Wir haben einen Bakterientest am Frequency gemacht
Alle Fotos: Christopher Glanzl

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Festivals

Wir haben einen Bakterientest am Frequency gemacht

Wie verseucht können ein Dixi-Heisl, eine Männerdusche und ein Literbecher schon sein?

Kennt ihr diese Nuppler, die sich aus Hygienegründen weigern, die Haltegriffe in der U-Bahn zu berühren und dadurch schon beim leisesten Hauch einer Bremsung durch den Waggon torkeln, als hätten sie nie richtig gelernt, wie man auf zwei Beinen steht? Die, die immer ein bisschen angschodert wirken, wenn sie kläglich versuchen, Türgriffe mit dem Ellbogen zu öffnen, wie der erste Mensch? Die, denen das Desinfektionsgel förmlich aus den Poren trieft?

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Ich bin keiner von denen. Das heißt jetzt nicht, dass ich mich mutwillig auf Klobrillen setze, auf denen offenkundig fremder Kot lauert – keineswegs –, aber die meisten Alltags-Bakterien sind mir dann einfach zu omnipräsent, als dass ich mir überhaupt noch die Mühe machen würde, ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich halte es da recht österreichisch, denke mir "ah schon Wurscht" und stecke meine Drecksgriffel unbesonnen in sämtliche Keimbrutstätten, die mir so unterkommen: Bankomaten, fremde Körperöffnungen, Lichtschalter, süße Hunde und das Handy meiner Oma.


Passend zum Thema Festivals:


Auf dem Frequency kommt mir so ein Dirty Mindset nur zugute – ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass es sich hierbei um ein Festival handelt, auf dem ein nahegelegener Fluss von tausenden Menschen gleichermaßen als Bade- wie auch als Abstuhl-Gelegenheit herangezogen wird. Mit Bakterien-Angst kann man auf so einer Veranstaltung eigentlich nur verlieren.

Dass musikalische Großveranstaltungen aber auch (und eigentlich vor allem) abseits von Aspekten wie Körperpflege und -entleerung unappetitlich sein können, wissen wir inzwischen nur allzu gut – denn die mit Abstand grausigste Grausigkeit auf einem Festival ist weder fäkal noch sanitär, sondern gewoben: Eine Studie aus England hat 2015 bewiesen, dass unsere geliebten Festivalbändchen in Wirklichkeit Bakterienschleudern aus der Hölle sind und ihr alle im Grunde genommen mit einem vollgeschissenen Dixi-Heisl an eurem Handgelenk durchs Leben geht.

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Sieht aus wie Suppe.

Aber Siff beiseite: Kann man die öffentlichen Frequency-Duschen eigentlich nutzen, ohne sich dabei den Fußpilz des Todes einzufangen? Ist es vertretbar, gegen die höchste aller Festival-Regeln zu verstoßen und sich auf eine Klobrille zu setzen, zumindest dann, wenn sie oberflächlich noch relativ unberührt wirkt? Und überhaupt: Sind die Spritzer-Liter-Becher eh sauber, oder kriegt man davon Herpes?

Im Zuge meiner Drecksmission erkläre ich "Drecks-" zum Präfix der Stunde und kontaktiere meine Medizinstudenten-Freunde, die mir im Vorfeld erklären sollen, wie ich idealerweise Bakterien aufsammle, konserviere und auswerte. "Wenn man beispielsweise einfach mal schauen möchte, was auf den Händen so wächst, dann macht man einen Abklatsch", versichert mir meine Kindheitsfreundin Melanie, die mir schon mal erfolgreich Blut abgenommen hat und demnach mein vollstes Vertrauen genießt. Um eine mehrtägige Brutzeit würde ich wohl außerdem nicht herumkommen, sofern ich es denn gescheit machen wollte. "Klatsch ein", denk ich mir, freue mich auf noch mehr Abklatsch-Witze und rufe im nächstgelegenen mikrobiologischen Labor an, um dort eine Packung Abklatschplatten zu ordern.

Später im Labor kann ich mir nicht verkneifen, der Empfangsdame möglichst betont zu vermitteln, wegen der Ab-klatsch-pla-tten hier zu sein – das Wort alleine macht mich viel zu glücklich, als dass ich nicht jede Möglichkeit ergreifen würde, es laut auszusprechen. Die Frau Doktor habe bereits alles vorbereitet, wird mir daraufhin mitgeteilt. Es sind transparente Scheiben, etwa so groß wie mein Daumen, die ich daraufhin in die Hand gedrückt bekomme. Ich bin vorfreudig ob meiner bevorstehenden wissenschaftlichen Tätigkeiten und frage aufgeregt nach einer Art Bedienungsanleitung, immerhin bin ich ja nicht der Typ von Galileo, der dauernd irgendwas abklatscht und daher schon ganz genau weiß, wie das geht.

