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Ich habe Kids gefragt, was sie von dem Beef zwischen Xatar und KC Rebell halten

„KC hat sich einfach mit dem Falschen angelegt. Ich hoffe Xatar zeigt ihm jetzt, wer der Baba aller Babas ist.“

Für Leute, die sich für deutschen HipHop interessieren, gab es in den letzten Tagen fast nur ein Thema: KC Rebell und Xatar haben Beef. Die Auseinandersetzung der beiden eskalierte letzte Woche durch eine Schießerei vor Xatars Bar in Köln und die Veröffentlichung von KC Rebells Diss-Track "Dizz Da" gegen den Bonner. Seitdem überschlagen sich die Meldungen—natürlich im Internet, wo traditionell der "echte Beef" stattfindet. Soll heißen: Nicht die Rapper, sondern die Fans drehen durch.

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In den Facebook-Kommentarsektionen der beiden Streithähne zofft man sich gewohnt unsachlich. Auch alle anderen Rapper Deutschlands werden von ihrer Anhängerschaft mit der Frage bedrängt, wie sie zu "dieser Sache" stehen. Und während das Who-is-Who der deutschsprachigen Straßenrapper sich mit Status-Updates positioniert, bekunden auch Millionen Fans ("Dizz Da" hat zurzeit 2,6 Millionen Klicks) ihre Sympathien für einen, beide oder keinen der zwei Rapper. Du dir sicherlich vorstellen, auf welchem Niveau das Ganze passiert. Angesichts der Diskussionen kann man davon ausgehen (oder eher darauf hoffen), dass ein Großteil der Fans unter 18 Jahre alt sind.

Aber was hält die reale Welt von dem Beef? Was erzählt man sich auf der Straße? Ich habe mich aufgemacht, um in Berlin Kids und Teenager zu finden, die zu dem Thema eine Meinung haben.

Das erste Resultat an einem grauen, nieseligen Morgen auf dem Alexanderplatz fällt ernüchternd aus. Man hatte mir in der Redaktion empfohlen, mich vor den Primark zu stellen, vielleicht auch zu McDonalds zu gehen. Aber leider rennen hier viel weniger Jugendliche rum, als erwartet. Diejenigen, die sich bereitwillig unterhalten, sind meist Touristen oder kennen KC und Xatar nicht. "Xatar ist der, der gesucht wird, oder?" fragt mich ein 13-jähriger Hipster namens Achim—KC kennt er auch, aber vom Beef hat er nichts gehört.

Das Wetter wird ein bisschen beschissener und ich kaufe mir eine Quarktasche, bevor ich die letzte Runde über den Alexanderplatz drehe. Vielleicht ist das ganze Ding auch größer in NRW, denke ich mir, während ich Sinan, 15, anspreche. Er ist mit seiner Mutter unterwegs und während sie nicht hinhört, flüstert er mir verstohlen "KC ist ein Pic" zu und grinst. Obwohl Sinan gebürtiger Düsseldorfer ist, unterstützt er Xatars Label Alles Oder Nix und nicht die Locals von KC Rebells Label Banger Musik, "weil die halt mehr Straße sind." Über Xatars Goldraub redet er mit leuchtenden Augen, obwohl er selbst so etwas "niemals" machen würde. Von der Schießerei in Köln hat er jedoch nichts mitbekommen, "aber wenn da sowas passiert ist, gab’s bestimmt 'nen Grund."

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Da am Alexanderplatz kaum jemand außer Sinan die Rapper zu kennen scheint—geschweige denn von ihrem Beef gehört hat—nehme ich die U8 in Richtung Wedding und steige am Gesundbrunnen-Center aus, einem mittelgroßen Einkaufszentrum. Hier sitzt ein Junge zwischen Deichmann und H&M auf einer Bank und spielt auf seinem Handy. Ken ist 14 und hat eine erstaunlich differenzierte Perspektive auf das Thema: "Ist doch egal, ob sie sich mögen oder nicht. Solange sie Musik machen, ist das doch egal. Es gibt ja genug Musik für alle, ne", lacht er. Dass es hierbei aber auch um echte Gewalt geht, findet er beunruhigend: "Die denken, wir sind in Amiland oder so, die sollen mal klarkommen. Beide haben doch Fans, die sie supporten und keiner hat Bock, dass einer von denen erschossen wird oder so."

Während ich weiter so ziellos im Gesundbrunnen-Center herumlaufe, frage ich mich: Bedeutet die Tatsache, dass ich kaum jemanden treffe, der beide Rapper kennt—geschweige denn von ihrem Streit gehört hat—dass das Thema irrelevant ist? In den sozialen Medien erschaffen wir eine eigene Welt und ich lebe bewusst oder unbewusst in der Welt des 24-Stunden-Musik-News-Zyklus. Natürlich ist es spannend zu beobachten, was Menschen tun, die Musik veröffentlichen, aber um ehrlich zu sein, beneide ich die Leute, die mich ahnungslos anblicken, wenn ich sie nach den Rappern und ihrem Beef fragen. Drei Achtklässlerinnen fangen beim Namen KC förmlich an zu kreischen, haben aber von dem, was BILD und Express "Rapper-Krieg" nennen, nichts gehört.

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Resigniert gehe ich die Pankstraße entlang. Habe ich mir mit meiner News-Geilheit Musik ruiniert? Ich habe mit Xatars und Haftbefehls Album Holland Job vielleicht ein paar Stunden verbracht, doch wie viel Zeit habe ich damit verschwendet, Artikel über den Streit zu lesen? Wie viele Clickbait-Überschriften angeklickt, um herauszufinden, wer "DIESER Rapper" ist, der jetzt einen nichtssagenden Facebook-Kommentar zu dem Thema abgegeben hat? Oder ganz generell: Wie viele stundenlange Interviews und #waslos-Folgen habe ich mir angeschaut, wenn irgendwie die Chance auf neuen Beef bestand?

Noch habe ich Hoffnung, dass ich nicht der Einzige bin, den der KC-Xatar-Streit beschäftigt. Ich telefoniere also herum, ob jüngere Geschwister von Freunden tiefer emotional verstrickt sind. Natürlich sind sie das, schließlich komme ich aus Bonn, wo die Jugend Xatar und AON als wichtigere musikalische Zöglinge der Stadt sieht als Beethoven.

Und siehe da, es dauert nicht lange, bis mir Leon (16), der Bruder eines Kumpels antwortet: "Vorab: Ich bin auf Xatars Seite, wir Bonner halten zusammen." Auch Leon muss zugeben, dass der Track von KC "echt überarg" war, doch "egal, was er jetzt gemacht hat oder wie er aussieht, man feiert trotzdem seine [Xatars] Musik." Und weiter: "KC hat sich einfach mit dem Falschen angelegt. Ich hoffe Xatar zeigt ihm jetzt, wer der Baba aller Babas ist." Er fände es spannend zu sehen, "wie sich Rapper duellieren". Aber bitte ohne Gewalt, denn "Gewalt will ja niemand."

Um es kurz zu machen, ich habe sie nicht gefunden—die "Hater", die Internet-Bauern (im Schach-Sinne, nicht von Beledigung her), die Kids, deren Leben in Diskussionen unter belanglosen Facebook-Posts verbracht wird. Dafür habe ich viele Leute gefunden, die dieses Beef-Thema überhaupt nicht mitbekommen haben, weil es sie einfach nicht interessiert. Vielleicht könnte man sich selbst als eingefleischter Rap-Fan manchmal ein Beispiel an ihnen nehmen.

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