Die Geschichte von Partys und Feiern gehen

FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Die Geschichte von Partys und Feiern gehen

Wir haben für euch herausgefunden, wann man damit begonnen hat, sich regelmäßig wegzuschießen.

Wenn du lang genug in Österreich gelebt hast, dann weißt du: Es gibt Feste, die es zu feiern gilt. Da wäre schon gleich mal dein Geburtstag, Ostern, Weihnachten, Schulfeste, eventuell auch kirchlicher Schmafu (wie etwa deine Firmung), Hochzeiten, Zeugnis, Matura, irgendwas mit Studium und dazwischen diverse Partys, Raves, Lan-Partys und Konsorten. Zu feiern bekommst du also irgendwie schon in die Wiege gelegt.

Anzeige

Ein Fest zu feiern ist auch etwas Schönes und es existieren nur wenige Kulturen und Religionen, in denen man nicht wegen irgendeiner Sache mal eine feine Sause schmeißt. Der Mensch feiert auch schon viel länger als er Geschichte schreiben kann.

Weihnachten etwa wurde das erste Mal als ein Feiertag im Jahre 336 in Rom gefeiert. Also etwa 300 Jahre nach Jesus. Doch dank den Ausgrabungen im Jahre 1900 in Knossós, der Minoischen Kultur (die schon 2000 vor Christus war), wissen wir auch, dass die Leute da schon kosmopolitisch genug waren, um Partys zu schmeißen. Und die müssen wiederum so gut gewesen sein, dass dieses Volk sie mit Hilfe von Bildsprache für die Ewigkeit festgehalten hat.

Zu tief ins Glas schauen since forever.

Aber warum feierten sie damals?

Dazu gibt es natürlich viele und berechtigte Theorien. Ich habe mich deswegen mit dem Historiker Ilja Steffelbauer und dem Sozial-Anthropologen Khaled Hakami getroffen. Ersterer fand es interessant, dass ich das Feiern als etwas Positives gesehen habe. Etwas, das außerhalb des Alltages etwas erfreuliches ist. Das soll aber nicht unbedingt sein, da auch eine Beerdigung eigentlich eine Feier ist. "Warum haben die Menschen angefangen zu feiern?" fragt er seinen Kollegen dabei, "Wenn man sich die Frage stellt, was Feiern für eine Funktion hat und sich gleichzeitig darüber Gedanken macht, ob es Gesellschaften gibt, die überhaupt gar keine Feiern haben, dann kann man sich vielleicht der Frage annähern.", antwortet Khaled Hakami. Er arbeitet mit einer Jäger und Sammler-Gesellschaft, in der es das Feiern, so wie wir es kennen, nicht gegeben ist. Er meint, da Feiern Orte des kollektiven Zusammenkommens sind, muss es eine Funktion haben.

Laut Gerald Koller, Entwickler der Rausch- und Risikopädagogik risflecting®, hat der Mensch seit Anbeginn des Feierns anscheinend nur zwei Gründe, warum er das tut: Entweder, weil er mit dem Leben gut klar kommt, oder weil er es gerade gar nicht packt. Er betitelt sie mit "Fest als eine Zustimmung zur Welt" und zum anderen "Das Fest als Widerspruch und Exzess". Seine Sorgen im Komasaufen zu ertränken, ist also nicht nur uns nach dem ersten mal Liebeskummer eingefallen.

Anzeige

Das Bedürfnis, Ereignisse aller Art mit Rausch und Party zu untermalen, existiert nämlich schon wesentlich länger als wir uns vorstellen können. Uns Menschenwesen war schon früh bewusst, wie wir dem Alltag entkommen – aber Gerald Koller sieht das Feiern sogar im Alltäglichen enthalten. "Feste sind keine Fluchträume aus dem Alltag – sie sind immer mit ihm verbunden: Sei es, um den Alltag zu überhöhen oder aber, um ihm zu widersprechen. In beiden Fällen bezieht sich das Fest auf den Alltag der Menschen, die es gestalten.", schreibt er in seiner Publikation "Das Fest als Rausch- und Risikoraum".

Der französische Soziologe Emile Durkheim vermutete, dass die Seele des Feierns in der Zügellosigkeit schlummert, in der das Alltägliche von seinen Gesetzen und der Moral befreit ist. Generell: sich für den Abend herzurichten, das haben wir Europäer den feinen Damen und Herren aus dem Mittelalter zu verdanken. Damals haben sie es gemacht, um Klassen zu trennen, wir machen es heute um classier zu sein.

