Das erste Date mit … Sherry-ou
Alle Fotos David Zehnder

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Das erste Date mit … Sherry-ou

Wie der Basler Rapper und ich im Kunstmuseum Unruhe gestiftet haben.

In unserer Reihe "Das erste Date mit …" gehen wir mit Musikern auf ein erstes Date, um ihnen möglichst unangenehme Fragen zu stellen, die man bei einem ersten Date so abfrühstückt, und ihnen eine Chance zu geben, sich möglichst von der besten Seite zu zeigen – genau wie bei einem Date.

Aus Basel sind wir uns normalerweise Boombox und Gangster-Rap gewohnt, doch Sherry-ou, der sich selbst zwar nicht als Rapper betitelt, mischt die dortige HipHop-Szene ziemlich auf. Mit seinem letzten Track und kleinem Sommerhit "Guet" legt er die Messlatte schon ziemlich hoch. Jetzt folgt am 24. November sein neues Album Streber. Sherry steht für Liebe und Hoffnung, nicht für Hass. Eine einzigartige Kombi aus Beats und Gesang machen seine Tracks zu seinem unverkennbaren Markenzeichen. Sein neuestes Werk, das in wenigen Monaten produziert wurde, kann sich definitiv hören lassen. Zeit also, den Basler besser kennenzulernen.

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Doch was hat Basel für ein erstes Date, das nicht das 0815-"Komm, lass uns in eine Bar gehen" beinhaltet, zu bieten? Nach dem Abwägen verschiedener Optionen wie Lasertag, Rheinfahrt oder Kunstmuseum, schlägt Sherry selbst vor, dass er gerne die momentane Chagall-Ausstellung sehen würde – so ein Streber. Also haben Sherry und ich einen Nachmittag lang das Kunstmuseum unsicher gemacht und sind dem Personal auf die Nerven gegangen.

Noisey: Es hat mich ziemlich erstaunt, dass du die Ausstellung sehen wolltest. Ist das denn authentisch?
Sherry: Normalerweise würde ich bei einem Date wahrscheinlich einfach in eine Bar gehen. Das habe ich meinem Management auch vorgeschlagen, doch die fanden das zu langweilig und Kunst aller Arten interessiert mich ziemlich. Aber wir können ja nach dem Museum noch in eine Bar gehen, dann ist es authentischer. Wenn es gut läuft, könnten wir auch romantisch am Rhein spazieren gehen.

Vor dem ersten Kunstwerk bleiben wir stehen, es nimmt praktisch die gesamte Wand ein und erinnert an einen abstrakten Regenbogen.

Wie sollen wir denn eigentlich die flirty Fotos machen – du bist ja grösser als ich?
Stört es dich, wenn eine Frau grösser ist als du?
Nein, eigentlich nicht. Das sagt jetzt wahrscheinlich jeder, aber es kommt auf die inneren Werte an. Wenn beide d’accord damit sind und sich gut verstehen, dann sehe ich es nicht als Problem an, dass die Frau grösser ist. Ich bin jetzt auch nicht so der oberflächliche Typ, gutes Aussehen bringt dir schlussendlich auch nichts, sondern der Charakter macht dich aus.

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Was machst du eigentlich neben deiner Musik?
Im Moment bin ich selbständig mit einem Studio. Doch ich habe vor, mein nächstes Projekt in Zürich zu realisieren. Heisst, dass ich unter der Woche hier arbeiten und am Wochenende in Zürich Musik produzieren werde. Was genau ich arbeiten werde, weiss ich noch nicht, ich bewerbe mich jetzt. Mein Sozialpädagogik-Studium liegt auch noch auf Eis, das möchte ich aber unbedingt irgendwann beenden.

Und wie bist du zur Musik gekommen?
Mein Vater war Chorleiter und spielt schon seit über 50 Jahren Geige. Meine Mutter leitete ebenfalls Chöre und meine Schwester tanzt. Es liegt also alles in der Familie. Früher war ich auch noch in einer Band, aber eigentlich hat alles angefangen, als ich in der Steiner Schule zwischen Blockflöte und Karikatur wählen musste.

Im nächten Raum angekommen unterhalten wir uns weiter. Wahrscheinlich haben wir beide noch die Bar-Atmosphäre im Kopf, denn wir werden immer wieder böse von der Aufsicht angeschaut.

Wenn wir schon bei Familie sind, bist du ein Familienmensch?
Total! Seit meine Schwester Kinder hat, sind wir wie zusammengeschweisst und ich verbringe echt gerne Zeit mit der Familie. Sie ist auch immer für dich da und unterstützt dich, egal was du anstellst. Ich meine, klar, als Kinder haben ich und meine Geschwister oft gestritten, aber das ist ja normal. Ich freue mich auch immer, wenn wir an Weihnachten alle zusammenkommen.

