"Wenn man sich gut fühlt, passiert was" – Mit Kruder und Dorfmeister zurück in die goldenen Jahre

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Rudis Brille

"Wenn man sich gut fühlt, passiert was" – Mit Kruder und Dorfmeister zurück in die goldenen Jahre

Kruder und Dorfmeister bekommen das Goldene Ehrenabzeichen. Crazy Sonic hat das zum Anlass genommen, den beide sogar ein paar Worte zu entlocken und uns auf eine Zeitreise zu schicken.

Am 15. März bekommen jene zwei Künstler das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien überreicht, die sie in den Neunzigern als Musikstadt groß gemacht haben: Peter Kruder und Richard Dorfmeister haben die vorvorletzte Partygeneration durch die Nacht und ins Bett begleitet und ihre eklektischen DJ-Sets und -Sounds sind noch im Ohr vieler, die derzeit in den Marketingabteilungen diverser Firmen sitzen.

Die junge Generation muss wohl Wikipedia bemühen, wenn das Kürzel K&D dieser Tage öfters in den Medien fällt – es ist schon ein wenig her, vielleicht wissen die Eltern mehr. Auf jeden Fall wurde für sie eine geflügelte Phrase erfunden: Original (Vienna) Bedroom Rocker – und das am besten G-stoned. Sie galten als der erfolgreichste Musikexport seit Generationen und zählten mit Falco zu den bekanntesten österreichischen Produzenten (und Remixern) seit Mozart.

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Ich traf die beiden erstmals 1994 im U4 und fragte sie in meiner spätprovinziellen Unbekümmertheit einfach drauflos, ob sie nicht Lust hätten, einmal für unsere neue Schiene im Bricks (1020 Wien, Taborstraße) zu spielen. Die Gage betrug für beide 2000 Schilling (es wird die einzige sein, die ich verrate). K&D hatten davor eine abgefeierte EP mit extrem ruhigen, chilligen Tracks releast. Das Cover war wohl eine sanfte Persiflage auf Simon & Garfunkel – ein Running Gag jener Zeit.

Was folgte, war ein Abend, mit einem Publikum, das ich so noch nie gesehen hatte. Die legendäre Pelzkragenabteilung – ein Modephänomen dieser Zeit – fiel in Hundertschaften ein und machte das Bricks schnell zu klein und zu semischick. Daraufhin ging es für uns und natürlich auch für sie in vielen anderen Locations weiter. Sargfabrik, Meierei, WUK, Schutzhaus zur Zukunft und natürlich im Flex, wo sie ohnehin Stammgäste waren – egal, ob samstags oder beim Dubclub. Zu den absoluten Hochzeiten gab es die legendären G-Stone Sessions im WUK. Ich kann mich noch an viele heulende Gesichter erinnern, die damals wegen Totalüberfüllung nicht hineinkamen. 2000 gab es dann von Kruder und Dorfmeister auch ein Buch über G-Stone – die Grundsteingasse im 16. Bezirk.

Dort befand sich Peter Kruders erstes legendäres Bedroom-Studio: Man stand auf und ging in den anderen Raum – ins Studio. Dann trank man Kaffee und ging wieder hinüber. Die Wohnung wurde wochenlang nur zum Einkaufen verlassen, sagten die Legenden im G Stone Book. Aus den Bedroom-Studios sind in der Zwischenzeit natürlich große Maschinenexpositionen geworden. Ein Paradies in Zeiten wie diesen, wo die Besinnung auf das Alte gerade fröhliche Urstände feiert.

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Die beiden tourten um die Welt, wurden gefeiert, gaben äußerst ungern Interviews (bis heute) und erzeugten einen für Wien dermaßen irren Hype, dass dadurch auch vieles daneben überdeckt wurde, was parallel dazu in der Stadt entstand – samt den üblichen Neidern und Hatern. Gottlob gab es damals noch kein Facebook. Aber die große Öffentlichkeit war ohnehin nie Sache von K&D.

