiches zu pumpen. Das Café im Erdgeschoß wurde kürzlich weiß gepinselt und zu einem Silent-Disco-Mischling umfunktioniert. . Schleichend wurde deshalb wieder zu einem klassischen Clubbetrieb gewechselt. Der Endgegner Konzertlautstärke war laut Betreibern der Grund für eine Häufung von Klagen seitens NachbarIn. Der Keller und eigentliche Ur-Club mutierte nämlich immer mehr zum reinen Konzert- beziehungsweise Veranstaltungsort. Ausufernde Clubnächte reduzierten sich zusehends.

Club-Café-Konglomerat

Ein Club mit Club-Konzept, das nie wirklich zündete

MacBook Pro Mid 2006

Allen Investitionen, Neuorientierungen und Umbauten zum Trotz, wollte der Balance-Akt auf der Schere zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit dann nicht mehr gelingen. Da Clubbetreiber selten jünger und kräftiger werden, musste man sich letzen Endes eingestehen, dass das Anreiten gegen obige Windmühlen nicht mehr dafürsteht. So wurde an einem würdevoll-wirkungskräftigem Datum das Aus für den gesamten Weekender verkündet. Alle weinten.

Wirf zurück, den Donnerstag

Gar nicht so smart

Das etwas überraschende Ende war im Herbst 2006 noch keineswegs vorhersehbar. Die Arctic Monkeys waren der neue heiße Scheiß und man verfolgte akribisch sämtliche Alkohol- und Drogeneskapaden des verkannten Poeten Pete Doherty. Gekuschelt wurde zu José Gonzáles (Wissendere bevorzugten natürlich das The Knife-Original) und ein paar Hanseln adaptierten bereits Hedi-Slimanes-Fashion-Diktat und zwängten sich in enge Jeans, Lederjacken und Chelsea Boots. Und das war schon ein Statement, in diesem (zugegeben leider immer noch) von Mammut-Funktionsjacken und Salomon-Tretern vergifteten Tourismus-Städtchen namens Innsbruck. Die damals (neu) aufbrandende Post-Punk-Welle traf—zwar wie üblich mit ein wenig Verspätung, dafür aber mit voller Heftigkeit—Tirols Hauptstadt. Und das lieferte nicht weniger als perfekten Nährboden für einen Ort, der Gitarrenmusik ins Rampenlicht, die Strokes auf die Plattenteller und den Cider auf die Bar stellte.

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Prometheus' Promises

Band-Suchspiel

Glücklicherweise fand sich in einem der dunkelsten Keller Innsbrucks ein Duo, das diesen Zeitgeist vorab erschnüffelte und bereits Beziehungen zu Konzertveranstaltern in München und eben dem damaligen europäischen Musik-Epizentrum London unterhielt. Legend says, dass Justin Barwick und Andreas Franzelin im Prometheus-Keller beim Auflegen die Idee gebaren, mal eine eigene Club-Nacht im größeren Rahmen zu organisieren. Als Location wurde das etwas abgelegene Nutopia in Wilten auserkoren. Das passte. Hatten ja bereits Nirvana dort musiziert. Außerdem ließ sich der Stadtteilname mit ein wenig Süffisanz und Britishness zu einem polierten Wilton umdichten.

Die monatliche Clubnacht avancierte vom Insidertipp zum musikalischen Fixstern einer Studentengeneration, die sich von der Tourismushölle rund ums Goldene Dachl gen Süden in die Eskapismus-Arme eines Londoner Modclubs flüchtete. Justin und Super-Andersonic hatten währenddessen in mehreren Finanzierungsrunden den Grundstein zur Übernahme des Nutopia gelegt. Dann wurde geklotzt: Im Keller wurde die Bühne mitsamt technischen Installationen generalsaniert und der obere Auslauf zum Britpop-Café umgestaltet, wo vor und nach den Konzerten über die Cuteness des Drummers schwadroniert werden konnte. Unter all den Band-Prints, die das Who is Who (also Amy Winehouse und The Who) des Soundkosmos zeigten, präsentierte auch Noel Gallagher durch sein Tamburin sein herzlichstes resting bitch face. "Time is a flat circle" heißt es bei Kollege Nietzsche. Geschichte wiederholt sich. Leider auch in der Tschamlerstraße.

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Hinten: Gallagher samt Tamburin

Im Fahrwasser der ständig von Neuem aufgewirbelten NME-Hypes gelang es dem Weekender-Team, mehrere Hunderte Konzerte in elf Jahre zu quetschen. Wenn Bands das Münchner Atomic Café (inzwischen auch tot) beehrten, konnte man so gut wie sicher sein, dass sie auch in Innsbruck Halt machten. Und wenn, dann im Weekender. Als wohl wirksamstes Kundenbindungs-Konzept installierte der Club eine Studentsnight am ausgehschwachen Montag. Konzept: Es spielte eine Band für lau und Bier und die Schnapspreise oszillierten gegen Null. Strategisch war das sehr wertvoll. Ist Innsbruck doch eine Stadt, in der Lokale abhängig vom Wochentag frequentiert werden. Der Wochenanfang war noch nicht wirklich besetzt. Der Montags-Tenor war deswegen über Jahre hinweg: Es wird voll. Es braucht eine zweite Hall (so heißt der Typ, der die Gläser abräumt).

