Der vielleicht letzte Text über das Berghain … und digitale Clubgänger

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Der vielleicht letzte Text über das Berghain … und digitale Clubgänger

Hunderte Medienberichte, Memes und Promibesuche: Manch einen nervt das Berghain nur noch. Wer kontrolliert heute das Bild des Mythos mit seinem Fotoverbot?

Header: Foto von Kun Liang.

Lange Zeit war der monatlich erscheinende Programm-Flyer die einzige Insigne, die man aus dem Berghain mit nach Hause nehmen konnte. Von jedem Besuch blieben lange Zeit sonst nur ein verwischter Stempel und die repetitiv pumpenden Schweissdrüsen, die erst am übernächsten Tag versiegen wollten. Das gilt heute nicht mehr.

In den zwölf Jahren des Clubbestehens entstanden immer mehr Medienberichte, tausende Fotos in sozialen Kanälen und dazwischen in immer kürzeren Abständen Berghain-Memes. Die mediale Gegenwart bot so allein in diesem Jahr etwa Ben Klocks Banane und die laminierte Getränkekarte auf eBay, der "Berghaintrainer" und die "Berghenk Experience" wiederum simulierten das Anstehen am Club, Apps wollen einem beim Eintritt helfen, Parteien warben vor dem Club und auf Facebook kreisen Fake-Veranstaltungen, die ein Holi-Fest vor dem Berghain stattfinden lassen wollen. Und jetzt haben wir noch gar nicht Claire Danes und Conan O'Brien erwähnt.

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Auf Instagram posen sich allerhand Menschen nach einer durchfeierten Nacht vor den Clubtüren zu Tode. Aber auch die DJs selbst lassen sich regelmäßig vor dem alten Heizkraftwerk ablichten, während Blogger und Kreativagenturen so weit gehen, dass sie Berghain-Memes für ihre Zwecke verkapitalisieren: Ob als Werbe-Remix oder als totale Logo-Assimilation eines gefälschten Berghain-Shops, um Aufmerksamkeit für fremde Marken zu generieren.

Das Berghain, das Volksreporter Moritz von Uslar in seiner  ZEIT-Kolumne "Morgens, halb 10 in Deutschland" mal "neben Kölner Dom, Münchner Viktualienmarkt, Loreley und Berliner Museumsinsel" als einen der fünf Orte in Deutschland bezeichnete, "die man wirklich gesehen haben sollte" ist weltweit bekannt und omnipräsent. Manch eine(r) fühlt sich längt genervt vom "Mythos Berghain".

Dabei ist die Kritik an der medialen Aufmerksamkeit rund um das Berghain mitsamt seinem Fotoverbot und den vielen Geschichten nicht neu. Schon im Mai 2010 kritisierte Berghain-Flyer-Texter Timon Engelhardt im damaligen Flyer, dass sich Medien auf jedes Detail aus dem Club-Inneren stürzen würden. In den vergangenen Jahren kamen allerdings unzählige Meme-Macher und Instagram-Babes und -Boys dazu, die das Berghain entblößen, herausfordern oder instrumentalisieren wollen. Und sie prägen die Wahrnehmung des Clubs als "Dance Music's Biggest Meme" heute entscheidend mit.

Nur, wer hat die Macht über das Bild des Clubs? Noch das Berghain selbst oder doch die digitale Celebrity-, Meme- und Social-Media-Öffentlichkeit? Und was interessiert uns so stark an dieser Clubkultur? Was treibt Menschen hinter solchen Kanälen und Aktionen an, sich so obsessiv mit dem Berghain auseinanderzusetzen?

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Malte* führt die Facebook-Seite "Just Berghain Things", auf der er die Vielzahl an neuen Club-Memes teilt. Er hat eine Berghain-Getränkekarte auf eBay gestellt und die Instagram-Seite "illegal berghain pics" ins Leben gerufen. "Kennst du den Spruch: Woher weißt du, dass jemand Veganer ist? Er wird es dir erzählen!", antwortet er Noisey auf die Frage, warum er sich so intensiv mit dem Berghain auseinandersetzt.

