"Ich mag es, unterschätzt zu werden" – Das erste Interview mit Davud
Aljoscha Redenius

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Interview

"Ich mag es, unterschätzt zu werden" – Das erste Interview mit Davud

Bei TV Strassensound ist es normalerweise Davud, der die Fragen stellt. Heute haben wir den Spieß umgedreht und mit Davud über seine unfreiwillige Rolle im Rap, Interview-Highlights und natürlich HipHop gesprochen.

Alle Fotos von: Aljoscha Redenius

Man könnte sagen, dass TV Strassensound sowas wie der Punk unter den Deutschrap-Medien ist. Gegründet in der Silvesternacht von 2011 auf 2012, entstanden aus der Idee heraus, Straßenrap eine größere Bühne zu geben, geliebt für seine ungekünstelte, sympathisch-verpeilte Art. Auf HipHop-Sprech gesagt: TV Strassensound ist real. Und unweigerlich damit verbunden: das freundlich lächelnde Gesicht des Hosts und Moderators Davud.

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Inzwischen ist TV Strassensound mit über 145.000 Abonnenten auf YouTube vom Deutschrap-Neuling und Außenseiter zu einem der beliebtesten Interview-Kanäle avanciert. Zu Recht, schließlich sind Davud und Co. verantwortlich für einige der legendärsten und beliebtesten Deutschrapinterviews (Hallo Mailand-Interview!). Punks sind sie irgendwie immer noch geblieben – allein die Verpflichtung MC Bogys als Interviewer sollte diese These ausreichend belegen.

Mit der steigenden Relevanz der Plattform ist auch Davuds Person immer mehr in den Vordergrund gerückt. Er ist inzwischen mehr als ein bloßer Moderator, der als Nebenfigur die Geschichte begleitet. Vielmehr ist er selbst zum aktiven Protagonisten seiner Geschichten geworden. Grund genug, mal den Spieß umzudrehen und Davud einige Fragen zu stellen. Was gar nicht so einfach war, wie sich herausstellte. Denn so leicht ist Davud aus der Interviewer-Rolle gar nicht zu kriegen. Immer wieder drehte er das Gespräch um und plötzlich waren wir diejenigen, die sich Davuds teilweise lustigen, teilweise sehr klugen Fragen stellen mussten. Denn hinter Davud steckt einiges mehr, als ihm viele zutrauen mögen. Lest hier also das erste Interview von TV Noisey Sound.

Noisey: Unsere erste obligatorische Frage: Du und Deutschrap – wie kam der Kontakt zustande und wie war die Resonanz?
Davud: [Lacht] Boah … Zu mir und Deutschrap? Zuerst habe ich amerikanischen HipHop gehört, durch meine Geschwister. Und zu Deutschrap hatte ich wohl die ersten Kontakte übers Radio, wo dann Fettes Brot und sowas kam. Dem war man ja zwangsläufig ausgesetzt. Durch das Internet begann ich dann, mich eigenständig mit Deutschrap auseinanderzusetzen. Ich bin ja mit dem Internet aufgewachsen. Und natürlich MTV und Viva. Ich war vor allem auf dem Musikvideos-Trip. Ich habe mir echt jedes Musikvideo damals reingezogen. Und die Resonanz war natürlich von Anfang an großartig. Ich habe Rap immer geliebt.

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Und da hast du dir schon gedacht: Sowas will ich auch mal machen?
Lustigerweise haben meine Erzieherinnen im Hort immer gesagt: Davud wird mal Moderator werden, im Radio oder so. Aber auf jeden Fall mit Musik. Zuerst habe ich ja dann selber gerappt. Aber als ich angefangen habe zu studieren, habe ich gemerkt, dass das andere einfach besser können und ich vielleicht lieber was anderes mache.

Und das andere war TV Strassensound?
So in etwa. TV Strassensound ist in erster Linie daraus entstanden, dass Street-Künstler keine Plattform bekommen haben oder zumindest meiner Meinung nicht die Plattform, die sie verdient haben. Das ist ja inzwischen auch etwas anders geworden. Ich hatte 2009 angefangen, Medien-Management zu studieren und in der Silvesternacht haben mein Kollege und ich entschieden: Nächstes Jahr ziehen wir das jetzt durch, weil die anderen das nicht gut machen. Also es gab schon gute Interviews, aber eben nicht mit Street Rappern. Ja, und dann haben wir einfach angefangen, Interviews zu machen. Damals hatten wir ja auch keine Kontakte zu Rappern. Wir sind einfach kamikazemäßig zu den Rappern hin, Kamera drauf und losgelegt.