Im Mittelalter wurden diese prunkvollen Feste sowieso nur aus einem Grund veranstaltet: Um zu protzen und um zu zeigen, wie gut es einem geht. Vor allem hat es sich so um die Partys bei Ludwig XIV. von Frankreich gestaltet. Neben Saufspielen (übrigens: das älteste belegbare Trinkspiel ist bei den Griechen im 4.-5. Jahrhundert vor Christus zu verzeichnen) haben wir dieser Renaissance auch den Tischbrunnen zu verdanken. Die Inszenierung seiner Partys war ihm wichtig – er war quasi die Deko-Queen des Mittelalters. Er hat sogar das Fußvolk seinerzeit dazu verdonnert mitzufeiern, indem er Ochsen oder anderes Spieß- und Bratbares unter ihnen hat auftischen lassen, nur weil es dann besser ausgesehen hat (vor allem für sein Gewissen). Man hat zwecks der Deko sogar Schwäne gebraten, aber nicht um sie zu essen. Schwäne sind nämlich ungenießbar und schmecken tranig, da sie sich von Fischen und Faulwasser ernähren.

Anzeige

"Feiern hat sehr viel mit demonstrativen Konsum zu tun. Ich leiste mir was öffentlich, weil ich will, dass die anderen in meiner Gruppe (sei es Familie oder Freunde) sehen, dass ich mir das leisten kann. Ich bin reicher, mächtiger und potenter – siehe die Champagner-Magnumflasche im Club. Im Business-Kontext ist das recht interessant, dieses demonstrative Konsumieren und Imponiergehabe.", so Steffelbauer."Eine richtig unangenehme Firmenfeier ist das beste Modell einer historischen Feier: Da ist die Hierarchie und die muss durchgesetzt werden. Man muss aber gleichzeitig den Eindruck erwecken, dass es ganz nett ist. Das ist wichtig, weil damit zeigt man ja demjenigen, der die Feier ausrichtet, dass man es schätzt."

Der Gesellschaft seinen Platz zeigen

In der Neuzeit (der Zeit nach dem Mittelalter) wurde dann mehr klassifiziert denn je (Stichwort: Dresscode). Dennoch haben die Leute ihre Zugehörigkeiten mehr über Gemeinschaften definiert. Schützenfeste waren die einzigen Ereignisse, bei denen es keine Ausgrenzungen gab. Denn ein guter Schütze zu sein, war Ehrensache – egal aus welchem Hause man auch sein mochte.

Bei den Feierlichkeiten heutzutage ist diese Klassifizierung ebenso noch geboten. "Dir wird gezeigt, wo dein Platz ist. In unserer Gesellschaft geht es sehr um die soziale Schicht – da sind Bildungsfaktoren entscheidend, es wird ja immerhin auch gefeiert, wenn jemand seinen Abschluss macht.", sagt mir der Sozialanthropologe Khaled Hakami. "Gerade beim Feiern ist da so dieser Kristallisationspunkt von sozialer Kontrolle, da zeigt sich das am intensivsten. Das Feiern ist auch ins Berufsleben übergegangen. Zum Beispiel bei Anwälten. Wenn du da bei einer Feier nicht erscheinst und dementsprechend kein Networking machst, bist du auch schnell wieder draußen."

Anzeige

In den Zeiten der frühen Industrialisierung haben die Menschen hauptsächlich nur eines, nämlich gesoffen. Leider auch in der Arbeitszeit, weshalb es mit den ganzen modernen Maschinen immer wieder zu Unfällen gekommen ist. Aber damals war der Sprit so etwas wie der sugarfree Energydrink für meine Arbeitskollegin: Ein unabdingbares Antriebsmittel. Verdanken kann man das alles den Erdäpfeln, denn sie waren billig, sie waren da und man konnte aus ihnen günstig Branntwein erstellen – und dem Bier natürlich.

Sag dem Bier Danke für die Kunst und Kultur.

