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Ich war nüchtern im Goodmann

Das Goodmann ist sagenumwoben und ein mysteriöser Ort der Wiener Elite. Wir waren für euch nüchtern dort.

Alle Fotos von der Autorin. „Ich und meine Sonnenbrille, mhm." Ein passendes Zitat von Haftbefehl.

Freitag, sechs Uhr morgens. Das Wetter ist zwiegespalten, die Sonne scheint durch ein paar dunkle Wolken. Bedeutungsschwanger blicke ich aus dem Fenster und denke darüber nach, ob das Wetterempfinden nicht stets die Projektion der eigenen Gefühlslage ist. Ich könnte mir auch „Yeah, Sonne!” denken. Aber ich tue es nicht. Als ich an meinem fünften Kaffee nuckele und über Projektionen und die Sinnhaftigkeit des Seins nachdenke, komme ich langsam in so etwas wie Afterhour-Stimmung. Mein Herz rast, meine Gedanken kreisen um irgendwelche Gefühls-Projektionen herum und ich finde die Sonnenbrille, die ich aufhabe nicht. Nichts in der Welt geht über eine Koffein-Überdosierung.

Robert Goodmann—ein Lokal, um das sich viele Mysterien und Gerüchte ranken. Hauptsächlich deshalb, weil Besucher sich meistens nicht wirklich oder nur sehr dunkel an ihren Besuch erinnern. Obwohl es eigentlich „das Goodmann" ist, hat sich Wien entschieden—ganz Mundart—es „das Goodmans" oder „Die Stürzerhütt'n auf der Wienzeile" zu nennen. Fest steht: Lange bevor andere Tanzlokale mit Afterhourpartys begonnen haben, hat sie die selbsternannte Unter-, Mittel- und Oberwelt in der Früh im Goodmann getroffen um miteinander zu stürzen. Ich organisiere ja manchmal nüchtern Afterhour-Feiern und das Goodmann war einmal als Lokal im Gespräch. Obwohl ich noch nie dort war, ist die gute Lage, die nicht existierenden Anrainer-Beschwerden und das nicht vorhandene „Polizei-im-Dienst”-Aufkommen sagenumwoben und für Wien fast schon faszinierend. Aber auch das sind nur Gerüchte und keine bestätigten Fakten.

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Damals bekamen wir keine Antwort. Freunde meinten, dass sie dort strenge Soundvorgaben haben. Eigentlich hätte ich das Goodmann nicht als eine musikalische Hochburg erwartet. Aber ich war ja auch noch nie dort. Ich habe mich entschieden mich ganz normal anzuziehen und dazu einfach eine Sonnenbrille zu tragen. Das fand ich ziemlich passend und unauffällig. Im Endeffekt hat sich herausgestellt, dass ich das einzige Opfer mit einer Sonnenbrille bin. Weggesteckt habe ich sie nicht, da ich mir belustigender Weise „Das ziehst du jetzt durch” dachte. Ich fand mich witzig.

Die Goodmann-Form haben unzählige internationale Marken nachempfunden. War diesen Sommer besonders hip.

Man zahlt keinen Eintritt im Goodmann, was doch sympathisch ist. Der gefühlte Durchschnitts-Eintritt in einem Wiener Club in der Früh ist ja zehn Euro. An der Garderobe hat man zwar Abgabe-Pflicht, was irgendwie einem Eintritt gleich kommt, aber das beläuft sich auf vertretbare zwei Euro. Neben der Garderobe kann man Sonnenbrillen kaufen. Um fünf Euro. Das ist eine ziemlich geniale Geschäftsidee, auch wenn ich bezweifle, dass irgendeiner der Gäste, diese Möglichkeit realisiert hat. Ich war ja ziemlich einsam mit meiner Sonnenbrille. Oben ist der Restaurant-Teil mit Sitzmöglichkeiten.

Da lernte ich meine ersten neuen Freunde kennen, die mir geholfen haben Fotos zu machen. Meine neuen Freunde haben Tracht getragen und sich wohl von der elitären „Wiesn” ins Goodmans verirrt. Ich unterhielt mich ein bisschen über einen Typen namens Paul, der voll das Arschloch ist und über die Küchenleistung vom Goodmans schwärmt. Angeblich sehr empfehlenswert, angenommen man verspürt hier Hunger.

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Ja, der Typ hinten raucht eine Zigarre. Raute: Gönnung.

Unten im Keller ist dann der Disco-Raum. Eigentlich ist das Goodmans so aufgeteilt wie jedes Bermuda-Dreieck-Lokal. Das überrascht mich, da ich verschiedene Beschreibungen über das Lokal bekommen habe, aber eigentlich waren sie alle grundverschieden. Vielleicht ist das die Faszination Goodman: Das „Nicht genau wissen” was man hier macht, was hier abgeht und wer hier ist.

Unten kommt meine time to shine. Ich gehe an die Bar und sage:„ He, ich packs nicht, haben’s a Cola?” Während ich erwartungsvoll und grinsend die Barfrau ansehe, schaut sie mich komplett unbeeindruckt an und fragt mich ob Pepsi auch OK ist. Ich sage ihr, dass es OK ist, aber ich verstecke meine Enttäuschung nicht. Schmäh des Jahrhunderts wurde einfach ohne jegliche Wertschätzung mit einem lausigen Pepsi abgetan.