"Diesen Spruch kann man auch auf die Clubgänger am Ostbahnhof übertragen. Memes sind schnell erstellte Wegwerf-Produkte und zeigen, wie sehr das Berghain polarisiert." Seine Aktionen seien vor allem "Kritik an denen, die etwas radikal verteidigen wollen, was nichts Politisches mehr hat. Ob das jetzt das Berghain selbst mit fadenscheinigen Äußerungen gegenüber Veröffentlichungen ist, wenn es etwa gegen die Getränke-Karten-Auktion oder vermeintliche Fotos aus dem Club vorgeht, oder die Besucher selbst sind." Für Malte passt das tatsächliche Innenleben eines heutigen Berghain-Wochenendes nicht mehr mit dessen mythischen Ruf zusammen.

Das sieht Electronic Beats-Journalist und Noisekölln Tapes-Labelgründer Michael Aniser ähnlich. Er betreibt eine große Facebook-Seite für Club-Memes. Noisey erzählt er: "Wenn jetzt immer künstlich dieser Underground-Begriff hochgehalten wird, ist das peinlich. Das [Berghain] ist eine funktionierende Firma, wie jede andere auch. Das Pop-Kultur Festival hat das Berghain endgültig von einem Club in eine Event-Location verwandelt. Was ja nicht unbedingt schlecht ist, aber der 'Mythos Berghain' hinkt dadurch natürlich gewaltig." Das Festival fand im Auftrag der Senatskanzlei Berlin 2015 einmalig in dem Club statt und sollte ein internationales Publikum anziehen.

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Dennoch bleibt Aniser dabei: "Das Berghain ist ein fantastischer Ort und ich bin großer Fan des Konzepts".

Aber Stichwort: Underground. Das Berghain hat eine größere Kapazität als viele Mega-Park-Diskotheken auf dem Land und lässt Künstler auftreten, die in einer gut vernetzten Szene weltbekannt sind. Aber die Dynamik eines Besuchs gibt vielen Besuchern immer noch das Gefühl, einer Underground-Veranstaltung beizuwohnen. Wenn man wissen will, warum das Berghain seit zwölf Jahren so gut funktioniert und fasziniert, muss man also zunächst das dekonstruieren.

Wo sich die beiden interviewscheuen Berghain-Besitzer Michael Teufele und Norbert Thormann im Stillschweigen üben, erzählt sich der Club vor allem über die Besucher, die sich oftmals gedrängt sehen, die Gedanken mittels cooler Posen nach außen zu bringen: Jede Erzählung aus dem Club klingt wie ein modernes Märchen, dem man in all seinen mystischen Komponenten sein Ohr schenken möchte.

Das mag wohl an den Codes liegen, die es seit dem Ausruf des Berghains zum besten Club der Welt im Jahre 2009 immer stärker zu kennen gilt. Das Verhalten und vor allem das Äußere erscheinen durch die Vielzahl an Erzählungen vorgegeben, ritualisiert. In der heutigen Wahrnehmungen tragen Berghain-Gänger stets Schwarz. Auf dem September 2016-Flyer des Clubs beschreibt Musikproduzent Stefan Goldmann das vibrierende Mimikry-Verhalten so: "Es gibt die Legende, man käme ins Berghain, wenn man komplett schwarz gekleidet ist. Seither sind das 95% der Schlange."

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In der Außenwahrnehmung der Berghain-Szene ist ein untereinander verpflichtender Kleidungs-Code entstanden, der langfristig im knappen Schwarz eine Ausgeh-Kultur konserviert, die in sich zwar geschlossen, aber immer noch extrem harmonisch, fluide und genderfrei gestaltet ist. Und sich dennoch im ständigen Wandel befindet, wie Daniel Wang Noisey berichtet. Wang hat zu Anfangszeiten im Berghain und Lab.Oratory aufgelegt. Bekannt ist sein zwölf Jahre alter Essay "Ostgut, Berlin" aus Discopia, der die erste Veranstaltung in der am 15. Oktober 2004 neu eröffneten Panorama Bardokumentarisch klar beschreibt.

Bei einem Telefongespräch sagt er: "Der Vorgänger-Club Ostgut war aus der Not geboren, einen Ort für die Snax-Partys zu finden, die zuvor vor allem im Technobunker in Mitte stattfanden. Dort konnten junge, schwule, vor allem ostdeutsche Männer das tun, worauf sie Lust haben. Dabei war das Ostgut immer illegal, es gab keine GmbH dahinter, keinen Mietvertrag. Nach der Schließung 2003 mussten die Macher eine sehr bewusste Entscheidung fällen. Das Berghain war nicht mehr ein rein idealistisches Kunst-Projekt, sondern wurde ein angemeldetes Vorhaben. Techno wurde weltweit ein Geschäft. Der schwule Underground professionalisierte sich."

