Ich war das erste Mal in der Virtual-Reality-Bar in Wien

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Ich war das erste Mal in der Virtual-Reality-Bar in Wien

Im VREI habe ich mich wie ein humanoider, Spritzer trinkender Alien aus der Zukunft gefühlt.

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Wir schreiben das Jahr 2017, die Zeiten fürs Fußvolk sind hart. Nationale und internationale Spannungen liegen in der Luft, in der westlichen Welt regiert der kapitalistische Wohlstand auf Kosten der östlichen Welt und Erwin Pröll hat erst jetzt seine niederösterreichische Vorherrschaft beendet. Österreich war noch immer nicht im All (war es doch, wie man mich richtig geflüstert hat) , außer ein Mal, als sich ein Mensch gedacht hat, es wäre cool, aus der Stratosphäre runter zu hüpfen und ein österreichisches Unternehmen diese Idee samt Kamerateam unterstützt hat. Der Betroffene scheint noch immer mit den Nachwirkungen dieses Unterfangens zu kämpfen.

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Kurz zusammengefasst: Da geht noch mehr. Als ich gestern vor der Bar stand und auf meine Begleitung wartete, schaute ich gespannt Menschen mit VR-Brillen auf dem Kopf zu, wie sie sich absolut unedel und tollpatschig durch die Gegend bewegen. Da wusste ich noch nicht, dass es ihnen egal ist, wie sie auf mich wirken, weil sie andere Probleme haben. Ich hatte noch nie eine VR-Brille auf und konnte mir nur so ein bisschen vorstellen, wie das so ist.

Als meine Begleitung kam, gingen wir rein und registrierten uns zuerst via Tablets. Ein Account ist in der VR-Bar notwendig, weil man darauf seine Coins lädt. Die Coins kann man ab drei Euro bis 98 Euro erwerben – je mehr man auf ein mal kauft, desto billiger wird's. Zu zweit haben wir bei zwei Spielen für zehn Minuten pro Person an die 250 Coins verbrannt, was zirka an die 30 Euro für 40 Minuten kommt. Eine Gratis-Simulation gab es dazu.

Die Vergangenheit steht in der VR-Bar im Keller.

Ansonsten schaut die Bar aus, wie eine Bar nun mal aussieht. Es gibt Sitzgelegenheiten, eine üppige Getränkekarte und unten einen großzügigen Raucherbereich mit alten Sega-Automaten, die man gratis spielen kann. Auch diese Bar hat – wie jede richtige Bar – Stammgäste. Da ich den Abend schon mit Drinks auf Wodka-Basis gestartet habe und drinnen noch vor dem Spielen Spritzer wie Wasser gesoffen habe, hatte ich absolut kein Problem damit, Leute kennenzulernen. Die Stammgäste meinten auch, dass es eher eine Lounge als eine Bar ist. Da ich das Wort "Lounge" sowieso nie ganz verstanden habe, war das für mich kein Diskussionspunkt. Ich war angesoffen und konnte sitzen, somit erfüllt dieses Lokal meine Anforderungen an eine Bar.

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Die Gästeverteilung war eher männlich dominiert, aber wie der Besitzer mir erklärte, kommen auch viele Familien, Pärchen und technisch-begeisterte Menschen hin. Die Menschen, die mit Brillen auf ihren Feldern gespielt haben, haben für nicht VR-Brillenträger richtig bescheuert ausgesehen. So richtig. Ich liebe Bars, in denen es erwünscht ist, bescheuert auszusehen und deshalb fühlte ich mich sofort wohl.

Man kann sich für verschiedene VR-Brillen anmelden (habe ich nicht ganz gecheckt) und sich Spiele aussuchen (habe ich auch nicht gecheckt, weil ich herausgefunden habe, dass es Shots gibt) und dann wartet man, bis man dran ist. In unserem Fall dauerte das Warten nicht lange, was wiederum aber auch an meinem Alkoholkonsum liegen mag. Zuerst durfte ich Achterbahn fahren. So eine VR-Ausstattung besteht übrigens nicht nur aus einer Brille, sondern auch aus Kopfhörern und im Achterbahn-Fall auch aus einem Sitz. Wenn man diese Brille das erste Mal aufsetzt und sich in seiner neuen Welt umschaut, will man nie wieder zurück.

Ich hasse Achterbahnen, aber die hat mir Spaß gemacht. Das Gefühl war wirklich realitätsnah, die Grafik mindestens OK und tief in mir wusste ich, dass ich nicht wirklich draufgehen kann, weil ich gerade in einer Bar sitze. Als ich die Brille abgesetzt habe, bin ich in eine tiefe Depression gefallen, weil die virtuelle Welt der Achterbahn-Schienen cooler und interessanter war als die reale Welt. Was einiges über die reale Welt aussagt und nicht so viel über meinen psychischen Zustand, möchte ich hier anmerken.

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Dystopisch schön.

