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Ich war eine Nacht in einer Tankstelle in Floridsdorf fort

Tankstellen sind so viel mehr als alter Leberkäs' und ein Klo.

Die Ausgabe-Stelle ist verglast.

Tankstellen sind in meiner Jugend wichtige Nahversorger in der Nacht gewesen. Das liegt an meiner Faulheit, den Alkohol zu tatsächlichen Geschäftszeiten zu kaufen. Und am frisierten VW Polo meines Ex-Freundes. Am Land—ganz egal ob in der tiefsten Ostslowakei oder in Bad Oaschloch—sind sie quasi ausgelagerte Beisl für Alkoholiker, die aus ihrem Stammbeisl geflogen sind. Das wiederum bedeutet, dass Tankstellen ein Nährboden und Treffpunkt für die Elite sind. Da wo ich hingehöre.

Wiener Tankstellen haben auch einiges zu bieten. Als ich auf Facebook den Status „Kennt jemand eine Tankstelle, an der so Personen mehrere Stunden lang Alkohol trinken?” gepostet habe, habe ich mir genau zwei Kommentare erwartet. Einen davon von meiner Tante, die mich fragt, wie es mir geht. Zurückgemeldet haben sich über 30 Menschen, die tatsächlich eine Antwort auf diese Frage hatten. Vorgeschlagen wurden mir alle Tankstellen in der Steiermark und alle Tankstellen im 22. Bezirk. Eine verlässliche Informationsquelle—ein 22ter-Bezirk-Prolo, der mit Eristoff Ice auf der Tanke vorglüht—hat mich aber aufgeklärt: Seit es in Wien keine Spielautomaten mehr gibt, gibt es auch weniger Spaß auf der Tankstelle.

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Wo früher das gesamte Arbeitslosengeld versoffen und verspielt werden konnte, kann man jetzt nur noch saufen. Wiener Stamm-Besucher haben daraufhin der Tanke ihren Rücken zugedreht und gehen jetzt lieber in eine andere Rummse saufen. Dort gibt es auch keinen Aufpreis auf den Alkohol. Wien hat so viele Beisl, da ist ein bezirksweites Lokalverbot nur lästig, nicht lebenseinschränkend. So viel zu dem Verfall des einst so abwechslungsreichen Paradieses „Tankstelle“. Unter den Kommentaren hat sich dann aber doch eine Wiener Tankstelle herauskristallisiert. Eine Tankstelle bei der U-Bahn-Station Floridsdorf.

Freunde habe ich für diese Aufgabe überhaupt gar nicht erst in Betracht gezogen. Erst als ich am Donnerstag mit einem Freund dagesessen bin, und ihm erzählt habe, wo ich meinen Freitagabend verbringe, habe ich verstanden, dass meine Freunde ähnlich gestört sind wie ich. Ich meine wir waren im Bollwerk. Wir waren im Ride Club. Und so weiter. Er meldete sich sofort an, mit mir hinzugehen. Insgesamt haben mich drei Freunde in die Tanke in Floridsdorf begleitet. Kein Scheiß.

Auf der Suche nach Gleichgesinnten.

Und was haben wir am besagten Freitagabend gemacht? Natürlich, wir haben vorgeglüht. Mit Obstler, Wein und Bier. Wir haben unsere alten Fortgeh-Muster also nicht abgelegt und ja, wir haben es wie fortgehen gehandhabt. Leider war eine Freundin nüchterner als wir alle, was ihre Stimmung spätestens in Flodorf getrübt hat. Als ich herumschreiend gegen ein Verkehrszeichen gelaufen bin und mir ein angetrunkener Floridsdorfer Mitbürger Sachen zugelallt hat, ist dann auch ihre Laune von „Oida!” auf „Vollmotiviert” gewechselt.

Als wir angekommen sind, haben wir erstmal Fotos mit den Tankschläuchen gemacht. Wie genau oder wieso wir auf diese Idee gekommen sind, weiß ich leider nicht mehr. Jedenfalls haben wir jetzt Fotos von den Tankschläuchen. Vor der Tür dann der Schock—die Tankstelle ist zu. Kurz bevor ich ein „Oida na, wie unfair is das Leben” loslassen wollte, lernte ich unseren ersten Freund kennen. Er nennt sich „Kickboxer“—also so wollte er genannt werden—und trotz seiner vier Promille schien er zu checken, dass in der Nacht von 23:50 bis 00:10 die Kassa gemacht wird und man nach diesen zwanzig Minuten wieder rein konnte. Kickboxer erzählte mir noch einige Sachen, aber die Hälfte habe ich nicht verstanden und die andere Hälfte habe ich vergessen.

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Während ich mich blendend mit ihm verstanden habe, haben meine Freunde sich verstört abseits gestellt. Ich glaube, ich mach mal ein Video von ihnen am Samstag drei Uhr früh, um zu zeigen, dass sie genauso erbärmlich lallen und sich aufführen können wie mein neuer Freund Kickboxer. Oder sie hatten vor seinem Aggressionspotenzial Angst. Er hatte eine leicht schreiende Stimme und seine Vorstellung mit „Ich bin Kickboxer, ich kann BAM-BAM in dein Gesicht machen” haben ihn eventuell leicht unberechenbar wirken lassen. Ich habe nicht nachgefragt.