Der Plan für die Verleihung des Ehrenzeichens ist und war nicht neu. Die Zusicherung gab es laut Richard Dorfmeister – der mit seiner Familie schon seit Jahren in Zürich wohnt, aber ständig noch zum Produzieren nach Wien kommt – schon seit vielen Jahren. Warum es erst jetzt so weit ist, darob ranken sich Legenden. Man darf als Außenstehender ohne hellbraunen Rand am Hals behaupten: Die beiden haben es sich verdient, denn allein die Nennung ihres Namens sorgte in den Neunzigern und frühen Nullerjahren dafür, dass Wien durch ihren Erfolg als Zentrum einer neuen Musikströmung gefeiert wurde.

Auch wenn das einige Jahre spöttisch als "Kaffeehaus-Sound" schubladisiert wurde: Es war eine große Kette an Ereignissen und Wendungen, die in den Neunzigerjahren nach dem erfolgreichen Erstrelease G-Stoned (1993) in Gang gesetzt wurde und den Erfolg begründete.

"Es war dieses Do-It-Yourself-Ding, was wir gemacht haben", sagt Richard Dorfmeister heute. Es war etwas, das man gegen die damalige alles dominierende Techno- und Ravewelle bauen wollte. Für viele alt eingesessene Musikliebhaber war das wie ein satanisches Erdbeben, das die Musikindustrie umkrempelte: "Es war einfach wieder musikalischer und sehr an Black Music orientiert."

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"Die Plattenverkäufe waren damals noch gigantisch und der Wirbel der Medien blies uns ständig nach oben", sagt Dorfmeister heute rückblickend.

Dazu kamen viele weitere Bausteine wie Alexander "Hirsch" Hirschenhausers Soul Seduction als Vertrieb und der Black Market als Nahversorgung, der englische Musikästhet Gilles Peterson sowie dessen Support bei der BBC, immenser Support aus London durch Ninja Tune und Co – natürlich auch die vielen Remixe für große Namen. Auch die Clubremixe für Werner Geiers "Uptight" und für das Münchner Kultlabel Compost gingen durch die Decke und das Netz, das sich dann um die beiden Freestyler gebildet hatte, war am Ende dicht, aber selbst gebaut. "Damals war alles noch unschuldig und frisch vom Ansatz her. Sobald dann auch das Label K7 aufgesprungen war, kam das Ganze dann international extrem ins Rollen."

"Die Plattenverkäufe waren damals noch gigantisch und der Wirbel der Medien blies uns ständig nach oben", sagt Dorfmeister heute rückblickend. "Es gab dann auch eine konstante Worldtour, die alles noch weiter multiplizierte." Als alles international angerichtet war, kam dann auch Österreich als Markt dazu und die Fanbase hierzulande formierte sich.

So war es dann auch:  K&D Dj Kicks von 1996 gilt heute noch als Kultrelease und die älteren von uns haben noch den One-Werbespot im Ohr, ebenfalls ein Teil der Compilation. Allein die Zusammenstellung der Tracks reichte damals für den großen Durchbruch. Es folgten die mythischen Remixe für Depeche Mode und Madonna, wobei ja die cooleren jene waren, die von clublastigen Acts stammten (Rockers HiFi, Count Basic, Sofa Surfers) und am Ende das legendäre Vierfachalbum K&D Sessions (1998), das heute für gutes Geld auf jeder Plattenbörse verkauft werden kann.

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Ebenso legendär war ihre kritische Auswahl, denn nicht alles wurde geremixt: David Bowie musste woanders weitersuchen, mit Falco hätte es geklappt, aber er starb zu früh. Als dann "K&D Downbeat" in jedem Friseursalon und Hotellift gespielt wurde – und damit so hip war, dass sich ihr typischer Sound selbst zu fressen begann – kam aber dann auch eine gewisse Langeweile dazu. Das Duo begann sich in der Folge mit neueren Spielarten der elektronischen Musik zu beschäftigen. Peter Kruder erinnert sich heute: "Drum'n'Bass war damals so fresh. Das war the shit und beim Downbeat wurde uns einfach ein wenig zu langweilig."