Dann haben wir noch Bogenschießen gespielt und Alien-Roboter im All abgeschossen. Die Spiele, die angeboten werden, sind noch sehr primitiv. Die Handlung beläuft sich aufs Abknallen, Herumfahren oder Simulieren. Die Grafik ist noch nicht ausgereift – grundsätzlich erinnert mich VR in seiner jetzigen Form an die Anfänge des PC-Gamings und das verschafft mir erregte Gänsehaut. Wenn man die Grafik von damals mit denen von Heute vergleicht, weiß man auch wieso.

Versteht mich nicht falsch: Die primitive Art des Spieleablaufs macht VR-Gaming gerade super für Familien oder Menschen, die nicht regelmäßig zocken. Die Auflösung ist zwar noch nicht lupenrein, aber he, man ist wirklich in einer anderen Welt. In einer 3D-Welt. Und Zocker reißen mit ihren Konsolen- oder PC-Skills nicht automatisch den ersten Platz. Wie auch der Besitzer zu mir sagte: "Das Handling kommt eher der Wii nahe." Wii haben wir alle irgendwann 2008 gezockt, sind an der Regenbogen-Strecke bei Super Mario Kart verzweifelt und haben sie dann in die Ecke gestellt und verstauben lassen.

Der Chef und seine gut gefüllte Bar.

Man hat auch bei dem Spiel einen freundlichen Mitarbeiter, der einem das Spiel erklärt, die Brille aufsetzt und zeigt, wie man es schafft, nicht über die Kabel auf die Fresse zu fliegen. Die Mitarbeiter sind mindestens genauso kommod wie die Stammgäste. Sie haben alle einen leichten nerdigen Touch, was ich ja an Menschen sehr mag. Ein Stammgast ist noch groß in der CS-Szene, von der ich nicht wusste, dass es sie noch gibt. CS ist Counter Strike, falls sich N00bs gerade gefragt haben, was CS sein soll.

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Beim Bogenschießen und Maschinen im Weltall abknallen hält man zwei Controller in den Händen. Im zweiten Spiel ist deine Hand einfach eine Waffe, was ziemlich cool ist. Ich als altes Zocker-Haus dachte, dass ich meine Freundin fix besiege, da sie manchmal Probleme hat, den Standcomputer einzuschalten. Aber nichts da. Mein Gaming-Hobby hat mir bloß geholfen, das Equipment und den Spielmodus schneller zu checken. Aber um zu gewinnen, muss man sich bewegen. Man muss sich in seiner 3D-Welt umschauen, ausweichen, sich bücken, schnell auf die Seite bewegen und einfach lauter Dinge machen, die man nach diversen Drinks auf Wodka- und Wein-Basis nicht machen sollte, wenn man gut sein will.

 "Vom Kino kenne ich keine Mini-Depressionen – außer ich muss mir fürs Dating schon wieder einen Star-Wars-Scheiß ansehen."

Das wirklich Harte an VR: Das Zurückkommen in die reale Welt. Ich schätze auch, dass wir als Gesellschaft eines Tages wirklich noch ein soziologisches Problem mit VR bekommen. Virtual Reality ist noch in den Kinderschuhen und jetzt schon viel geiler als die Realität, was mir diverse Black Mirror-Thesen bestätigen. Aber das ist nur ein Detail am Rande. Wie mir dort jemand gesagt hat: Es gibt Studien, dass man nach einem Kinobesuch in eine Mini-Depression verfällt, weil man die Filmwelt verlässt. Vom Kino kenne ich keine Mini-Depressionen – außer ich muss mir fürs Dating schon wieder einen Star-Wars-Scheiß ansehen, aber da fängt die Depression schon beim Kartenkauf an – nach der VR-Erfahrung, habe ich die Serotonin-Drosselung real gespürt.

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Viel spannender und auch optimistischer ist der Gedanke, was VR alles kann und vor allem noch können wird. Ich war wirklich in der Zukunft, Leute. Ich war im All. Und ich weiß, meine Kinder und Enkelkinder werden mich für meine jetzigen Erfahrungen auslachen, da sie wahrscheinlich ihre VR-Schule mit Kontaktlinsen besuchen werden.

Aber um zum Fazit zu kommen: Wer Kohle hat, sollte es unbedingt ausprobieren. Wer keine hat, kann mal die Gratis-Spiele probieren, hängen bleiben und sich dann irgendwie Kohle besorgen. Wer Kohle hat, aber der jetzigen Technik schon kritisch gegenübersteht, der sollte sowieso daheim bleiben und paranoid seinen Facebook-Account löschen. Ich werde mit meinen Kumpels öfters hingehen. Der Spritzer kostet faire 2,80 Euro. Und es gibt Weißbier und Essen. Die Gäste haben außerdem technische Begeisterung als gemeinsamen Nenner, was es wirklich leiwand macht.

Wer übrigens den genaueren, technisch-analytischen und vor allem nüchternen Beitrag zu VREI lesen will, wird hier fündig.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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