Damals wie heute besteht eine klare Dissonanz zwischen dem selbsternannten Stammpublikum und der Öffentlichkeit. Nur haben sich die Posen verschoben. Auf der einen Seite ist Berghain Arbeit, Berghain ist Sport—Verausgabung und Ekstase als geteiltes, glückliches Leid. Die Bemühungen und Strapazen, die Menschen aufwenden, um in den Club zu gelangen, sind es noch dazu, die dem Ort, zumindest heute, seine Magie verleihen.

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Viele Clubgänger assoziieren aber auch eine Form von Heimat mit dem Club: Gerade durch die Biedermeierlichkeit der restriktiven Öffentlichkeitspolitik mit seinem Fotoverbot und den bunten Kamerastickern haben es die Besitzer geschafft, einen Ort bereitzustellen, der privat zu sein scheint. Der Philosoph Roland Barthes nannte Privatleben die "Sphäre von Raum, von Zeit, wo ich kein Bild, kein Objekt bin." Und wo wir uns heute in einer digitalen Welt immer öfter entblössen, wäre das Berghain wohl auch für Barthes das Epizentrum der Privatheit. Früher auf der Snax nur für Schwule, heute für alle, die aus dem Digitalen flüchten wollen.

Die in den späten Nullerjahren dazugekommene, sportive All Black Everything-Uniform erzählt dabei nicht nur eine Geschichte von Irritation, sondern auch von einer Art Gleichschaltung, die im Berghain früher nur unter den dort feiernden Schwulen stattgefunden hat. Heute ist Schwarz das neue, visuelle Übereinkommen einer immer diverser gewordenen Community: Das Gleich-Aussehen, das Abtauchen und Auflösen in einen dunklen Sound innerhalb einer kommerziellen Mentalität hat das frühere, politische Statement von schwulen Männern ("Wir ficken uns!") als Sehnsuchtsmetapher abgelöst.

Im Schwarzen soll sich der authentische Geist der ehemaligen, gesellschaftlichen Randgruppe bewahren: Zusammenhalt in einer stürmischen Welt. Nicht mehr der Schwanz wird gemeinsam in die Hand genommen, sondern das Schwarze. Susan Sontag schrieb einst: " The color is black, the material is leather, the seduction is beauty, the justification is honesty, the aim is ecstasy, the fantasy is death." Damit bezog sich die Kritikerin zwar auf die purpurschwarze Uniformen der SS, aber die Worte treffen auch auf die gegenwärtige Uniform vieler Berghain-Gänger als lasziven Überreiz zu, wenngleich hier die eskapistische Selbstzerstörung, das tagelange Feiern an die Stelle des Todes rückt.

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"Es ist extrem faszinierend, wie sich Menschen extra für das Berghain einkleiden und Stunden vor dem Spiegel stehen", findet auch Melina Möller, die vor einigen Jahren die größte geheime Facebook-Gruppe rund um das Berghain gründete. Aus einer privaten Gruppe allein für Melinas Freunde wurde mit der Zeit eine 6000 Mitglieder starke Fanbase-Plattform, auch weil deren Urheberin keine restriktive "Türpolitik" betreibt: "Als Admin selektiere ich da nicht, wer rein darf. Das halte ich für Schwachsinn".

Eine enge Bindung von Publikum und Club zeigt sich so auch anderswo in den digitalen Kanälen: Die größte öffentliche Facebook-Gruppe "Berghain" zählt momentan circa 16.000 Mitglieder. Wie auch in den geheimen Gruppen tritt hier die Affirmation Fans mit den gemeinsam an die Toilettentüren gepissten "Regeln" der Clubcommunity zutage. Die Zusammengehörigkeit der digitalen Berghain-Familie ist enorm. Jeder Bericht über gefundene im Club Telefone, die zur Garderobe zurückgebracht wurden, wird in der Facebook-Gruppe mit zahllosen Likes und Kommentaren als Beweis für den Zusammenhalt der Eingeschworenen gefeiert. Wie ein Teenager selbstverliebt sein tägliches Selfie beherzt, bekommen hier stattdessen gleich aussehende, stilisiert befilterte Fotos des Clubs (natürlich von aussen) im wöchentlichen Rhythmus hunderte Likes.