Richard Dorfmeister sagt dazu heute: "Die Stilbrüche mussten kommen, weil man ja für viele große Dancefloors spielte. "Energetisch spielen" war das Stichwort. Der musikalische Freiraum war groß, die Leute haben akzeptiert, was wir gespielt haben, aber es musste kicken. Heute wäre eher das Gegenteil wieder cool. Aber damals galt: Frei denken und keine Betreuungsmanager, die einem sagen, was man tun soll." Ob es den Betreuungsmanager heute gibt? Er glaubt es nicht.

"When is the album coming?"

Ab Mitte der Nullerjahre trat das Duo dann wieder öfter gemeinsam auf – zumeist mit ihrem kreativen Team: Den MCs Earl Zinger und Ras MC-T Weed sowie dem grenzgenialen Visualisten Fritz Fitzke, der uns leider viel zu früh verließ. Anzutreffen waren sie hauptsächlich auf großen Festivals und Bühnen. Es lag das in der Luft, was für Dorfmeister heute die – süffisant gemeint – Lieblingsfrage aller Jounalisten war: "When is the album coming?" Auf das hatte man nämlich seit G-Stoned vergeblich gewartet. Und das, obwohl ihre Einzelprojekte Tosca und Peace Orchestra sehr wohl schon damals in Albumformate verpackt waren.

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In der Zwischenzeit waren die beiden soundmäßig bei housigeren und technoiden Produktionen und Vorlieben angelangt, was ihnen von ihrer Kern-Fanbase vielfach übel genommen wurde. "Mir wurde immer vorgeworfen, dass es auch schon in der Entstehungszeit von K&D diesen extrem coolen Detroitsound gegeben hat, nur hab ich den in Wien Anfang der Neunziger nie so gehört", so Peter Kruder heute. Der komme für ihn definitiv erst später. Es waren Produktionen von Carl Craig und Co, die ihn dazu bewegten, das sanfte Detroitformat mit in sein Sound-Repertoire aufzunehmen.

Der Auftritt im Burgtheater im Februar 2011 war sicher ein absoluter Höhepunkt – damals waren sie gerade auf (Welt-)Tour – und die Anfrage und ihre Umsetzung kamen treffsicher als großer Moment in ihrer späten Karriere. Und als Meilenstein. Ähnlich wie Kraftwerk standen die beiden auf der Bühne und ihre MCs unterhielten in drei Segmenten das Publikum, das am Ende enthusiastisch aufsprang und mitgroovte. Die Kritiken blieben – typisch für Österreich – durchwachsen.

Die Journaille, angeführt von einem vor Bösartigkeit nur so sprühenden Kommentar von Samir Köck, konnte der Entweihung des hohen Theaterhauses nicht allzu viel abgewinnen. Es passierte ihnen wahrscheinlich zu wenig auf der Bühne. "Was tun die da", fragten auch mich ein paar erstaunt, "Knöpferldrehen?"

2012 erfolgte schließlich die Trennung des Duos auf unbestimmte Zeit. In der Folge legten beide weiterhin oft getrennt auf. "Auflegen ist, verglichen mit einem Liveset, einfach, aber es ist effektiv, man kann mit wenig Aufwand viel Effekt erzeugen", so Dorfmeister, der ja immer schon parallel zu K&D ein großes Nebenprojekt betrieb: Tosca.

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Tosca war schon seit 1994 erfolgreich am Start. Er betrieb es mit seinem alten Schulfreund Rupert Huber am Piano, anfangs als Downbeatzwilling, später als vielschichtige Soundpalette, ohne starrem Zugang. Es blieb immer etwas, das dem Original glich: Ein sehr wienerisches Projekt mit der unverkennbaren Handschrift eines Teiles von K&D, sowie vielen Kollaborationen.