¯_(ツ)_/¯

Der Erfolg bei dem frisch eingetroffenen Studentenpublikum zog dann ziemlich bald Naserümpfen seitens der Vorgänger-Ausgeh-Generation mit sich. Der Weekender sei zu jung, zu sehr Ballermann für Trinkwillige, die Rotz-Rock als Hintergrundbeschallung für ihre ersten Biereskapaden benötigen. Meistens kam dies halt von genau dem Publikum, das ein paar Semester zuvor selbst, hinter einem Onkel Eiskurt verschanzt (= irgendwas mit crushed Eis und Absinth), "Don't Look Back In Anger" im Prometheus-Keller paraphrasierten. Auch die in Innsbruck manchmal so dringend benötigte Plattform für Exzess, die der Weekender stellte, ließ den progressiven Geschmackspolizisten (sprich: der Stegmayr und Co.) gerne die Haare am Hintern Richtung Seegrube stehen.

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Fight for your right

Der Weekender musste immer um sein Dasein kämpfen. Selbst in der Hochphase der Nullerjahre wurde das Programm immer von Studentenfeten, Snowboard-Video-Release-Partys, Elektronik-Veranstaltungen und dem LGBT-Event "Land of Oz" zersetzt. Das Lokal bewies hier auch, dass ein friedliches Nebeneinander von Freiluft-Enthusiasten und Betonfetischisten im oft biederen Innsbruck auch ohne Subventionierungen möglich ist. 
Das Café wurde ähnlich interdisziplinär bespielt: Zeitweise fanden dort neben intimeren Akustik-Konzerten sowohl Filmvorführungen mitsamt Popcorn als auch Music-Quiz-Nächte statt. Im Mittelgeschoss durften sich zudem temporär die Stammgäste und KellnerInnenschaft an den Technics-Spielern und an dem randvoll mit Heineken gefüllten Minikühlschrank vergehen.

Bravo, Hits

Auch wenn die Konzerte nicht immer von der hiesigen Geschmacks-Front akkreditiert wurden, hat es der Weekender doch wie kein zweites Lokal geschafft, junge Menschen an Bands wie die Smiths, The Cure oder Talking Heads heranzuführen. Und wenn das manchmal über ein Killerpilze-Konzert gehen muss, ist das halt auch hart OK. 
Dass diese Tatsache unumstößlich ist, erkennt man bereits an der Menge von Konzertbesuchern, die inzwischen selbst auf der Bühne stehen und im Weekender-Kosmos keine unbeschriebenen Notenblätter sind und waren (Vague, Lea Santee, Molly oder eben die guten Vormärz).

Shine a Light

There is a light that never goes out

Schlussendlich wurden im Weekender eben einfache Trinkbekanntschaften gepflegt und eh auch Freundschaften geknüpft, popkultureller Diskurs betrieben und natürlich auch dem Drang nach Feiern und Knutschen nachgegangen. Manchmal braucht es dafür nicht mehr als "Mr. Brightside" auf Stufe 11. 
Es bleibt in Anbetracht der drohenden Schließung weit mehr als grausamer Phantomschmerz, denn manchmal sind es die Erinnerungen, die nicht totzukriegen sind. Oder um den Doherty zu verunstalten: And all the memories of this pub, and the clubs and the drugs and the tubs / We shared together / They'll stay with us forever.

Ein kleiner Überblick über die Konzertvergangenheit des Weekenders:

ADAM GREEN ALAN MCGEE (CREATION RECORDS) ASH BEATSTEAKS BLACK LIPS BLOOD RED SHOES KURTIS BLOW BLUES PILLS BONEHEAD (OASIS) BRIAN JONESTOWN MASSACRE TIM BURGESS (THE CHARLATANS) CANNIBAL CORPSE CSS EZRA FURMAN FRANK TURNER & THE SLEEPING SOULS GLEN MATLOCK (THE SEX PISTOLS) GRANDMASTER MELLE MEL DJ GRANDWIZARD THEODORE JAMIE T. MIKE JOYCE (THE SMITHS) QOTSA KADAVAR EUGENE KELLY (THE VASELINES) KING KHAN & THE SHRINES LAGWAGON ANDY LEWIS (PAUL WELLER BAND) MANDO DIAO MARKY RAMONE (THE RAMONES) NADA SURF PETER DOHERTY (THE LIBERTINES) PETER HOOK (JOY DIVISION / NEW ORDER) PORTUGAL. THE MAN THE POSIES RAY WILSON (GENESIS) RAVEONETTES SCOTT MATTHEW SHOUT OUT LOUDS SOUNDTRACK OF OUR LIVES SUGAR HILL GANG TEENAGE FANCLUB THE HIDDEN CAMERAS THE PHARCYDE THE PIGEON DETECTIVES THE SUBWAYS THERAPY? THE WARLOCKS THE WAVE PICTURES THE WEDDING PRESENT THE WOMBATS TWO GALLANTS UNCLE ACID & THE DEADBEATS

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