Auf Instagram herrscht trotz Bildverbot ein reger Austausch. Ob über die Geo-Location "Berghain / Panorama Bar" oder mit den üblichen Hashtags versetzt: Online werden die Berghain-Posen massenhaft ausgestellt, entweder vor dem Club oder vor dem eigenen Badezimmerspiegel. Es geht ums Anschmiegen an kalte Verhältnisse: Ich gehöre dazu, oder: Ich war dabei.

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Wer etwas nach außen trägt (Getränkekarte, Claire Danes, der nächste Medienbericht), wird online für viele zum "Klassenfeind". Denn die erste Regel des Fight Clubs Berghain lautet: Du sprichst nicht über das Berghain. Wobei das nur für Prominente und die Presse gelten mag, denn diametral dazu stehen die persönlichen Veröffentlichungen in Wort, Bild und Schrift innerhalb des eigenen, digitalen Netzwerkes der "normalen" Clubgänger.

Auch die eigentlichen Veranstaltungen im Berghain binden Menschen an den Club. Jede Klubnacht fühlt sich an wie ein sakraler Anlaufpunkt für ein Klassentreffen von Auserwählten, ausgelöst durch den Mythos der Tür und die anonyme Dynamik im Inneren, welche wiederum durch Fotoverbot, statische Lichtgestaltung und die Möglichkeit auf impulsive Körperlichkeit hervorgerufen wird, wobei Letztere abseits der Darkrooms in entsexualisierter Camp-Nacktheit mündet.

Dabei stand das Berghain (respektive: Die Snax) zu Beginn für die reine "Invocation of Lust", der Anrufung der Lust höchstselbst. Doch von der heterogenen Freikörperkultur im Berghain bleibt in einer digitalen Öffentlichkeit nicht viel übrig. "Die sind alle nackt im Berghain" mag zwar die Kern-Message viele Berichte und auch der latent homophoben, ausgedachten Qype-Rezension eines Fake-Texaners sein—und zieht auch "Circuit-Boys aus aller Welt an, sich dort zu präsentieren", so Daniel Wang. Aber das Berghain ist nicht nur Klubnacht oder Snax, sondern auch eine der größten Veranstaltungshallen der Stadt.

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Abseits von den raren Theater- und Kunstnächten findet sich bei den regelmäßigen Konzerte und im letzten Jahr auch beim Pop-Kultur Festival ein weniger schwarz gekleidetes, noch diverses und von der rigorosen Türpolitik befreites Publikum im Berghain wieder. Auch, wenn der Club es sich weiterhin vorenthält, Ticketinhaber an der Tür abzuweisen und die Smartphones mit Stickern zu bekleben, löst sich spätestens hier das Versprechen maximaler Privatheit auf, und der Anschluss an den geplanten Mythos wird einer breiteren Masse zugänglich. Nur erlebt diese dann eben etwas Anderes.

Vielleicht muss man alles grundsätzlicher betrachten. Anfangen könnte man damit, Technomusik und politisches Aufbegehren heute immer weiter voneinander zu lösen, da die Musik eben den normalen Lauf des Mainstreams genommen hat, dabei aber seine politische Radikalität einer Protestbewegung abgelegt hat. Wenn man das machen würde, könnte man sagen: Oben im Berghain und der Panorama Bar spielt sich ein Abbild von unten ab.

Unten, im Sexclub Lab.Oratory, der ausschließlich für Männer zugänglich ist, hat man noch die absolute Garantie, dass das Erlebnis Funken politischer Echtheit besitzt. Daniel Wang beschreibt das so: "Das Berghain und die Panorama Bar sind das Atomkraftwerk, aber die Plutoniumstäbe brennen im Lab. Unten geht es nicht vordergründig ums Geld, sondern um das Vergnügen als Ziel."

Dabei bleibt die These im Raum, dass das Berghain selbst Teil des verhassten Establishments geworden ist.

