Warum dominiert Bausas "Was du Liebe nennst" seit Wochen die Charts?
Foto: Screenshot via YouTube von "Was du Liebe nennst" von Bausahaus

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Warum dominiert Bausas "Was du Liebe nennst" seit Wochen die Charts?

Wir haben einen Musikprofessor und Leute auf der Straße gefragt, wie Bausa das geschafft hat.

"Sag der zugekoksten Bitch, ich will mein Blow! Sag den Hurensöhnen, ich bin der Baron!" Nein, das haben wir nicht unfreiwillig auf dem Weg nach Hause im U-Bahnhof aufgeschnappt, das ist die Hook des Songs "Baron" von Bausa. Ja genau, Bausa. Der softe Typ mit den Bambi-Augen und dem sexy Mittelscheitel, der gerade mit "Was du Liebe nennst" die deutschen Charts dominiert – seit fünf (!!!!11!) Wochen. Nicht, dass wir dem Rapper mit Wohnsitz im schwäbischen Bietigheim-Bissingen (korrekt Schnucki, da wo Shindy und Rin auch herkommen) seinen fulminanten Erfolg nicht gönnen würden. Aber fünf verdammte Wochen lang als Rap-Song die deutschen Charts anzuführen, ist schon eine kleine Sensation.

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Baui, wie man ihn auch liebevoll nennt, hat auf Spotify seit seinem Debütalbum Dreifarbenhaus von April 2017 mittlerweile fast 2,3 Millionen monatliche Hörer gesammelt. Eine absurd hohe Reichweite für einen Newcomer im Deutschrap. Konsequenterweise erfolgte jetzt also der Chart-Hit des Mannes mit der markant tiefen Stimme, die so rau und geheimnisvoll klingt, dass sie wohl für immer in unserem Kopf wohnen wird.

"Was du Liebe nennst" ist die klassische Pop-Perle, die jeder Formatradio-Songwriter gern aus dem "How to make a great hit"-Baukasten gezogen hätte. Haben sie aber nicht, die Opfer.

Im YouTube-Video zeigt sich Bausa dagegen von seiner selbstironischen Seite. In knapp vier Minuten tänzelt er gutgelaunt durch seinen Road-Movie, verballert das 40.000 Euro-Videodreh-Budget von Downbeat/Warner Music erfolgreich in eine abgedrehte Weltreise, geht am Ende mit minus 29 Euro raus und kassiert dabei auch noch Hausverbot auf einem Golfplatz. Vielleicht ist das Video gerade deshalb so unterhaltsam und trashig, weil Bausa um die Kitschigkeit des Songs an sich weiß und dem was Chaotisches entgegensetzen wollte. Es hat funktioniert, seit dem Upload Anfang Oktober 2017 hat das Video weit über 23 Millionen Views gesammelt.

Und dennoch wundern wir uns weiter, denn für gewöhnlich schaffen es nicht viele Rap-Songs an die Spitze der Charts. Und wenn, dann verschwinden sie schnell wieder. Bausa aber kletterte binnen einer Woche von Platz 51 auf die Eins. Wo er sich länger hält, als Knäckebrot in der Vorratskammer deiner Mutter – oder Cro mit seinem "Traum".

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Was zur Hölle macht dieses Stück Musik also so erfolgreich? Wir haben zunächst Musikprofessor Heiko Wandler von der Popakademie Mannheim befragt. "Meiner Ansicht nach ist das Besondere an dem Titel, dass er die düstere und brachiale Trap-Ästhetik (also zum Beispiel sehr druckvolle Bässe und Bassdrum plus Schlagzeug) aufgreift und gleichermaßen abschwächt. Der Sound ist nicht zu extrem, passt zu dem soulartigen Gesang und ist geschickt mit der melancholischen cloudrapartigen Melodie kombiniert." OK, Bausa nutzt also bekannte Trap-Elemente und dreht sie durch den Pop-Fleischwolf, um unaufdringlich würzige Wurst zu produzieren. Und was ist mit der Stimme jetzt los?

"Die Stimme des Sängers", findet Wandler, “ist sehr charakteristisch und der Autotune-Effekt sehr extrem (was ja ein Signature-Sound der aktuellen Popmusik ist) und die Melodieführung relativ einfach, allerdings technisch versiert und gefühlvoll gesungen (erinnert ein wenig an Soul und R'n'B), sodass das schnell ins Ohr geht." INS OHR! JAWOLL! Da haben wir es. Das sei grundsätzlich nichts Neues. Aber die Kombi aus Trap, Emo-Rap-Gesang und Autotune ist in den Charts wohl doch noch nicht genug überreizt worden. Herrn Wandler seien außerdem keine deutlichen Parallelen zu anderen Songs aufgefallen.