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Ich muss ehrlich sein, ich habe dich vor dem Date ein wenig online gestalkt. Ich hab ein Bild von einem Auftritt an einer Konfirmation gesehen, bist du sehr gläubig?
Also ich glaube schon an Gott, aber ich muss ihn jetzt nicht in jedem Track erwähnen. Meine Mutter war auch Pfarrerin, daher bin ich schon religiös aufgewachsen. Ich bin jetzt aber nicht übertrieben gläubig.

Vor einem Bild angekommen, auf welchem eine Frau einen Mann umgebracht hat, fragen wir uns, was er bloss angestellt hat.

Ist dir Treue wichtig?
Wer würde da schon Nein sagen? Also ja, Treue ist mir sehr wichtig. Ich habe auch schon Fehler gemacht, klar. Das passt aber eigentlich nicht zu mir. Aber wenn mich jemand betrügen würde, würde ich der Person nicht den Tod wünschen. Das habe ich noch nie und finde ich auch nicht korrekt. Ich sage auch nie, dass ich etwas hasse, da ich dies ein extrem starkes Wort finde.

Wir werden von der Museumsaufsicht verwarnt, da wir zu laut reden und lachen. Als wir weitere böse Blicke von der Dame zugeworfen bekommen, gehen wir in einen anderen Raum. Da wir ja ein gesundes und ausgewogenes Leben führen, entscheiden wir uns für die Treppe statt den Lift und begeben uns in den zweiten Stock.

Irgendwie schauen die uns alle so bös an.
Wieso bloss?

Eventuell sind wir nicht das passende Klientel.
Nächstes mal ziehe ich meinen Anzug an.

Und ich mein Abendkleid.
Das wäre authentisch!

Bist du eigentlich in Basel aufgewachsen?
Ich bin eigentlich der Einzige in meiner Familie neben meiner Schwester, der ganz in Basel aufgewachsen ist. Meine Eltern lebten in Zürich und meine anderen Geschwister wuchsen dementsprechend auch dort auf. Wir sind dann irgendwann nach Basel gezogen. Ich bin auch der Einzige in der Familie mit einem Basler Dialekt. Mit meinen Eltern rede ich aber ab und an Zürideutsch.

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Wir stehen vor einem Stuhl, welcher als Kunst gelten soll. Daneben hängt ein Bild mit diversen Stuhlbetitlungen in verschiedenen Sprachen.

In dem Kunstwerk geht es wohl um Stühle, was ist denn dein Lieblingsstuhl?
So eine geile Frage! Das wurde ich noch nie gefragt. Schade, ist das kein richtiges Date. Was steht dort? Bolterstuhl?

Ich glaube das heisst, Folterstuhl.
Achso, ja dann ist das mein Lieblingsstuhl.

Dementsprechend hast du eine leicht masochistische Ader?
Ich meine, wenn alles passt, wieso nicht? Nein, Spass! Darfst du überhaupt solche Sachen fragen? OK, ich würde sagen, mein Lieblingsstuhl ist der Liegestuhl.

Durch den nächsten Raum sind wird rasch quer durchgelaufen. Also legen wir eine Pause ein und setzen uns vor einem Fenster mit Ausblick nach draussen.

Herbst ist schon meine Lieblingsjahreszeit, da ist alles so bunt. Obwohl ich auch nichts gegen die anderen Jahreszeiten habe. Zum Beispiel im Winter, wenn alles so romantisch verschneit ist. In der Stadt ist es zwar meistens Pflotsch.

Schon wieder so romantisch. Heisst, du bist im Winter gerne in den Bergen?
Dort ist es schon schön. Ich fahre auch gerne Snowboard. Allgemein mache ich gerne Brettsportarten. Als Kind waren mein Bruder und ich immer Bodyboarden. Wir haben in unseren Ferien dann auch mal Surfen ausprobiert, aber das klappte gar nicht, darum liess ich es schnell wieder sein. Ich skatete früher auch sehr viel. Besser gesagt, es war mein Leben. Doch wegen eines Unfalls, bei dem ich mich am Rücken verletzte, hörte ich auf, da ich nachher bei jedem Ollie Panik hatte und es auch im Rücken spürte. Deine Schuhe sehen aber auch nach skaten aus, ist das möglich?

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Ja, schon! Dann wäre ein besseres erstes Date wohl skaten und betrinken gewesen, oder?
Das wäre echt authentisch gewesen! Hätten wir das bloss im Vornherein gewusst. Ich hätte gern gesehen, wohin das geführt hätte. Wahrscheinlich zu Verletzungen und einer lustigen Story.