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Was ich brauchte, war ein Leitfaden. Als ich kurz darauf eine schriftliche Beihilfe zum Analabklatsch ausgehändigt bekomme, auf der detailliert ausgeführt wird, wie ich meine Analfalte abzutupfen habe, merke ich, dass hier ein Missverständnis vorliegt und konkretisiere bedauernd, dass ich weder meinen noch einen fremden Anus abtupfen, geschweige denn abklatschen möchte. Zumindest nicht heute.

Für die Wissenschaft.

Bepackt mit drei sterilen Wattetupfern, die mir nach Aufklärung der Analabklatsch-Misere gereicht wurden, einem einzigen, traurig warmen Dosenbier in meinem Rucksack und "Who Are You" von The Who in meinen Kopfhörern, würde CSI: Frequency nun endlich losgehen. Die zu prüfenden Gegenstände: Ein frischer, von einer Bar ausgegebener Trinkbecher ohne Inhalt, eine Duschtasse für Herren, für dessen Inspektion ich die meisten fragenden Blicke ernten würde, und ein Toilettensitz, der nicht gerade voll mit Gacksi ist, denn, dass Gacksi per se nicht sauber ist, dürfte allgemeiner Konsens sein und würde demnach zu einem No-Na-Untersuchungsergebnis führen.

So weit, so dreckig. Die Proben hätte ich rückblickend betrachtet wohl lieber mit Schutzbrille und Gummihandschuhen genommen, nicht etwa, weil es nötig gewesen wäre, aber weil es einfach saucool ausgesehen hätte.

Die verschlossenen und beschrifteten Behältnisse, in denen die Abstriche nach der Entnahme aufbewahrt wurden, musste ich jetzt nur noch zurück ins Analabklatsch-Labor bringen, wo sie einige Tage brüten mussten. Und ja, sorry, es hat ein bisschen länger gedauert, aber you can't rush art, ebensowenig wie Mikrobiologie. Unser Notar Dr. Fleischhauer möchte mir nun bitte die Ergebnisse bringen.

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Noch immer keine Berührungsängste.

"Na, was bringen Sie mir heute Schönes? Stuhl? Super!", überhöre ich im Wartezimmer und komme nicht umhin, mich zu fragen, ob der betreffende Patient davor wohl auch schon mal einen Analabklatsch machen musste. Was man wohl noch so alles abklatschen kann? Als schließlich die leitende biomedizinische Analytikerin an mich herantritt und mir einen gewollt beruhigenden Blick zuwirft – so, als würde sie darunter einen besorgten verstecken – werde ich kurz nervös, bis mir wieder einfällt, dass es hier um genau gar nichts geht und dieser Blick wohl einfach das Resting Face von Menschen ist, die in der Medizin arbeiten. Meine Befunde wären nun bereit.

Zuerst die schlechten Nachrichten. Auf der Klobrille wurden Acinetobacter spp., Escherichia vulneris, Morganella morganii, Pseudomonas spp. und Corynebacterium aurimucosum gefunden. In der Duschtasche konnten Enterobacter cloacae, Pseudomonas spp., Escherichia coli, Acinetobacter pittii und Staphylococcus hominis sichergestellt werden. Und im leeren Trinkbecher fanden sich Curtobacterium flaccumfaciens, Arthrobacter polychromogenes und Streptococcus viridans.

Und jetzt die guten Nachrichten: Das klingt alles nach Pizza! Aber ernsthaft: Man könnte jetzt hergehen, all diese leckeren Bakterienkulturen googeln und dabei wahrscheinlich zum Schluss kommen, dass das Frequency wohl bis aufs Letzte kontaminiert sein muss. Die Wahrheit ist aber – so wurde es mir zumindest von der Expertin erklärt –, dass sogar die Klobrille verhältnismäßig sauber ist. Hier habe man vor allem nach Durchfall erregenden Stoffen gesucht und keine gefunden. "Das sind alles Bakterien, die finden Sie bei sich zuhause im Badezimmer auch", versichert sie mir.

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Es gibt auf dem Frequency auch andere Dinge, die du mit dem Po machen kannst, außer in ein Dixi zu scheißen:


Bei den auf dem Trinkbecher gefundenen Kulturen handelt es sich um ubiquitär, also allgegenwärtig vorkommende Bakterien und solche, die in der normalen Hautflora auftreten. Heißt: Jemand hatte den Becher in der Hand. Nachdem er außerdem ziemlich frisch aus dem Geschirrspüler kam, würde wohl auch das Wasser, das dort zum Einsatz kam, eine Rolle spielen. "Wir konnten jedenfalls keine Krankheitserreger finden.".

Ja, auf Festivals herrschen meistens Zustände, dass es einer Sau graust. Aber gesundheitsschädigend sind die hygienischen Rahmenbedingungen – zumindest in diesem Fall – nicht. Von daher gilt: Scheißt's euch ned an. Weder im übertragenen, noch im wörtlichen Sinn, wenn's geht.

Franz scheißt sich auf auf Twitter nichts: @FranzLicht

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