Unvergessen ist mir hierzu eine Anekdote im Kopf geblieben, als wir bei der Releaseparty 2003 einen Konzertflügel anmieten mussten, um die Liveshow zu realisieren. Eine halsbrecherische und riskante Angelegenheit für das wilde Flex. Darüber kann man heute nur schmunzeln: "Um flexibler zu sein, wurde das abgespeckt. Wir sind zu zweit auf der Bühne, um als Gegenpart zum normalen Konzert mit Sänger und Drummer zu wirken. Die Leute erwarten immer viel zu sehr, dass nun der Drummer kommt und nun der Sänger. Dieser klassischen Erwartungshaltung haben wir dadurch etwas entgegenzusetzen. In Zeiten des modernen Live-Acts."

Peter Kruder arbeitete seit jeher für seine Projekte Peace Orchestra (ein Album 1998) und Voom Voom (mit Fauna Flash aka Christian Prommer und Roland Appel).Daneben betätigte er sich als fleißiger Produzent für sich und andere (zum Beispiel DJ Hell) und Remixer (zum Beispiel Falco gerade erst).

In Ansätzen bekommen die beiden den neuen Downbeat-Hype sehr wohl mit. Dorfmeister traf etwa erst kürzlich mit Acid Pauli auf einem Festival in Uruguay und fand seine ethnolastigen Sets – ganz beatportbefreit – äußerst wohltuend und inspirierend. Für ihn ist das ja eigentlich Uptempo im alten Sinne, aber es fühlt sich heute für die neue hektikgeplagte Technogeneration als Downbeat an.

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Die Soul Seduction verschwand dann ebenso wie das Label G Stone aus wirtschaftlichen Gründen: "Aus den Verkaufstanteilen für Werbung und Film haben wir nicht viel gesehen, weil wir uns nicht sehr darum gekümmert haben. Aber sehr geärgert hat mich das nicht. Es war Werbung. Man macht einen Remix und bekommt eine Einmalgage und wenn er durch die Decke geht, dann war das eben so", sagt Dorfmeister heute und vermerkt, dass es ständig neue Aufarbeitungen und Neuanfragen der alten Werke gäbe – heute fest in der Hand von K7, was nicht alle immer gleich glücklich machte.

Aber das Aufarbeiten des ewigen Damals sei auch etwas lähmend. Die Musikqualität ist ja nicht schlechter geworden oder kommerzieller und hirnloser. Man habe immer qualitativ hochwertigen Sound produziert, ob zusammen oder einzeln. Die Reflexion hat sich aber verändert – wie oft bei sehr erfolgreichen Projekten.

"Wenn man sich gut fühlt, passiert was".

Für die Journalisten waren die beiden keine einfachen Partner: Die Verweigerungshaltung beider war legendär. Für die beiden gilt "Keine Antwort ist eine Antwort". Da hatte ich diesmal richtig Glück. "Wenn man sich gut fühlt, passiert was", so das Credo von damals. Einige Kultinterviews- wie etwa jenes von Sven Gächter (für den Falter) gab es als rare Einzelstücke.

Am 15. März gibt es diesen gemeinsamen Move nach der Ehrenzeichenverleihung wieder einmal. In der Pratersauna sind die zwei mit der gesamten alten (Freundes-)Garde am Start: DSL, Sugar B, Urbs, Rodney Hunter, GüMix, Sweet Susie.

Die zwingend gestellte Frage nach einer möglichen Wiedervereinigung wird achselzuckend mit  "Schauen wir einmal!" umschifft. Ebendas hatte ich oben mit sanfter Verweigerung umschrieben. "Vorerst einmalig" lautet die Konsensreplik. Gut dann, lassen wir den Abend auf uns zukommen und gratulieren wir den beiden zu einer Würdigung für viele Jahre österreichisch-wienerischer Musikgeschichte, die hoffentlich doch irgendwann einmal wieder weitergeht.

Das Event findet ab 15.3. ab 21:00 Uhr auf vier Floors in der Pratersauna und dem VIEiPEE statt.

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