Wie arbeitest du jetzt?
Jetzt ist das natürlich anders. Da wird das mit dem Management oder den Rappern alles geplant. Und dann bereite ich mich intensiv auf den Künstler vor. Ich glaube, so wie ich mich vorbereite, macht das kaum jemand. Ich bin ein richtiger Streber. Das ist wie damals, als man in der Uni oder in der Schule Referate machen musste. Ich habe das damals gehasst, aber jetzt ist es irgendwie mein Leben. Aber neben der direkten Vorbereitung vor einem Interview informiere ich mich konstant immer. Ich habe jeden YouTube-Kanal abonniert und schaue mir fast alles an, was täglich neu rauskommt. Das sind so um die zehn Videos täglich, die ich dann abarbeite. Und dann eben zusätzliche Vorbereitung, wenn ein Interview ansteht. Also die Videos angucken, Tourblogs, das Album durchhören, Instagram und Social Media checken. Da komm ich schon auf über vier Stunden direkte Vorbereitung, plus der Vorarbeit.

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Wie nimmst du deine Rolle in der Deutschrapszene wahr? Du bist inzwischen ja vom Moderator zu einer Persönlichkeit avanciert.
Ja, ungewollt. Bei uns ist es eigentlich das Ding, dass wir den Künstler in den Fokus stellen wollen. Ich bin auch nicht der Typ, der sich in den Mittelpunkt stellen muss und neben dem Künstler scheinen will. Deswegen habe ich bis jetzt auch noch keine Interviews gegeben. Der Künstler soll scheinen und wir berichten. Aber nun ja, jetzt ist es halt so, man hat auch so eine Facebook-Like-Seite und nimmt das halt mit.

Wirst du denn auf der Straße erkannt und angesprochen?
Ja, schon. Aber da ich ja jemand bin, der nicht so gern im Mittelpunkt steht, kommen die Leute, machen ein Foto und dann war es das auch. Die merken das auch, dass ich da nicht ausgequetscht werden möchte.

Shout-Out an Wunderwaffel, trotz Schreibfehler

Wie vereinbarst du deine Rolle als neutraler Journalist und der damit verbundenen kritischen Distanz, mit der freundschaftlichen Nähe zu Rappern?
Also erstmal sehe ich mich nicht als Journalist, sondern als Moderator. Ich lenke mehr das Gespräch, als dass ich da eine Diskussion führe. Ich bin ja nicht Maischberger und sitze da mit vier Experten, sondern wir sind zu zweit. Dennoch versuche ich persönlich immer, eine Distanz zu wahren. Wenn da ein Künstler mit 'ner steilen These kommt und du die nur abnickst, dann gibst du ihm ja indirekt Recht. Seine Meinung wird dann deine Meinung – auch wenn sie das eigentlich nicht ist. Ich mache das dann so, dass ich zwar Aussagen manchmal stehen lasse, aber das Gespräch dann in eine gewisse Richtung lenke, eine Frage stelle, die diese steile These hinterfragt. Man muss auf einer Basis zusammen arbeiten können, dass man sich in die Augen blicken kann. Ich behandele jeden mit Respekt, ich möchte niemanden bloßstellen. Das ist oft ein sehr schwerer Grat, auf dem man balanciert.

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Zum Beispiel, wenn ein. Punk sind sie dabei irgendwie immer noch – allein die Verpflichtung des Berliner Untergrund-Veteranen MC Bogys als Interviewer sollte diese These ausreichend belegen. Mit der steigenden Relevanz der Plattform ist auch Davuds Person immer mehr in den Vordergrund gerückt. Er ist inzwischen mehr als ein bloßer Moderator, der als Nebenfigur die Geschichte begleitet. Vielmehr ist er selbst zum aktiven Protagonisten seiner Geschichten geworden. Grund genug, mal den Spieß umzudrehen und Davud einige Fragen zu stellen. Was gar nicht so einfach war, wie sich herausstellte. Denn so leicht ist Davud aus der Interviewer-Rolle gar nicht zu herauszukriegen. Immer wieder drehte er das Gespräch um und plötzlich waren wir diejenigen, die sich Davuds teilweise lustigen, teilweise sehr klugen Fragen stellen mussten. Denn hinter Davud steckt einiges mehr, als ihm viele vielleicht zutrauen. Lest hier also das erste Interview von TV-Noisey-Sound.  2Criminal erzählt, Hitzlsperger stifte mit seinem Outing Kinder an, schwul zu werden?

Da hast du mit "OK " geantwortet und die nächste Frage gestellt.
Ja, wie gesagt. Es ist nicht immer einfach [lacht]. Man lernt ja auch dazu und wird sicherer auf diesem Gebiet. Ich weiß nicht mehr, was ich darauf gesagt habe, aber normalerweise würde ich heute darauf eine Kontrafrage stellen. Kürzlich hatte ich ein sehr kontroverses Interview mit Mert, der ja wegen seiner homophoben Aussagen stark kritisiert wurde. Und der hat das dann so auch wirklich eingesehen und sich geschämt.

