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Interviews

"Am Sound der Zukunft kann man nur scheitern"—Pablo Nouvelle im Interview

Heute Abend liefert der Berner Produzent für Noisey im Dynamo seine “Maximum Future”-Session ab.
Foto: Pressebild

Am heutigen Samstag verwandelt sich das Jugendkulturhaus Dynamo in ein Multiplex-Kino und zu einer Spielwiese für futuristische Kunst. In drei Räumen werden verschiedenste kinematografische Arbeiten zum Thema "Maximum Future" gespielt. VICE zeigt in einem dieser Räume futuristische Dokus, und auf der Noisey Stage werden Pablo Nouvelle, Dave Eleanor und Maloon TheBoom in je genau 15 Minuten unsere Vorstellungen des Sounds der Zukunft präsentieren.

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Ich habe mich mit Pablo Nouvelle noch kurz vor seiner Session auf einen Kaffee getroffen, um mal rauszuhören, was der Berner Produzent sich überlegt und vorbereitet hat.

Was ist dir als Erstes durch den Kopf gegangen, als wir mit der "Maximum Future"-Idee auf dich zugekommen sind?
Zuerst irgendwelche absurden Science-Fiction-Fantasien. Aber eigentlich kann man an dieser Aufgabe nur scheitern. Wir werden alle drei falschliegen, und es kommt eh anders. Es ist trotzdem sehr interessant, seine These aufzustellen und sich überhaupt Gedanken über die Musik der Zukunft zu machen.

Machst du dir solche Gedanken auch, wenn du normalerweise Musik produzierst?
So grundsätzlich nicht. Ich geh nicht mit einem weltumfassenden Konzept ins Studio und überlege mir, wie die Welt funktioniert, was der Zeitgeist ist und wo ich in dem Konstrukt stehe. Gleichzeitig habe ich natürlich schon den Anspruch, mich oder andere Dinge nicht zu wiederholen. Ich glaube, du bist vielmehr die Summe all seiner Einflüsse, von allem, was gesagt und gemacht wurde—bei mir sind es zum Beispiel alte Soul-Stücke—und dem, was momentan passiert. Einerseits steuerst du individuell, durch das, was dir gefällt, und gleichzeitig bist du ein Kind deiner Zeit: Immer beeinflusst von den technischen Möglichkeiten und wie die Welt gerade klingt.

Du hast vorhin gesagt, du werdest bei der Vorstellung der Musik der Zukunft scheitern. Wie weit hast du in dem Moment gedacht?
Ich habe vor allem an den Zeitgeist gedacht. Ich habe mir vielmehr überlegt, was Musik bedeuten könnte: nicht mal zwingend der Stil, sondern auch, wie wir Musik konsumieren werden. Heute ist fast alles immer und überall zugänglich. Gleichzeitig haben wir deshalb ein Paradoxon, weil die ganz Grossen das Privileg haben, sich abzugrenzen. Frank Ocean releast zum Beispiel sein Album nur auf Apple Music, und andere erscheinen nur bei Tidal et cetera. Von einem Durchschnittskünstler ist die Musik immer verfügbar. Wir zelebrieren nicht mehr nur ein Album. Selbst ich höre heute so Musik. Ich zieh mir nicht mehr nur ein Album zehn Mal rein, sondern suche und entdecke stetig neue Musik. Die hör ich dann zwei, drei Mal, und dann kommt schon das nächste. Musik ist extrem kurzlebig geworden. Und das bringt in mir als Musiker den Wunsch vom Gegenteil hervor. Dass sich Leute mit Musik auseinandersetzen, sich Zeit nehmen und damit leben. Dass ich es schaffen kann, den Soundtrack zum Leben von jemandem zu machen und nicht nur eine kurze Episode bin.

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Maloon theBoom hat lustigerweise etwas sehr Ähnliches gesagt. Er hat den Prozess vom Vinyl-Hören genannt und dass das sehr bewusstes Musik-Geniessen sei. Denkst du, selbst das wird aussterben?
Wahrscheinlich gibt es da gar nicht so eine klare Grenze. Auch für einen 08/15-Musikkonsumenten, der auf jeden Mainstream-Trend aufspringt, ist Musikhören mit Emotionen verbunden, und auch dem ist Musik extrem wichtig—auch wenn er nur an der Oberfläche kratzt. Musikgeniesser werden aber nie verschwinden. Was ich natürlich auch sehr hoffe.