Deine Schuhe sehen praktisch neu aus. Hast du die neu oder putzt du die jeden Tag?
Also ich bin jetzt nicht mega eitel oder arrogant, aber achte schon auf mein Äusseres. Die Schuhe habe ich schon länger, aber heute zum zweiten Mal oder so an. Du darfst dich also geehrt fühlen. Ich ärgere mich auch schon die ganze Zeit, dass ich einen Fleck auf dem Pulli habe. Das habe ich erst bemerkt, als wir im Museum waren. Sonst hätte ich mich noch umgezogen. Vor allem, wenn es ein echtes Date gewesen wäre. Man will ja einen guten ersten Eindruck hinterlassen.

Der Fleck ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, aber eine schöne Farbe hat der Pulli. Du trägst eher Farben?
Ich habe früher immer nur schwarz getragen, doch jetzt probiere ich mehr Farben aus. Du hast dich heute aber auch getraut, etwas Grünes anzuziehen. Der Pulli ist von meiner neuen Merch-Kollektion. Wir können die in der Fabrik des Vaters eines Freundes relativ günstig produzieren. Es wird den Pulli in diversen Farben geben wie Rosa oder Blau, aber alle mit dem gleichen Design. Ich lauf nur noch in den Pullis rum, weil ich sie so nice finde. Als nächstes kommen dann Hosen, Shirts, Schwimmsachen und Schuhe. OK, vielleicht Schwimmsachen und Schuhe nicht oder nur, wenn sie gut aussehen.

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Da es hiess, dass das Licht im neuen Teil des Museums besser wäre, begeben wir uns zurück in das Erdgeschoss. Beim Runtergehen schauen wir noch über die Treppe in den unteren Stock.

Warte mal, ist die Ausstellung, die du sehen möchtest, nicht in diesem Gebäude?
Stimmt! Im obersten Stock. Wenn wir schon hier sind, müssen wir die uns schon anschauen.

Lift oder Treppe?
Lift, wir haben heute schon genug Sport gemacht.

Also sind wir eingeklemmt zwischen fremden Menschen und der unangenehmen Lift-Stille auf dem Weg nach oben.



Treibst du denn sonst noch Sport? So im Fitness pumpen oder so?
Sieht man das nicht? Ich gehe jeden Tag pumpen! Quatsch. Ich ging früher mal ins Fitness, aber musste mich dann entscheiden: Fitness oder Musik. Zweiteres war mir dann wichtiger. Ich denke aber schon, dass ich früher ein wenig sportsüchtig war mit dem vollen Programm von Shakes und jeden Tag trainieren.

Wie muss ich mir das eigentlich vorstellen – wirst du in Basel oft angesprochen?
Das passiert vereinzelt, aber nicht oft. Das ist dann schon immer ein komisches Gefühl, wenn eine wildfremde Person auf dich zukommt und dich anspricht. Wirklich gewohnt bin ich mir das also nicht.

Und sprechen dich auch Frauen wegen deinem Fame an?
Also auf der Strasse nicht, aber auf den Konzerten ab und zu schon. Ich glaube aber, dass ich nicht der Typ dafür bin. Allgemein finde ich das Musiker-Sein eher ein Päcklein, das ich mit mir trage, wenn ich neue Frauen kennenlerne – wie eine kleine Last. Ich versuche es darum immer möglichst früh zu sagen, damit sie weiss, auf was sie sich einlässt. Du musst dir bewusst sein, dass ihr euch dann vielleicht nicht immer seht wegen Konzerten und Tour, aber wenn es stimmt, sollte das kein Problem darstellen.

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Kommen wir auf dein Album Streber zu sprechen. Wie war es, die Platte in wenigen Monaten zu produzieren?
Am Anfang hatte ich Startschwierigkeiten und am Schluss wollte ich es nicht fertigstellen, weil ich nie zufrieden war. Doch irgendwann war ich doch davon überzeugt. Es hatte eigentlich noch zwei andere Songs darauf, doch die habe ich wieder vom Album genommen, da diese mir zu dancehallig waren. Das ist im Moment zu trendy und ich finde es nicht cool, wenn etwas zu sehr einen Trend kopiert. Doch jetzt bin ich schon zufrieden. Aber ich lege eigentlich nicht viel Wert auf die Meinung von anderen. Wenn die aber finden, man kann es hören, dann weiss ich, dass ich etwas richtig gemacht habe. Es war auch kompliziert, da wir sozusagen bei Null angefangen haben, weil wir nichts Ähnliches wie früher machen wollten. Ich musste mich wieder neu finden.

Nachdem unser Fotograf noch den Alarm des Museums ausgelöst hat und ich die Treppe runtergerutscht bin, entscheiden wir uns, in eine Bar zu gehen, bevor wir aus dem Museum geschmissen werden.

Sherry-ous 'Streber' erscheint am 24. November. Am 16. Dezember feiert er die Plattentaufe im Sommercasino Basel



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