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Interviews

„Mich hat noch nie jemand gefragt, ob ich schwul bin“—Parov Stelar im Interview

Vor dem Wien-Konzert haben wir uns mit Parov Stelar getroffen und mit ihm über beschissene Jobs geredet und darüber, wie er einmal dachte, entführt zu werden.

Foto: Jan Kohlrusch

Marcus Füreder alias Parov Stelar ist wohl jedem ein Begriff. Zumindest sollte er das sein. Deswegen sparen wir uns eine unnötig lange Einleitung mit Lobpreisungen und sagen euch einfach nur so viel: Wir haben uns mit Parov getroffen. Im Rahmen seines Interviewmarathons vor dem Konzert in der Marx Halle. Wir hatten 15 Minuten Zeit.

Noisey: Bei deinen Österreich-Shows der „Demon Diaries“-Tour hattest du Ages als Support dabei. Hast du dir das selber ausgesucht?
Marcus: Ja, ich wollte die Jungs unbedingt haben. Wir sind schon seit 15 Jahren gemeinsam unterwegs und begleiten uns sozusagen gegenseitig. Ich steh auch einfach so massiv auf das neue Projekt von ihnen. Das ist so ein erwachsener, cooler Sound. Das wär gar nicht anders gegangen.

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Erzähl mal von einem verrückten Happening in deinem Tourleben.
Ich kann mich erinnern, wie ich in der Ukraine eine Show gespielt habe. Als die Show fertig war, haben uns sechs schwarz gekleidete Männer—mehr oder weniger—von der Bühne runtergestoßen und in einen Transporter reingedrängt. Zuerst hab ich mir gedacht, das ist eine Entführung. Wir haben nichts gewusst von der ganzen Aktion, sind irgendwohin gefahren. Plötzlich bin ich mit meiner Band mitten in der Ukraine in einer riesigen Talkshow. Wir haben uns überhaupt nicht mehr ausgekannt.

Du hast bei deiner jetzigen Tour immer wieder freie Tage dazwischen. Denkst du dir mittlerweile, du bist zu alt für den Scheiß und brauchst dazwischen ein bisschen Pause?
Naja, es geht. Jeden Tag kann und will man einfach gar nicht spielen, weil es ja auch noch ein normales Leben gibt—sprich Familie. Wenn sich irgendwie die Möglichkeit ergibt, doch mal einen Tag daheim zu sein, dann ist das schon schön. Man muss seine Batterien auch irgendwie aufladen, sonst kannst du das nicht durchstehen.

Ist es dir also wichtig, am Boden zu bleiben?
Absolut! Ich glaube, es gibt nichts schlimmeres, als die Bodenhaftung zu verlieren.

Wie stellst du das dann an?
Das passiert automatisch, wenn du Familie hast. Da musst du deinen Egoismus, den jeder Künstler wahrscheinlich inne hat, ein bisschen zurückstellen. Deinem Sohn ist es völlig wurscht, was du machst. Wenn er Hunger hat, hat er Hunger und wenn er grantig ist, ist er grantig. Der nimmt da keine Rücksicht drauf. Aber das ist auch gut so. Ich hab’s vorher auch nie überschätzt, dieses Künstlersein. Natürlich ist der Applaus etwas wahnsinnig Schönes, aber auch etwas sehr Temporäres. Man darf’s nicht überschätzen.

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Du bist also geerdet.
Es gibt ja verschiedene Erdungen. Ich versuche zumindest, geerdet zu sein. Aber natürlich hat Erdung sehr viel mit Routine zu tun und geordneten Abläufen, die in diesem Geschäft nicht wirklich relevant sind. Darum muss man schon schauen, dass man sich sein eigenes Wohlbefinden erhält. Ich bin jetzt auch nicht mehr 22 und mache jeden Tag Party, weil es sonst sein könnte, dass ich etwas versäume. Ich hab nicht viel ausgelassen, darum kann ich auch mal aussetzen.

Foto: Stefan Sappert

Beobachtest du die österreichische Musikszene?
Es interessiert mich schon, aber ich beobachte sie jetzt nicht aktiv. Zum einen war das letzte halbe Jahr so massiv von unserem eigenen Album beschlagnahmt, dass ich dann eigentlich immer sehr froh war, wenn ich einmal nichts mit Musik zu tun gehabt hab. Aber ich hab natürlich mitbekommen, dass sich da jetzt einiges bewegt hat, was ich echt begrüße. Ich finde es sehr schön, dass da wirklich wieder mal was passiert und Musik aus Österreich wieder hip ist.

Wer hat deiner Meinung nach großes Potenzial?
Es gibt da meiner Meinung nach wirklich zwei Acts. Momentan ist immer die Rede von Wanda und Bilderbuch, was extrem super ist. Nur gibt’s auch zum Beispiel Camo&Krooked oder Klangkarussell. Das sind zwei Acts, die Österreich nicht nur im deutschsprachigen Raum transportieren, sondern wirklich international. Die werden aber immer ein bisschen vergessen, was ich sehr schade finde.

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Gibt’s eine Frage, die dir noch nie gestellt wurde, bei der du dir denkst „wann kommt die endlich“?
Ich hab’s mir mal durchgerechnet, ich hab um die 2000 Interviews gegeben, ich glaub, da ist jede Frage irgendwann einmal dabei gewesen. Obwohl ich dazu sagen muss, dass ich bei den meisten früher besoffen war, also an die kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Das Problem ist, von außen hin klingt das alles ja viel spannender, selber erlebt man das viel nüchterner, was da passiert und man fragt sich manchmal, wie kann das sein, dass die Leute das überhaupt so interessant finden? Vielleicht ist das die Frage … Mich hat noch nie jemand gefragt, ob ich schwul bin. Dafür gibt’s immer wieder so dreiste Fragen wie „Wie viel verdienst du?“, „Hast du ausgesorgt?“ oder „Hast du ein Boot?“.

Welche Frage kannst du nach rund 2000 Interviews nicht mehr hören?
Woher kommt der Name Parov Stelar? Da hab ich eine Zeit lang meine Geschichten dazu gehabt, aber irgendwann hab ich mir das auch wieder aufgehört. Es ist einfach ein Fantasiename. Aus, Ende.

Foto: Stefan Sappert

Du hast dich ja auch hocharbeiten müssen. Was war der beschissenste Job, den du auf deinem Weg gemacht hast?
Ich hab einmal Bierschankservice gemacht. Das heißt, du fährst von stinkendem Beisl zu stinkendem Beisl und putzt diese Bierpippn und diese ganzen Dinge, die so passieren rund um die Nacht … war nicht fein. Ich hab nach dieser Erfahrung sehr lange kein frisch gezapftes Bier mehr getrunken.

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Zu welcher Jugendszene hast du einmal dazugehört?
Ich war mit 16 ein wahnsinniger Vespa-Freak. Mich hat die ganze Mod-Bewegung der 60er Jahre in England extrem fasziniert. Das war mein Ding. Ich bin immer mit dem Anzug in die Schule gegangen, da haben alle gesagt „Der hat einen Vogel!“. Recht haben sie gehabt. Ich hab meine alte Vespa immer noch.

Welche Farbe hat die Vespa?
Elfenbeinweiß.

Classy. Was war die offensivste Anmache?
Das war in irgendsoeinem Bunker, da ist eine hergekommen und hat einfach gefragt „Möchtest du ficken?“.

Lass mich raten, war das in Berlin?
Genau, das war in Berlin. Wir sind so offen, wir sind so frei!

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