Weil wir einem renommierten Musik-Wissenschaftler selbstredend Glauben schenken, aber dennoch unser Ohr auch auf der Straße haben (wenn nicht grad Baui drin haust), sind wir in Berlin rumgerannt und haben Menschen gefragt, wie sie sich Bausas Überraschungshit bitteschön erklären.

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Nawal (27), Berlin:

"Der Song ist melodisch glatt und beinhaltet keinen Pöbel-Jargon, wie man es von deutschen Rappern sonst kennt oder erwartet. Ich glaub, seit Cros Hit 'Easy' ist das mal wieder ein Beispiel für genau den Vibe der neuen Raop-Generation. Die vielen Wiederholungen der Hook führen dazu, dass die Melodie hängen bleibt und ich erwisch mich dabei, wie ich nach dem dritten Refrain laut mitsinge. Alles in allem ist der Song OK! Tut nicht weh, haut mich aber auch nicht vom Hocker! Absolut radiotauglich eben. Baui, sei ein guter Mann und mach doch lieber wieder mehr Tracks wie 'Baron'."

Leonie (17) und Alex (17), Berlin:

"Wir glauben, dass das Lied so beliebt ist, weil weniger Ausdrücke im Song benutzt werden, was man sonst von Rappern gewohnt ist. Außerdem wird halt der Refrain gesungen, das bleibt hängen und man kann schön mitsingen. Und er sagt die Wahrheit im Song, das ist alles sehr zeitgemäß."

Kaufhaus-Wachmann Erik* (31), Berlin:

"Deutschrap ist eh nicht meins, der Song ist dagegen fast noch erträglich. Wenn ich sonst immer höre 'Ich ficke deine Mutter', dann denk ich mir: 'Hallo, du gehst doch wohl völlig am Leben vorbei ey!' Anstatt die mal über was Sinnvolles rappen. Politik zum Beispiel. Nicht über Drogen. Was ich gut finde, sind diese gerappten News da bei RTL 2. So was ist geil, da bleibt was hängen. Bausa, warum machste das nicht mal, hä?"

Tamino (17) mit seinem Papa, Berlin:

"Der Flow ist geil, richtig aktuell. Die Lyrics jucken mich dabei weniger, es muss sich nice anhören. Und die Mädchen stehen drauf, isso!"

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Victor aka Vokalmatador (44), Berlin:

"Mich erinnert der Song extrem an das amerikanische Wiegenlied 'Hush Little Baby'. Wenn man die Harmoniefolge dieses Kinderlieds über den Bausa-Song singt, erkennt man die krasse Ähnlichkeit – und versteht die Eingängigkeit seines Radio-Hits. Jan, ein Kneipenchor-Kollege von mir, meinte dazu noch, dass die Kombination aus Tonica, Subdominante, Dominante und Moll-Parallele die einfallsloseste und am weitesten verbreitete Pop-Akkordfolge der Welt sei. Und dass wohl ein Drittel der in den Charts vertreten Musiker über diese Akkordfolge ihre Songs gestalten. Und dass Autotune eh verboten gehöre. Aber das ist mir dann doch etwas zu nerdig."

Oguzhan (17), Ingolstadt:

"Der lebt sein Lifestyle, merkt ihr das nicht? Der trinkt, macht Party, der gönnt sich. Das feier ich. Die Texte sind einfach heftig. Er ist nicht so platt, wie viele andere in den Lyrics. Immer dieser plumpe Mutterficker-Style. Bei den aggressiven Rap-Songs kann man nicht so entspannen. Bei Bausa schon. Haha."

Atalya (19) und Yuval (20) zu Besuch aus Tel Aviv:

"Wir verstehen leider beide kein Deutsch, aber es klingt catchy. Also nicht sehr kreativ, aber schon angenehm. Und sowas ist in Deutschland auf Platz eins? Wie witzig."

Hatte Bausa also einfach Glück mit seinem Überraschungserfolg oder steckt dahinter ein gewisses Kalkül? Mal aus dem gewohnten, eher düsteren Sound ausbrechen, einen simplen Gute-Laune-Song raushauen, durch ein vermeintlich hingeschissenes Video in die Köpfe brennen und versuchen, die Charts zu stürmen – war das der Plan? Eigentlich alles egal, Bausa hat offensichtlich geschafft, womit niemand gerechnet hat. Freuen wir uns doch für ihn. Trotzdem: Wäre schön, bald wieder ein bisschen “Baron”-Swag von Baui zu hören.

*Name auf persönlichen Wunsch von der Redaktion geändert

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