[Das Bier kann eventuell auch der Grund sein,](http://Also haben sich die Menschen in der Nacheiszeit, die grob vor 12.000 Jahren begann, zu gemeinschaftlichen Fleisch-Gelagen verabredet. Der Ertrag des wilden, noch nicht gezüchteten Getreides reichte auch gar nicht aus, um sie hinreichend zu ernähren. Aber diese frühen Menschen hatten, nach dem Vorbild überreifer Beeren und Früchte, die Gärung entdeckt: Sie rührten die Getreidekörner zu einem alkoholischen Gebräu an und erkannten dessen berauschende Wirkung.) warum die Menschen sesshaft wurden. Damals war der Output von dem Getreide nicht ausreichend, um sich davon zu sättigen. Da ihnen aber der Prozess der Gärung angeblich schon bekannt war, haben sie die Getreidekörner zu einem berauschenden Bier gerührt. Und aus den Rauschquellen wurde ein Ort, an dem man bleiben möchte – so sehr, dass man dann bei ihnen im Laufe der Zeit Städte und Kultur aufgebaut hat.

Die vielen Unfälle mit den Maschinen könnten auch der Grund sein, warum zwanzig Jahre später der Alkohol in Amerika auch für 13 Jahre verboten war. Das tat aber den goldenen Zwanzigern keinen Abbruch, der mit den "Flapper-Girls" sogar den Feminismus salonfähig machte. Steffelbauer: "Was sehr typisch ist für damals, sind diese spontanen Feiern. Es sind irgendwo Leute zusammengekommen. Du hast schlichtweg nicht raus können, denn das nächste Dorf war vielleicht erst 30 Kilometer entfernt. Und der Winter war lang und die Abende waren noch länger, weil sobald es finster war, war es finster. Stockdunkel. Da bist gegen den nächsten Baum gerannt. Und in dieser Zeit sind unheimlich viele soziale Interaktionen passiert, die denen von heute am nächsten kommen." Party-Stockholm Syndrom in den Spelunken quasi.

Anzeige

Es ist uns also ein antrainiertes Bedürfnis, das Verlangen nach Party wie Hunger zu stillen und eigentlich auch eine ehrenhafte Angelegenheit. Denn die Idee dahinter ist es ja, dem Leben zu frönen und es zu schätzen. Dass diese ehrenhafte Absicht bei vielen am Wochenende oft unwürdig ausarten kann (man hatte halt Spaß), ändert trotzdem nichts an dem Kern der Sache. Denn laut dem Wiktionary ist eine Feierlichkeit was ernstes, genauer gesagt ist es "die würdevolle Ernsthaftigkeit eines Moments".

Drogen und Rausch gab es ebenso zu jeder Epoche und vielleicht haben sich auch schon die Neandertaler an ein paar narrischen Schwammerln vergriffen gehabt. Man sagt ihnen sogar gewisse Party-Qualitäten nach, weil sie einfach mehr Freizeit hatten als wir. Zu Sissis Zeiten war Koks immerhin ja auch noch ein Hustenmittel.

Ergo: Wenn es um das Feiern geht, gibt es in unserem gesellschaftlichen Raum kaum Menschen, die keine Ahnung davon haben. In 2000 Jahren nach uns, wird sich ein Forscher unsere Partyfotos ansehen und darüber schmunzeln, wie lustig doch die Bräuche von unserem "niederen" Volk doch waren. Sie werden aber auch erkennen, dass viele Menschen im Leben selten was anderes gemacht haben, als sich auf upcoming Partys zu freuen und Partys zu schmeißen. Denn: "Viele Fest-Traditionen auf dieser Welt bauen auf einem streng strukturierten ersten Teil auf, dem ein vollkommen offener, ja mitunter gesetzloser zweiter Teil folgt.", so Koller und siehe auch Ostern und der Fastenzeit davor. "Die Feier macht aus, dass es sozusagen aus dem Alltäglichen herausgehoben wird. Es muss eine Regelhaftigkeit haben, es muss einen gewissen definierten Bezugspunkt haben. Man muss das Feiern in einem breiteren soziologischen Kontext sehen, damit man versteht, was das überhaupt für einen Sinn hat. Weil gerade der Spaß ist ein schlechter Faktor, um das zu erklären.", meint Hakami, "Bei einer Feier und bei der Erziehung eines Kindes erkennt man am besten, wie die Gesellschaft dahinter funktioniert. Gerade wenn Leute zur Partys gehen."

Bildermaterial via Flickr | gravitat-OFF | Oliver Ponsold | Kristie Bateman | simpleinsomnia | CC BY 2.0 |