Im Moment macht Streaming aus, wie wir Musik konsumieren. Wird das noch mal krasser? Wird es davon eine Weiterentwicklung geben?
Das ist eine gute Frage. Was ist das Nächste? Wir müssten fast in die Musik reingehen können, uns selbst einbringen können. Für DJs zum Beispiel gibt es Stems. Das sind Loops von Drums, Bass, Chords und Vocals, welche die DJs in ihre Sets einbauen und so ihre eigene Interpretation machen können. Ich glaube aber nicht, dass das mehrheitsfähig ist. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie es weitergeht. Es wird einfach noch zugänglicher und schnelllebiger werden. Aber vielleicht wird es auch etwas geregelter sein. Das Internet ist heute immer noch ein Wilder Westen. Niemandem scheint klar zu sein, was man darf und was nicht. Es gibt keine Gesetzeslage und keine Ethik. Worüber ich gerade gelesen habe: dass wir uns durch das Internet immer mehr polarisieren und abkapseln. Dass wir uns nur noch mit Gleichgesinnten umgeben und kein Austausch mehr stattfindet. Ich hoffe, dazu gibt es irgendwann eine Gegenbewegung. Dass wir ganz bewusst unsere Bubble wieder öffnen und uns zum Beispiel die Beiträge von Freunden anzeigen lassen, die wir durch den Algorithmus sonst nicht sehen würden. Ich hoffe, dass wir wieder in den Dialog treten mit Leuten, die wir nicht verstehen.

Zurück zum "Future Sound"-Projekt. Wie bist du genau an das Projekt rangegangen?
Für mich ergaben sich zwei Stränge. Der eine ist meine These. Dave Eleanor hat ja eine Menge aufgestellt. Eine davon verfolge ich auch—die Langsamkeit. Was auch ein wenig in die Vinyl-Geschichte reingeht. Die Musik und unser Leben werden immer schneller und hektischer, es ist alles verfügbar. Und ich werde in meinem Set alles extrem langsam spielen, um—entschleunigend ist ein doofer Modebegriff—der Musik die Hektik zu entziehen. Andererseits werde ich Songs und Sounds meiner Zukunft spielen. Also Zeug, das noch nicht releast wurde und ich erst in den letzten paar Monaten produziert habe. Aber vor allem eben das langsame Zeug oder das schnelle runtergepitcht. So ein Valium- Ketamin-Set. Alles hat aber noch kein Mensch gehört.

Kann man das als Zuhörer geniessen, oder ist es zu abgedreht?
Ich habe mir natürlich überlegt, wie sehr ich ins Konzept eintauchen will, ob ich die Songs so runterpitchen soll, dass es abstrakt wird. Das habe ich aber gelassen. Es ist definitiv sehr hörbar. GDS.FM hat mir mal vorgeworfen, ich hätte immer ein Auge auf Mainstream und Radiotauglichkeit. Dabei mache ich das gar nicht bewusst. Ich würde einfach sagen, dass ich nach meinem Geschmack produziere. Eine gewisse Zugänglichkeit macht einfach meinen Stil aus. Deshalb wird es auch heute Abend unter diesem Konzept nicht unverdaulich.

Hast du selbst manchmal solche Momente im Studio, dass du sagst: "Das ist zu futuristisch, dafür sind die Leute noch nicht berei"?
Wenn du es schaffst, den Sound der Zukunft zu machen, hast du ja eigentlich ausgesorgt. Dann hast du es geschafft. Daher: Wenn du Musik machst, die zu edgy ist, musst du sehr überzeugt von dir selbst sein, um zu sagen: "Das ist der Shit, aber die Welt ist noch nicht ready." Das hat auch etwas sehr Narzisstisches. Vielleicht ist es auch einfach Scheisse, und deshalb versteht es niemand. Es ist mir auf alle Fälle noch nie so gegangen, dass ich gedacht habe, dass ich die Zukunft erfunden habe.

Pablos Set kannst du um 22 Uhr live auf unserer Facebook-Seite mitverfolgen.