Kickboxer und ich haben brav gewartet.

Kickboxer hat einen Freund, der in der Wartezeit auch vorbeigekommen ist. Der Freund wurde mir als „Zigeuner“ vorgestellt. Ich habe ihnen gesagt, dass sie äußert leiwande Street-Names haben, sie wussten nicht, was das ist. Wir haben uns alle blendend unterhalten und verstanden, was etliche Fotos auf meinem Handy beweisen. Der „Zigeuner“ war Slowake oder irgendetwas Slawisches, was in slowakischen und lauten Gesprächen resultiert hat.

Als der Tankwart endlich die Tankstelle öffnete, die wie ein vielversprechender heiliger Gral voller Alkohol auf alle Wartenden gewirkt hat, hat er die Augen genervt verdreht und wir sind reingerannt wie Vierjährige in einen Spielzeugladen. Weil wir ja auch so lange und so brav gewartet haben, haben wir uns entschieden, unser Belohnungszentrum so richtig zu belohnen. Ausnahmsweise.

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Mit einem großen Jägermeister, zwei Bier pro Person und einer Flasche Wein nämlich. Als ich vorne bezahlen wollte, habe ich Kickboxer gefragt, wo wir unseren Sprit saufen. Der leicht genervte Tankwart griff aber sofort ein und zeigte auf meine neuen Freunde: „De zwaa sicha ned, und Gekauftes kannst ned hinten trinken.” Hinten—damit meinte er ein kleines Bar-Abteil wo man rauchen und sitzen konnte. Ich habe mich als eine Alkoholikerin verurteilt gefühlt, weshalb ich auch das Gefühl hatte, meiner Rolle gerecht werden zu müssen.

Offensichtlich verdutzt habe ich höflich nachgefragt. „Und wo kann ich jetzt dann saufen?” Woraufhin der Tankstellenwart unbeeindruckt nach hinten zeigte. Also sind wir nach hinten gegangen. Ohne Kickboxer. Ohne Zigeuner. Nur wir vier. Ich glaube die Trauer hielt sich bei meinen Freunden in Grenzen. Und ich hinterfrage lieber nicht, was man machen muss, um in der Tanke in Floridsdorf ein Lokalverbot zu bekommen.

In der Bar gab es eine vorzügliche Lese-Auswahl.

Hinten haben wir dann gewartet, bis die normalen Gäste vom Tankwart bedient wurden. Dann ist der Tankwart langsamen Schrittes zu uns. Wir haben Spritzer und Bier bestellt, sowie auch Jägermeister. Insgesamt habe ich für vier Personen über 20 Euro bezahlt. Der Spritzer war uringelb und kam straight out of a Plastikflasche, was ich herrlich fand. Ich habe noch nie so ernsthaft einen Spritzer verkostetn wie diesen einen. Das Kammerl hatte vielleicht so acht Quadratmeter und war verglast.

Um aufs Klo zu gehen, musste ich mir einen Schlüssel holen. Ich habe den Tankwart gefragt und der meinte—ohne mich eines Blickes zu würdigen—dass er eh da liegt. Ich wusste nicht wo da ist, weshalb ich freundlich: „Und wo heast?” gefragt habe. Als ich mit meinem Klogang fertig war, bin ich weiter trinken gegangen. Zu uns gesellte sich ein Typ unseren Alters, seine Schicht war gerade vorbei. Außerdem war er Widder und nicht Single. Es könnten auch die Weichmacher in meinem Spritzer sein, aber an mehr kann ich bei bestem Willen nicht erinnern.

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Jedenfalls erzählte er uns lauter Fun Facts. Meistens saufen hier nur ältere Menschen. Ja, manchmal schlafen sie ein. Manchmal wollen sie noch mehr saufen. Dann schaut er, dass sie zuerst zahlen, bevor sie weiterschlafen. Dann um sechs Uhr morgens haut er sie raus. Seit es keine Automaten gibt, hat die Party die Tanke aber verlassen. Übrig geblieben sind nur nostalgische Geister, die sich aus Gewöhnung ab und an zur Tanke verirren.

Der Typ, dessen Namen ich leider vergessen habe—es war kein außergewöhnlicher Street-Name, nennen wir ihn Widder—hat uns dann auch noch mehr Alkohol gecheckt. Als Mitarbeiter ist er nämlich befugt den Alkohol vorne zu kaufen und nach hinten mitzunehmen. Was für ein Mitarbeiter-Goodie! Widder hat es für uns gemacht. Einfach so.

Nach ein paar Runden alkoholischer Getränke und der Einsicht, dass wir heute alleine in dem verrauchten Kammerl bleiben, haben wir beschlossen zu gehen. Es hat in der „Bar” nicht einmal Kronehit gespielt. Es war still. Nur das besoffene Gequake und wenn es kurz leise war, wurde es schrecklich unangenehm. Die Bedienung hat zu verstehen gegeben, dass diese „Bar” auch weiterhin so unattraktiv wie möglich wirken soll. Widder konnte uns auch nicht die ganze Nacht Alkohol checken. Und vier Euro für einen Spritzer aus der Plastikflasche,war dann auch mir zu arg. Also sind wir gegangen. Vollgetankt und ready in einem anderen Etablissement unseren inneren Assi, Raum zur Entfaltung zu geben. Haben wir geschafft. Wie so oft.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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