Aber auch, weil ihm eben gesagt wurde: "Hey, was du da gerade sagst, ist Unsinn. "
Genau. Man muss auch verstehen, dass der jung ist. Ich war mit 20 der bekloppteste Typ und habe auch so 'ne Scheiße gesagt, für die ich mich jetzt schämen würde. Wenn dann so ein Typ vor dir sitzt und du dann kritisch nachfragst und er sich entschuldigt, dann ist das auch gut. Wenn man das nämlich nicht tut und denjenigen verstößt, dann ist die Gefahr groß, dass der sich in diesem Denken radikalisiert.

Eine Koryphäe im Deutschrap-Journalismus gab mir einmal den Rat: "Egal, wie cool jemand ist oder nett zu dir, vergiss nie: Rapper sind nicht deine Freunde."
Da hat er Recht. Man ist cool miteinander und man hat respektvoll miteinander umzugehen, aber du bist demjenigen nichts schuldig und umgekehrt. Daran muss man sich eventuell immer mal wieder dran erinnern und manchmal vergisst man das vielleicht auch. Aber ich sage das meinen Jungs auch immer.

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Du hast eine sehr gutmütige, liebe Art. Hast das Gefühl, dass dich die Leute deswegen vielleicht gerne unterschätzen oder nicht so ernst nehmen?
Ich glaube nicht, dass ich deswegen nicht ernst genommen werde, zumindest nicht von Rappern. Ich bin nun mal ein sehr herzlicher Mensch, das ist meine Natur. Aber man muss auch wissen, dass ich anders kann, wenn es die Situation verlangt. Unterschätzt, vielleicht. Aber ich mag es, unterschätzt zu werden. Vielleicht ist das sogar Teil meines Erfolgsrezeptes.

Das kann gut sein. Viele deiner Interviews sind legendär. Das geht schon bei deinen Standard-Fragen los. Was sind deine persönlichen Interview-Highlights?
Also das Mailand-Interview mit Fler war auf jeden Fall cool. Jetzt nicht, weil Fler mein bester Freund ist. Wir sind Kollegen, aber wir können uns auch das nächste Mal wieder zu Tode streiten. Aber das Interview an sich war cool, weil das Setting toll war. Dann habe ich mal ein Interview in 'nem Knast geführt, mit Jamen, das war auch ein Highlight. Und mit Summer Cem in Paris. Ich mag das, wenn du eine besondere Situation hast.

Da du das Mailand-Interview ansprichst. Ein virales Highlight aus dem Interview war, als Fler zu diesem Mann, dessen Familie gestorben ist, sagt: "Ja, passiert. Aber cool, dass du in Mailand bist." Wie hast du es geschafft, in dieser Situation nicht zu lachen?
Ich erinnere mich gar nicht mehr so an die Szene. Fler wollte die Situation einfach nur entspannen, weil das natürlich schon unangenehm war. In dem Moment war das nicht lustig. Da halte ich lieber meine Schnauze.

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Ein weiteres virales Highlight war auch, als du RAF in einem Interview plötzlich fragst: "RAF, wie geht 's dir eigentlich?" Ist dir da einfach keine Frage eingefallen?

[Lacht] Nein, da haben alle die Pointe nicht gepeilt, RAF eingeschlossen. Der hatte damals einen Song rausgebracht, der "So lala" hieß und das sollte ein Scherz sein, um dazu rüberzuschwenken. So, "RAF, wie gehts dir eigentlich?", und er hätte dann "So lala" antworten sollen. Dann wurde das natürlich auch aus dem Kontext gerissen und das Video wirkt dann so, als hätte ich 'nen Hänger gehabt. Aber ich feier das auch übertrieben. Ich tweete sowas auch immer.

Und wie war das bei dem Interview mit Disarstar und der Couch?

[Lacht abermals laut] Man, das hat auch keiner gepeilt, ihr Dummköpfe! Da war ein grünes Sofa, das gewackelt hat. Dann haben wir 'nen Cut gemacht und stattdessen ein orangenes Sofa hingestellt. Das war dann ein Scherz, so, "Hey schönes Sofa oder?", weil da plötzlich ein anderes Sofa stand. Ich habe ihn gar nicht getrollt. Das mach ich oft ganz bewusst. Dass ich so eine dumme Pointe hinlege, einen Insider, wo die Leute sich dann denken: "Was ist denn das für ein Dummkopf?" Aber wenn du genau aufpasst, dann peilst du das.

Da wir schon bei Insidern sind: Wie findest du Albaner?
[Lacht] Sehr gut. Gute Leute. Shout Out an alle Fans.

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