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Vom Modus der Rebellion und Subversion ausgegrenzter, ostdeutscher Schwuler ist der Clubgänger in den Modus der Affirmation eines liberalen Wertekanons gewechselt, nach dem es innerhalb des eigenen Umfelds gängige Normalität sein sollte, dass kein Mensch wegen seiner Hautfarbe, ­seines Geschlechts und seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf. Ob Berliner, Schwuler, Tourist, Mann oder Frau—jeder hat im Berghain Platz (wenn er die Codes kennt).

Der große Konflikt des Gasts entsteht also in der fehlenden Reibung mit der Gesellschaft und der Sehnsucht nach Retro-Authentizität einer immer anschlussfähigeren Form von Techno-Szene. Das Berghain, das Publikum und die Welt da draußen ist dabei längst fluider geworden, als es der romantikverliebte Besucher wahr haben möchte und immer banalere Medienveröffentlichungen zum Club werden so schnell mit Kulturvandalismus gleichgesetzt.

Daniel Wang hat als früherer Besucher dazu eine ausgeprägte Meinung: "Die Idee ist eben größer als die Realität geworden. Ein Vergleich zu den Rolling Stones: In den 60ern extrem populär und wegweisend, spielen sie heute mit 70 vor viel mehr Menschen, vor 50.000 Fans, von denen aber kaum noch jemand die Bühne sehen kann. Was sich von den Rolling Stones hält, ist die Ursprungsidee ihres weißen, männlichen und arbeiterbewegten Rock'n'Roll und die Sehnsucht des Zuschauers, daran teilzuhaben."

Jede Generation beansprucht den Ort auf ihre Weise für sich, mit all ihren Mitteln. Und jede Generation pocht aufs Neue die Ideale und Werte einer Institution auf die eigenen ab. Was beständig bleibt, ist die Alltags-Flucht und das Nutzen eines in der heutigen Zeit maximal abgeschirmten Safespace zum Abtasten und Ausleben der eigenen Persönlichkeit. Clubkultur ist erwachsener geworden und Memes sind in diesem Prozess die gegenwärtigen Katalysatoren von Kritik und Adoration.

Die Kommunikations-Expertin Luisa Leopold, die in ihrer Veröffentlichung "Nischen der Prominenz" über Meme-Kultur schreibt, erzählt Noisey: "Das Berghain ist extrem spannend für Memes, da man durch die strengen Codes und Verbote zum Spiel eingeladen wird. Der Export der Verbote aus dem Club und der Import von Memes in den Medienalltag sorgt für eine Erosion der Autorität", nimmt also dem Club die Luft raus.

"Das Brechen der Regeln ist eine Form der Annäherung: Die Zerstörung des Codex lässt uns Teilhaben an dieser Clubkultur und ist Teil einer modernen Fanpraxis, die sich durch unbefriedigte Sehnsüchte ausdrückt." Berichte, Memes, Facebook Check-Ins und Instagram-Fotos füllen die Lücken der Begierde. Leopold sieht insbesondere Memes als "eine Art von Fan-Fiction, die wesentlicher Bestandteil des Fanseins 2016 ist."

Dass alle Veröffentlichungen am Image kratzen und einen fortschreitenden Wandel des Publikums ermöglichen, ist für sie dabei ein gewöhnlicher, kontemporärer Prozess: "Interessant ist die Vielzahl der Veröffentlichungen als digitales Archiv, aus der sich eine neue Gemeinschaft gebildet hat, die außerhalb des Berghain existiert. Sozusagen eine fremdbestimmte Anomalie in der Geschichte des Clubs, die die Außenwirkung des Clubs mit beeinflusst", so Leopold.

Übertragen kann man das auf alle Erzeugnisse und redefreudigen Clubgänger: Ob das Berghain als nicht enden wollender Strom von digitalen Produktionen abgebildet, imitiert, beobachtet oder überdreht wird, oder Club-Toiletten in Piotr Nathans Arbeit zu Appropiation Art ausgerufen werden, die er auf der vergangenen Ausstellung im Berghain ausgestellt hat: Wir remixen das, was wir verehren, und das, was uns abstößt, und zeigen damit, wonach wir uns sehnen und wie unsere Welt funktioniert.

Getanzt, gefickt und wie auch immer wird aber immer noch drinnen.

*Name von der Redaktion geändert. **

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