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Unten geht die Post ab, es gibt einen Tanzbereich wo verschiedene Leuten „tanzen”. Ein paar Typen in Anzug, ein paar Menschen in Tracht und ein paar Menschen in Zivil. Alle haben geföhnte Haare. Daneben ist ein Raum, der abgesperrt ist. Mit so einem VIP-Seil. Das finde ich ur lustig, weil man stelle sich vor, wie weit man es im Leben geschafft hat, wenn man im Goodmans ein VIP ist.

Hier sitzt die wahre Elite. Dieses Foto wurde mit einem Blitz aufgenommen.

Von der Musik, der Stimmung und der Menschen her, erinnert mich das alles ein bisschen an den Voga oder an das Sass. Ich lerne einen Typen in Anzug kennen. Er, 35, ist ein Unternehmer in Wien und erzählt mir, dass die wahre Hochzeit vom Goodmanns längst vorbei ist. Früher war es hier richtig G, heute ist es ein großes Irgendetwas an Publikum, ist die Quintessenz seiner Aussagen. Die Puffmütter, die Dealer, ja sogar die Tschetschenen, haben ihren Rücken dem Goodmans zugewandt. Das machte mich wirklich traurig, da ich eigentlich ein Unterwelt-Fan bin und auch gehofft habe, mit der Unterwelt meinen Cola-Schmäh weiterzuführen. Ihn schien es auch traurig zu machen.

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Pepsi macht nicht so munter wie Cola.

Um mich selbst aufzuheitern und auch mal etwas zu sagen, fragte ich den Unternehmer„ Magst a bisser’l a Cola zum Munter bleiben?” Und er hat nur meine Flasche angesehen und sagte trocken: „Das ist ein Pepsi.” Ich muss euch nicht erzählen, wie schnell ich wieder entliebt war. Mein erster Impuls war, die Enttäuschung in mir mit einem Spritzer zu betäuben, aber ich habe es nicht gemacht. Ich war schon die Einzige mit einer Sonnenbrille, da muss ich nicht als Einzige mit Alkohol noch mehr hervorstechen. Ich habe den Geschäftstypen dann auch gefragt ob seine Nacht an ihm vorbeigezogen ist, aber auch das blieb ohne die erwartete Reaktion und ich bekam eine reife und erwachsene Antwort.

Der Altersdurchschnitt war schon über 30, was mich verwundert hat, da ich dachte, dass man mit über 30 einen minderspannenden Vollzeitjob von Montag bis Freitag hat. Man hatte mich gewarnt, dass im Goodmann tendenziell die konservative Elite abhängt, aber die Anzüge um acht Uhr morgens haben mich dann doch überrascht. Eigentlich war ich rückblickend betrachtet die Verwirrteste dort. Die anderen waren irgendwie nicht wirklich so verwirrt, wie ich mir das erhofft hatte und wie ich das von unseren Afterhour-Clubbings kenne. Es war auch nicht viel los, und ich glaube zusammen mit mir waren wir drei Mädels.

Vor dem Klo-Gang hatte ich am meisten Respekt. Zwei Bekannte haben mir unabhängig voneinander erzählt, dass sie aus dem Lokal rausgeschmissen wurden, nachdem sie das Klo besucht haben. Der eine hat zu lange gebraucht und der andere war zu zweit in einer Kabine. Waren wohl beide keine VIP’s.

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Jedenfalls zahlt sich die rigorose Politik aus—ich habe keinen Konsum von irgendetwas mitbekommen. Wie erwähnt, nicht mal von Alkohol. Ich habe mich dann noch ein bisschen mit den anderen Anzugsträgern unterhalten, hauptsächlich über die Wirtschaft. Da ich „BWL für SoziologInnen” nicht beim ersten Antritt geschafft habe, habe ich mir sehr schwer getan den Gesprächen zu folgen. Das brachte einige Menschen dazu, mich zu fragen wo ich denn so fort war, was meinen Verdacht erhärtet hat, dass ich trotz allumfassender Nüchternheit tatsächlich der verwirrteste Mensch vor Ort war.

Als ich eine Brille haben wollte um ein Foto mit der Goodman-Brille zu machen, sagte der Garderobentyp nur komplett angepisst zu mir, dass ich hier eh schon die ganze Zeit Fotos mache. Ja, das man bei Afterhourpartys keine Fotos macht, habe ich tatsächlich gekonnt ignoriert. Bevor ich endgültig Heim bin, habe ich nochmal das Klo besucht. Hier ein künstlerisches Foto:

Ich nenne dieses Foto „Morgendliche Romantik".

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Goodmans eigentlich ein passabler Afterhour-Club ist. Ich war am Sonntag auch nochmal dort, um zu sehen ob es einen Unterschied gibt. Außerdem habe ich mir verwirrte Menschen erhofft. Aber es war leider um 09:30 nichts mehr los. Also gar nichts, kein Gast. Entweder es liegt an der Konkurrenz oder ich hatte einfach Pech. Ich glaube aber auch, dass es im Goodmans wie bei jeder Afterhour ist: Nicht einzuschätzen. Weder das Publikum noch die Dichte des Publikums. Wer aber das nächste Mal über die natürliche Müdigkeit hinausfeiert, sollte der Afterhour dort eine Chance geben. Es gibt dort immerhin Brillen, es ist günstig und Sitzplätze gibt es auch. Vielleicht vorher noch das „Soll-Haben”-Prinzip lernen und die kindischen Flachwitze Zuhause lassen. Kommt dort gut an.

Fredi ist auch auf Twitter: @schla_wienerin

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